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Viele Weltstars machen bei der ISL mit – wie US-Mann Caeleb Dressel, 13 facher WM-Goldmedaillengewinner.

© Joel Marklund/dpa

Die ISL mit Christian Diener aus Potsdam: Teil einer schwimmerischen Revolution

Der Potsdamer Rückenspezialist Christian Diener startet in der International Swimming League. Sie soll als Champions League des Schwimmsports verstanden werden - und als ein Aufbegehren gegen den Weltverband. Es geht um Geld, aber vor allem um Respekt.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Mit großem Interesse wird Christian Diener am Wochenende die Geschehnisse in Indianapolis verfolgen. Dort beginnt eine schwimmerische Revolution. Der Potsdamer gehört dieser an. In der Hauptstadt von Indiana steigt der Auftakt zur International Swimming League (ISL), einer privat organisierten Wettkampfserie, die als Champions League des Schwimmens verstanden werden soll – und als Aufbegehren gegen den Weltverband Fina.

Von ihm missbraucht, ungehört und nicht geachtet fühlen sich viele Top-Stars der Szene, die nun unter dem Dach der ISL die gewünschte Wertschätzung für sich erhoffen. Inklusive viel Geld. 5,4 Millionen Dollar sind an Prämien in dem auf Mannschaftsvergleichen basierenden Wettkampf ausgelobt, wie den PNN auf Nachfrage mitgeteilt wurde. Zudem stehen jedem der acht teilnehmenden Teams 150.000 Dollar für Zahlungen an die Mitglieder zur Verfügung. Für ihn seien die finanziellen Reize nicht primär, betont Diener. „Was man verdient, steht am Ende in Abhängigkeit zu den eigenen Ergebnissen. Ich bin ja leistungsmäßig nicht so krass wie die Spitzenleute, die da richtig Geld scheffeln können“, sagt der Olympiasiebte von Rio über 200 Meter Rücken. Vielmehr sei er froh, „einfach nur drin in diesem Elitekreis zu sein“, sich auf höchstem Niveau messen zu können, um die persönliche Entwicklung voranzutreiben. Der 26-Jährige greift noch nicht zum Auftakt ins Geschehen ein, denn sein Team ist erst später im Saisonverlauf dran.

Ein Oligarch steckt hinter der millionenteuren Liga

Die ISL funktioniert als Ligasystem mit zwei Gruppen à vier Mannschaften, die um Punkte kämpfen. Nach den sechs Vorrundenstationen (drei pro Gruppe) folgt das große Finale am Wochenende vor Weihnachten – an keinem geringeren Ort als Las Vegas.

Christian Diener ist einer von neun Deutschen, die in der ISL-Premierensaison antreten.
Christian Diener ist einer von neun Deutschen, die in der ISL-Premierensaison antreten.

© Bernd Thissen/dpa

Hinter dem schillernden Projekt, das bei der Premiere über ein Budget von rund 25 Millionen Dollar verfügt, steckt der in Russland lebende Ukrainer Konstantin Grigorishin. Eine treibende Kraft ist zudem Christian Hirschmann. Der Unternehmer, Trainer und inzwischen auch Teammanager der deutschen Nationalmannschaft hat bei der Neckarsulmer Sport-Union das Modell einer Profischwimmgruppe initiiert. Die ISL ist weiterer Ausdruck des Anspruchs, Großes im Wasser zu bewirken. „Wir wollen den Schwimmsport professionalisieren – das geht wie etwa im Fußball oder Basketball vor allem über einen Ligabetrieb“, sagt Hirschmann. „Künftig soll der noch viel umfangreicher werden als jetzt zu Beginn.“ Es gehe bei der ISL darum, das Schwimmen zu modernisieren, es attraktiver für alle zu machen – mit Showcharakter und nicht-traditionellem Format.

Hirschmann schmiedete die entsprechenden Pläne zusammen mit Grigorishin. Jener wird außerhalb der Sportgemeinschaft durchaus kritisch gesehen – unter anderem wegen seiner Geschäftsbeziehungen zu Petro Poroshenko, dem umstrittenen Ex-Präsidenten der Ukraine. Grigorishins Gesamtvermögen schätzt das Forbes-Magazine auf etwa 1,3 Milliarden Dollar. Der Oligarch ist Liebhaber von Kunst sowie ein Schwimmfan. Als sein Sohn begeistert seine Bahnen zog, fing der 53-Jährige an, den Nachwuchs dieser Sportart zu fördern. 2012 gründete der Geschäftsmann dann ein Trainingszentrum für Athleten und Coaches aus aller Welt im türkischen Belek. Unter anderem Schwedens Weltrekordlerin Sarah Sjöström schloss sich dort dem sogenannten Energy-Standard-Team an. Aus diesem keimte die Idee der Profiliga fernab der Fina-Welt.

Finals zu Unzeiten und schlechter Umgang mit Thema Doping

Denn aus ihr möchten viele Eliteschwimmer einfach nur abtauchen. Vor allem fehle ihnen der Respekt, erklärte die britische Brustschwimmikone Adam Peaty im Dezember, als die ISL-Pläne in London vorgestellt wurden und damit die Welle gegen den Weltverband so richtig angeschoben wurde. Die Fina nutzt ihre Athleten, so deren Ansicht, aus, stößt ihnen vor den Kopf.

