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Gemeinsam zur Weltmeisterschaft. Im nationalen Vergleich gehören Marvin Dogue, Fabian Liebig, Janine Kohlmann, Patrick Dogue und Christian Zillekens (v.l.) zu den Besten ihrer Zunft. Ab Montag misst sich das Potsdamer Quintett in Berlin mit der Welt-Elite.

©  Andreas Klaer

Sport: Fünf Potsdamer für Fünfkampf-Deutschland

Bei der WM in Berlin bilden OSC-Athleten das halbe Nationalteam. Die vielseitige Sportart hat in der Stadt eine fast 60-jährige Tradition. Inklusive eines Dornröschenschlafs

Von Tobias Gutsche

Ein Jahr vor den Sommerspielen in Rio umweht die Welt-Elite des Modernen Fünfkampfs bereits ein Hauch von Olympia. Und zwar in Berlin. Ab Montag fechten, schwimmen, reiten, schießen und laufen die Besten dieser Zunft bei der Weltmeisterschaft im Olympiapark. Dort, wo 1936 die Spiele stattfanden, werden insgesamt zehn deutsche Teilnehmer an den Start gehen. Die Hälfte von ihnen kommt aus Potsdam. Janine Kohlmann, Patrick Dogue, Fabian Liebig, Christian Zillekens und Marvin Dogue wurden nominiert.

Zum Erfolg verpflichtet

Dass gleich fünf Athleten aus der brandenburgischen Landeshauptstadt in einer Sportart bei Welt-Titelkämpfen vertreten sind, ist eine außergewöhnliche Bilanz, die in der jüngeren Vergangenheit allenfalls die Kanuten vorweisen konnten. „Unser Stützpunkt hat wirklich eine tolle Entwicklung genommen“, findet Claudia Adermann. Die Cheftrainerin des OSC Potsdam nennt mehrere Gründe, warum die Kaderschmiede am Luftschiffhafen neben dem Berliner Leistungszentrum den Fünfkampf-Ton in Deutschland angibt: „Hier wurde mit der Anbindung an die Sportschule, den hervorragenden Trainingsbedingungen sowie einem starken und gut zusammenarbeitenden Trainerkollektiv ein optimales Umfeld geschaffen. Daher sind wir aber auch zum Erfolg verpflichtet, denn nirgendwo in Deutschland kann man Fünfkampf so professionell betreiben wie bei uns.“

Stützpunkt gegründet und eingestampft

Die Tradition dieses Vielseitigkeitssports reicht in Potsdam zurück bis 1956. Zu den Pionieren gehörte Peter Stanitzki. „Von Beginn an hat es mich fasziniert, gleich fünf Disziplinen gut beherrschen zu müssen“, erzählt der gebürtige Berliner, der 1958 Geschichte schrieb. Er sicherte sich den Titel als erster DDR-Meister im Modernen Fünfkampf. Doch zwei Jahre darauf musste der Athlet auf Staatsgeheiß bereits seine aktive Laufbahn beenden.

1968 ereilte dieses Schicksal alle leistungsorientierten Fünfkämpfer im Arbeiter- und Bauernstaat, denn die Sportführung der Republik beschloss, die Förderung für diese olympische Disziplin einzustellen. „Sechs Stützpunkte gab es in der DDR, allesamt wurden sie komplett eingestampft“, erinnert sich Stanitzki. Aufwand hinsichtlich der Trainingsressourcen und Nutzen mit Blick auf mögliche Medaillengewinne würden nicht zusammenpassen, lautete einst die Begründung für das Aus.

Wiederbelebung nach der Wende

Bis 1990 lag der Moderne Fünfkampf in Potsdam brach. Doch dann wurde dieses Feld erneut beackert. Klaus Petrikowski, WM-Siebter 1963 in der Schweiz, initiierte eine Wiederbelebung des Pentathlons am Templiner See und fragte bei Peter Stanitzki um Unterstützung an. Der hatte zuvor als Verantwortlicher an DDR-Fechtstützpunkten sowie als Fechtnationaltrainer gearbeitet und sagte sofort zu. „Am Fünfkampf hat schon immer mein Herz gehangen. Daher war die Idee des Neuaufbaus dieser Sportart ein Glücksmoment für mich“, sagt er.

