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„Hassan“ freut sich über die Trikots, in denen der SV Babelsberg eigentlich seinen Landespokalerfolg feiern wollte. Nun tragen die Spieler des Refugee-Teams die Shirts.

© I. Höfgen

Flüchtlingsteam des SV Babelsberg 03: Zuflucht Fußballplatz

Vor vier Wochen hat der SV Babelsberg 03 ein Refugee-Team ins Leben gerufen. Inzwischen kommen fast 30 Geflüchtete zum Fußballtraining.

Es hätte auch ein rein zufälliges Zusammentreffen sein können, aber tatsächlich gehörten am Sonntag alle Anwesenden vor dem Zaun des Karl-Liebknecht-Stadion zusammen. Eine größere Gruppe von Flüchtlingen, die in einem Bushäuschen wartet, zwei Frauen mit zwei Kindern, die genau in ihre Richtung gehen; und ein Mann, einen großen Karton schleppend und mit dem Schlüssel. Am späten Nachmittag stand das vierte Training einer ungewöhnlichen Mannschaft des SV Babelsberg 03 an – des sogenannten Refugee-Teams, eines Teams aus Flüchtlingen.

Die Mannschaft, die in keiner Liga gemeldet ist, trifft sich seit Juli einmal pro Woche. Flüchtlinge aus Nigeria, Kenia, Somalia, Afghanistan, Kamerun und anderen Ländern suchen auf dem Kunstrasen des Karl-Liebknecht-Stadions den sportlichen Wettstreit. Ein echtes Spiel haben sie auch schon hinter sich: Mit 2:3 unterlagen sie vor einigen Wochen in Berlin den „Champions ohne Grenzen“, einem Flüchtlings-Team aus der Hauptstadt. Gemeinsam ist den meisten, dass sie politisches Asyl beantragt und keinen Aufenthaltstitel haben. Die Möglichkeiten, den Tag zu verbringen, sind dadurch eingeschränkt. Ohne Aufenthaltstitel gibt es keine Arbeitserlaubnis, ohne Arbeit können die Tage sehr lang werden.

Wöchentliches Training ist wichtiger Termin geworden

Warten, wie über den Asylantrag entschieden wird – für viele eine belastende Situation. „Ich vermisse die Familie, das Essen, es ist nicht einfach mit den Beschränkungen“, sagt Johnson aus Nigeria. Er war nicht nur ein guter Fußballer an der Universität in seiner Heimat, sondern auch politisch aktiv. Im November ist Johnson, der als Geburtsjahr 1993 nennt, drei Jahre in Deutschland. Das Sprachlevel B1, das für den Zuzug von ausländischen Ehegatten maßgeblich ist, hat er bestanden. Er hat viele Kontakte in die Wohnheime der Asylbewerber – die meisten, die am Sonntag mitspielen, kommen aus dem Schlaatz und aus Teltow.

Das wöchentliche Training hat sich zu einem wichtigen Termin entwickelt. „Wir versuchen uns glücklich zu machen und die Schwierigkeiten zu vergessen“, sagt Johnson. Er war auch der Ausgangspunkt für die Gründung des Teams – er und Manja Thieme. Sie ist eine der beiden Frauen, die am Sonntag am Eingang warten. Die 35-jährige Babelsbergerin, die beruflich Geschäftsreisen organisiert, betreute ehrenamtlich für die Ausländerseelsorge eine Nigerianerin und deren Baby. Johnson, der Vater des Kindes, erzählte ihr von seiner Zeit als Fußballer in Nigeria. Thieme schrieb eine E-Mail an den SVB und wurde nach einer Woche eingeladen von dem Verein, der nicht als linker Club wahrgenommen werden will, aber bei dem das gesellschaftspolitische Engagement der Mitglieder einen höheren Stellenwert einnimmt als bei anderen Vereinen. Thieme gefällt die politische Einstellung der Fan-Nordkurve: antirassistisch, antihomophob. Dass die Asylbewerber sich im Refugee-Team mit Anfeindungen nicht auseinandersetzen müssen, sieht sie als großen Vorteil. „Sie laufen keine Gefahr, diskriminiert zu werden und fühlen sich nicht mehr so als Außenseiter.“

Die Traineranweisungen gibt es auf Deutsch

Es geht ein wenig später los als gedacht mit dem Training in der Sommerhitze, das letztlich aus einem Spiel besteht. Zunächst geht es kurz um Öffentlichkeitsarbeit. Thoralf Höntze, verantwortlich für das Marketing des SVB, will die Mannschaft fotografieren – für die Internetseite und für die Bewerbung um einen Integrationspreis. Nahezu einheitliche Kleidung, Trikots des SVB, hat Höntze in einem großen Karton dabei. Dabei haben viele Spieler schon interessant aussehende T-Shirts an: Der Trikotsatz war für den möglichen Sieg der Regionalliga-Mannschaft im Pokalfinale 2014 angefertigt worden. Aus 2012 wurde – rot überdruckt – 2014, und der Begriff „Serientäter“ in Anlehnung an sechs Pokalsiege in Folge wurde mit einem Fragezeichen versehen. Benötigt wurden sie nicht, der SVB unterlag gegen Optik Rathenow mit 1:3. Es wären auch gute Sammlerstücke.

Während die Spieler sich ruhig die Bälle zuschieben, versucht Manja Thieme auf einer Liste die Kontaktdaten aller Spieler zusammenzutragen. Inzwischen sind es 27 Namen, wieder sind ein paar neue Gesichter dabei. Beim Training zuvor war der Trainer, den alle „Hassan“ nennen und der eigentlich Zahirat heißt, etwas ratlos. „Als 20 Mann da waren, wusste ich nicht mehr, was ich machen sollte“, bekannte der Mazedonier, der bald vier Jahre mit seiner Frau und drei Kindern in Deutschland ist. Er kam über das SVB-Fanprojekt zum Refugee-Team, als Spieler, wie er dachte, jetzt soll er Trainer sein. Er spielt regelmäßig Fußball bei der Potsdamer Sportunion in der Kreisklasse.

Am Sonntag, als sich letztlich 15 Spieler mit einstündiger Verspätung und trotz der heißen Temperaturen dem ernsthafteren Kick auf einem etwas verkleinerten Feld widmen, geht er in eines der Tore und gibt die Anweisungen auf deutsch, bis die Sonne langsam untergeht. Das Training vor einer Woche, erzählen sie, war erst nach drei Stunden beendet.

Ingmar Höfgen

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