Finals von Großereignissen werden in die Morgenstunden oder in die Nacht verlegt, nur um am US-Fernsehmarkt möglichst viel Profit zu schlagen. Dazu kommt, dass der Verband beim Thema Doping eine Linie fährt, die mehr als fragwürdig ist. Jüngstes Beispiel war die diesjährige WM-Starterlaubnis für den bereits einmal gesperrten Chinesen Sun Yang trotz erneut laufenden Verfahrens. „So etwas können wir sauberen Sportler einfach nicht nachvollziehen“, sagt Diener. Den Protest von Mack Horton und Duncan Scott, die bei den WM-Siegerehrungen das gemeinsame Bild mit Yang konsequent verweigerten, hält er für richtig. Und was tat die Fina? Sie änderte schleunigst eine Regel und drohte darin sinngemäß, Athleten die Medaille wieder wegzunehmen, wenn sie sich nicht ans vorgegebene Protokoll halten.

Fina drohte mit Sperre, Athleten klagten gegen Wettkampfmonopol

Und auch im Fall der ISL schaltete der Weltverband gleich auf Attacke. Er drohte diesmal mit Sperren für die dort startenden Sportler. Ein Trio um die dreifache Olympiasiegerin Katinka Hosszu aus Ungarn reichte daher in den USA Klage gegen das Wettkampfmonopol der Fina ein. Von Sperren ist vor dem Auftakt der Serie am Wochenende nun immerhin nicht mehr die Rede. Aber die Haltung der Aktiven ist klar. „Ich werde mich nicht in eine Ecke mobben lassen, erst recht nicht von irgendeinem Anzugträger, der kein Interesse am Sport oder den Athleten hat“, sagte Peaty, der Weltschwimmer des Jahres 2018: „Wir sind es, die die Show machen, und wir wollen 50 Prozent von dem, was wir einbringen. Das ist ein fairer Deal.“

Die britische Brustschwimmikone Adam Peaty findet klare Worte in Richtung der Weltverbandsspitze.
Die britische Brustschwimmikone Adam Peaty findet klare Worte in Richtung der Weltverbandsspitze.

© Bernd Thissen/dpa

Der Fina wird vorgeworfen, die Sportler nicht angemessen an den hohen Einnahmen zu beteiligen. So heißt es: Von den 118 Millionen Dollar, die 2016 und 2017 eingenommen wurden, schüttete der Verband bloß etwa 13 Prozent an die Hauptakteure über Prämien aus – beispielsweise beim Weltcup, der in zweieinhalb Wochen wieder Station in Berlin macht. Der Versuch der Fina Anfang dieses Jahres, mit einer neuen, vier Millionen Dollar dotierten Serie Ruhe in die aufgewühlte See zu bringen, war kaum erfolgreich. Viele Stars machten nicht mit.

Christian Diener gehört zum Team von Superstar Adam Peaty

Stattdessen springen sie nun ins ISL-Becken, wo ihnen alle anfallenden Kosten abgenommen sowie eine fairere finanzielle Partizipation und große mediale Präsenz geboten werden. Mit Fernsehsendern sind Kooperationsvereinbarungen geschlossen, unter anderem mit Eurosport. Zur Erinnerung: Die Fina-WM 2019 erlebte in Deutschland und auch in Australien einen TV-Blackout. „Die ISL ist eine tolle Chance, das Schwimmen ins Rampenlicht zu rücken“, sagt der zweifache EM-Medaillengewinner Diener. „Es ist eine Ehre, Teil davon zu sein.“ Insgesamt neun Deutsche mischen mit – darunter Ex-Weltmeister Marco Koch und Sarah Köhler, die bei der WM vor knapp zwei Monaten Gold und Silber holte.

Für Christian Diener ist der ISL-Start eine große Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.
Für Christian Diener ist der ISL-Start eine große Chance zur persönlichen Weiterentwicklung.

© Bernd Thissen/dpa

Ursprünglich sollte bereits dieses Jahr auch das von Hirschmann forcierte Team aus Deutschland antreten. Als dieses allerdings noch nicht in der ISL-Premierensaison unterkam, vermittelte der 32-Jährige die Athleten weiter. So auch Diener. Erst erhielt er ein Angebot aus Italien, dann meldete sich die Crew aus England. „Ich musste nicht lange überlegen“, sagt er und begründet seine Zusage für die Mannschaft namens London Roar, deren Kapitän Adam Peaty ist: „Die Aussicht, mit ihm in einer Staffel zu schwimmen, ist einfach geil.“ Möglich ist das für einen wie den Potsdamer nur in der ISL.

+++ So funktioniert die "Champions League" des Schwimmsports +++

Mit der International Swimming League (ISL) möchten die Organisatoren den Athleten nicht nur eine lukrative Plattform bieten, sondern den Schwimmsport auch im modernen Gewand präsentieren. Unterteilt in zwei Vorrundengruppen treten acht Mannschaften an: vier aus Europa, vier aus den USA, wobei die Nationalität der Athleten nicht entscheidend für die Teamzugehörigkeit ist. Eine Mannschaft besteht aus je zwölf Männern und Frauen sowie vier Ersatzleuten.

Das Wettkampfprogramm ist kompakt und kurzweilig. Es umfasst klassische Einzelrennen, Staffeln, aber auch innovative Eliminationsvergleiche – über die Rangfolge eines Rennens werden Punkte verteilt.

Zunächst stehen sechs Stationen binnen sieben Wochen auf dem Plan: Indianapolis, Neapel, Lewisville, Budapest, Washington DC und London. Jede Gruppe ist dreimal an der Reihe. Das Team London Roar mit dem Potsdamer Christian Diener startet in Lewisville, Budapest und London. Die beiden besten europäischen und amerikanischen Teams qualifizieren sich für das Finale, das am 20./21. Dezember in Las Vegas ausgetragen wird.

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