21 ehemalige Fünfkämpfer weckten ihren Sport dann schließlich aus dem Dornröschenschlaf. Sie gründeten den brandenburgischen Landesverband und bildeten eine Abteilung innerhalb des OSC Potsdam. Auferstanden aus Ruinen. „Das Land und die Stadt hatten uns bei dem Vorhaben sehr gut unterstützt“, erzählt Stanitzki, der fortan als Coach am Stützpunkt tätig war. Bis zum vergangenen Donnerstag. Da wurde der 81-Jährige feierlich in den Trainerruhestand verabschiedet. Einmal in der Woche war Stanitzki zuletzt immer noch in der Fechthalle, gab seine Erfahrungen an die Jüngsten weiter. „In den vergangenen Jahren habe ich mein Trainingspensum schrittweise reduziert, um mich langsam vom Fünfkampf lösen zu können. Aber es fällt mir nun dennoch nicht leicht.“

Internationale Erfolge durch Köllner

Mit Stolz kann Peter Stanitzki zurückblicken. Auf das, was er mit aufgebaut hat. Der Potsdamer Stützpunkt ist nämlich inzwischen eine Hochburg. „Das ging allerdings nicht von heute auf morgen. Es hat seine Zeit bis dahin gebraucht“, meint er. Ab Mitte der 1990er-Jahre war es zunächst Jörg Beutler, der erste bundesweite Meriten sammelte. Stefan Köllner stürmte dann als erster OSC-Athlet zu internationalen Erfolgen, er gewann Bronze bei der Europameisterschaft 2010 und wurde zwei Jahre später WM-Vierter. Aufgrund von Verletzungspech hat sich der 30-jährige Routinier allerdings nicht für die diesjährige Weltmeisterschaft in Berlin qualifiziert.

Junioren-Trio startet bei der WM

Stattdessen die jungen Wilden. Neben Schieß-Weltrekordhalter Marvin Dogue, der nur in der Staffel zum Einsatz kommt, sind auch Fabian Liebig und Christian Zillekens noch im Juniorenbereich startberechtigt. Titel und Medaillen sammelten sie bei den internationalen Nachwuchsmeisterschaften en masse. Die Zukunft liegt also noch vor ihnen. „Bei den Weltcups habe ich bereits gezeigt, dass ich bei den Männern mithalten kann. Das möchte ich nun auch bei der WM beweisen und ins Finale einziehen“, sagt Liebig. Zillekens sitzt in der modernen Potsdamer Fechthalle neben ihm und nickt zustimmend. Der Satz hätte auch eins zu eins von ihm kommen können.

Olympische Träume am Luftschiffhafen

Die Qualifikation für den Endkampf der besten 36 Athleten nennt auch Patrick Dogue als primäres Ziel. Mit 23 Jahren ist er der Älteste im Männer-Quartett des OSC und zugleich der derzeit Leistungsstärkste. „Meine Formkurve ist zuletzt immer weiter angestiegen. Ich hoffe, das setzt sich genauso fort“, erzählt der amtierende Deutsche Meister, der vom hohen Trainingsniveau in seiner Gruppe schwärmt. „Wir pushen uns jeden Tag gegenseitig. Egal, wer einen Erfolg einfährt: Er weiß auch, dass die anderen ihren Anteil daran haben.“

Also auch Janine Kohlmann, die seit dem Jahr 2013 am Luftschiffhafen trainiert. Vergangene Saison wurde sie Staffel-Europameisterin und habe auch „sehr gute Erinnerungen“ an Berlin als WM-Ort. „2007 war ich zum ersten Mal bei den Erwachsenen dabei und gewann Silber im Team und Bronze mit der Staffel“, berichtet die gebürtige Düsseldorferin, die acht Jahre später wieder Top-Platzierungen erkämpfen möchte. Und damit zugleich wichtige Ranglistenpunkte im Kampf um die Olympia-Quali. „Jeweils zwei männliche und weibliche Startplätze wird es für Deutschland in Rio geben. Unser Ziel ist, dass ein Duo vom OSC den Sprung schafft“, sagt Trainerin Claudia Adermann. Zum 60-jährigen Jubiläum des Fünfkampfs in Potsdam wäre dies wohl das beste Geschenk.

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