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Flüchtlinge und Sport: Aus dem Flüchtlingsstrom ins Läuferfeld

Beim Wettkampf in Caputh gehen Asylsuchende der Fercher Erstaufnahmestelle mit auf die Strecke. Einer von ihnen ist Mohammed Majel. Der 25-Jährige hat viel Spaß bei der Veranstaltung, doch als er von Erlebnissen in seiner Heimat Afghanistan berichtet, verschwindet die gute Laune.

Von Tobias Gutsche

Am Versorgungsstand, direkt neben der Sporthalle in Caputh, muss sich Mohammed Majel erst einmal etwas stärken. Er isst ein paar Stückchen Obst und trinkt warmen Tee aus einem braunen Plastikbecher. Seine Energiespeicher füllen sich wieder. Diese hatte Mohammed Majel zuvor gehörig angezapft, als er zum ersten Mal in seinem Leben einen Laufwettkampf bestritt. Diese persönliche Premiere feierte er am vergangenen Sonntag beim Rennen um den Caputher See.

„Das war anstrengend, aber es hat sehr großen Spaß gemacht“, erzählt der junge Mann in gebrochenem Englisch. Fünf Kilometer hatte er zurückgelegt. Doch diese Distanz – und die damit verbundene körperliche Anstrengung – steht in keinerlei Verhältnis zu dem, was er vor wenigen Monaten vollbracht hatte. Auf der Flucht bewältigte Mohammed Majel nämlich Hunderte Kilometer überwiegend zu Fuß, um sich in Sicherheit zu bringen. Gemeinsam mit seiner Frau kam er aus dem vom Krieg geplagten Afghanistan nach Deutschland.

Sportprogramm der Initiative "on the move"

Angekommen ist das Ehepaar Majel vor knapp sechs Wochen. Nun sind die beiden zunächst in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Ferch untergebracht, wo sie darauf warten und hoffen, als Asylsuchende Plätze in einer entsprechenden Wohnstätte zu erhalten. Für Abwechslung während dieser zuweilen nervlich belastenden Wartezeit sorgt in der Fercher Unterkunft seit März des vergangenen Jahres ein ehrenamtliches Team der Integrationsinitiative „on the move“. Wöchentlich bietet es dort ein Sportprogramm an. 

„Und das wird sehr gut angenommen. Vor allem von den Kindern und Jugendlichen – 90 Prozent von allen machen mit“, sagt der Projektverantwortliche Manfred Beger, der die Einheiten momentan mithilfe von zwölf Übungsleitern durchführt. Mit dem Programm, das „on the move“ künftig gerne auch auf weitere Asylbewerbereinrichtungen in Brandenburg und Berlin ausweiten möchte, wolle man bei den Geflüchteten Freude durch Bewegung sowie das Erlernen erster deutscher Vokabeln fördern. „Wir merken, dass dieses Vorhaben super aufgeht. Den Leuten tut das gut.“

Mohammed Majel erzählt über Angriffe der Taliban

Vor allem wird bei den Fercher Flüchtlingen leidenschaftlich Fußball gespielt. „Das löst bei ihnen mit Abstand die meiste Begeisterung aus“, meint der hauptberufliche Drehbuchautor Manfred Beger. Aber auch der Rugby, die Frisbee-Scheibe oder ähnliche Utensilien kommen bei diversen Sportspielen zum Einsatz. Und es wird ebenfalls gelaufen. Daher reifte die Idee, am Seelauf in der benachbarten Ortschaft Caputh teilzunehmen. Jeweils unter Begleitung der Coaches begaben sich am vergangenen Sonntag schließlich acht Kinder auf die Zwei-Kilometer-Distanz, sieben Jugendliche und Erwachsene gingen über fünf Kilometer an den Start.

Einer von ihnen ist Mohammed Majel. Der 25-Jährige lief mit nach oben gerecktem Daumen und einem Lächeln im Gesicht über die Ziellinie. Wenige Minuten später verschwindet seine gute Laune dann jedoch für kurze Zeit, als er von bedrohlichen Erlebnissen in Afghanistan berichtet. „Hier, schau dir das an“, sagt er und zeigt auf seine rechte Handfläche, über die sich eine mehrere Zentimeter lange Narbe zieht. „Ich habe bei der Armee gearbeitet und wir wurden immer wieder von den Taliban angegriffen. Diese Verletzung habe ich bei einer Messer-Attacke erlitten.“ 

In drei Monaten von Afghanistan nach Deutschland

Und da seien noch weitere Wunden an seinem Körper, meint er. Der etwa 1,70 Meter große Mann zieht die fliederfarbene Sportjacke ein Stück hoch, um zwei kleinere, kreisrunde Narben am Bauch freizulegen. „Da wurde ich angeschossen.“ Auch das sei ein Angriff durch die Terrormiliz Taliban gewesen.

Weil die Todesangst immer größer wurde, beschlossen er und seine Frau schließlich, die Heimat zu verlassen. Ihr Fluchtweg: von Afghanistan nach Pakistan, weiter in den Iran und die Türkei, dann nach Griechenland, bis sie über die Balkanroute Richtung Deutschland fanden. Ein dreimonatiger Dauermarsch um das Leben. Was sind da schon 5000 Meter beim Lauf um den Caputher See?

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