zum Hauptinhalt

Deutschlands Sportfoto 2016: Der Typ hinter der Kamera

Sebastian Wells ist das Deutsche Sportfoto des Jahres 2016 gelungen. Der 20-Jährige aus Königs Wusterhausen traf den jamaikanischen Sprintstar Usain Bolt bei Olympia in Rio wie kein anderer. Auch das Potsdamer Sportleben hält Wells häufig fest.

Am liebsten hat es Sebastian Wells, wenn er gar nicht auffällt. Er hat überhaupt kein Problem damit, wenn er unscheinbar wirkt und andere geneigt sind, über ihn hinwegzusehen. Mit seinen 20 Jahren und 160 Zentimetern, seiner bescheidenen und zurückhaltenden Art ist der Fotograf keiner, der sich in den Vordergrund drängt. „Die Kamera hilft, mich zu verstecken. Andererseits ist sie immer präsent und jeder weiß, was ich will“, sagt er. Vielleicht ist der Berliner wegen seiner Zurückhaltung so gut in seinem Metier. So gut, dass ihm im vergangenen Sommer des Deutsche Sportfoto des Jahres 2016 gelang.

Zum 47. Mal hatte das kicker-sportmagazin den Wettbewerb in Kooperation mit dem Verband Deutscher Sportjournalisten ausgerichtet. Aus 409 Sportbildern von 65 Bewerbern hat die Jury Wells’ Aufnahme von Superstar Usain Bolt nach dessen 100-Meter-Olympiasieg in Rio ausgewählt: Der Sprintstar aus Jamaika hatte nach seinem Gold-Lauf seine Ehrenrunde beendet und ließ sich im Zielbereich noch einmal in Richtung Fotografen-Graben locken. Dort verrichteten Fotografen aus aller Welt ihre Arbeit – auf einem Podest stehend hielten sie die Zieleinläufe fest. Spontan kletterte Bolt über den Graben mit dem Podest hinweg auf das Geländer, um seinen Fans die Hand zu reichen. Sebastian Wells hockte tief unten im Graben und hielt die Szene aus dieser einzigartigen Perspektive fest.

Mit 14 Jahren machte er seine ersten Sportfotos

„Ich hatte Glück und Gefühl für den Moment“, sagt Wells. Dass nur er – und sein Kollege Sascha Fromm – auf die Idee kam, sich in den Graben zu hocken, ist jedoch kein Zufall. Es ist das Resultat einer Suche, auf die er sich immer begibt, wenn er seine Fotos macht.

„Schon in der Schule war ich immer der Fotograf und der Typ hinter der Kamera“, erzählt Wells, der in Königs Wusterhausen geboren wurde. Seine ersten Sportfotos machte er als 14-Jähriger. Am liebsten bei Leichtathletikveranstaltungen. Er war selbst Läufer, jedoch oft verletzt. „Und ich litt unter Magersucht“, verrät Wells. „Ich begann zu fotografieren, wo ich vorher selbst gern Sport gemacht habe und wo selten Fotografen waren.“ Schon bald war er auf Berliner Fußballplätzen unterwegs. Auch beim SV Babelsberg 03, beim VfL oder SC Potsdam war er in den vergangenen Jahren häufig zu sehen. In den unteren Fussballligen fühle er sich noch immer am wohlsten, auch wenn er längst in der Bundesliga angekommen ist.

"Mich interessiert die Inszenierung des Sports"

Anfangs habe er fotografiert, ohne viel darüber nachzudenken. „Ich kannte die Fotos anderer Fotografen aus den Zeitungen und wusste, wie es auszusehen hatte“, beschreibt er seine ersten Jahre in der Zunft. „Doch irgendwann habe ich zu fragen begonnen, was ich mit meinen Bildern erzählen und erreichen will“, sagt Wells. Der eigene Blick auf die Dinge wurde bei seinen Einsätzen zur essentiellen Herausforderung, die vor allem in der Fußball-Bundesliga groß ist. Die Regularien und Vorschriften der Deutschen Fußball Liga „stehen im krassen Widerspruch zu meiner Berufsauffassung“, sagt Wells. Er will in seiner Arbeit unabhängig bleiben, sich frei bewegen können, um sich seine Perspektiven und Blickwinkel zu suchen. „Doch die Arbeit für uns Fotografen in der Bundesliga wird immer mehr reglementiert und eingeschränkt“, sagt Wells.

An einem fest zugewiesenen Platz zu stehen, ist nicht einfach für einen Fotografen, der die beste Perspektive für seine Bilder sucht. „Allein hinter einer bis 1,20 Meter hohen Bande zu stehen, ist für mich nicht optimal“, meint Wells. Andere Kollegen wollen vielleicht genau den Moment des Torschusses und hadern weniger mit dem begrenzten Freiraum. Wells ist anders. „Mich interessiert nicht das 1:0, sondern wie sich eine Sportveranstaltung inszeniert.“ Er nennt es den Metablick, mit dem er ins Stadion geht und eine Antwort auf die Frage sucht, warum dort Zehntausende Andere auch sind. „Ich will nicht das fotografieren, was offensichtlich ist, sondern einen Schritt zurückgehen.“

Weiterhin im richtigen Moment den Auslöser drücken

Das ist es auch, was er in seinem Studium in der Ostkreuzschule in Berlin vermittelt bekommt. Die private Schule für Fotografie und Gestaltung wurde von zwei Gründungsmitgliedern der bekannten Agentur Ostkreuz 2005 gegründet. „Ein Fotograf braucht eine besondere Fähigkeit – die Fähigkeit zum fotografischen Sehen“, heißt es in der Studienbeschreibung der Ostkreuzschule, an der eben genau dieses Sehen erlernt werden kann. Als Sebastian Wells sich mit seinen Fotos für die dreieinhalbjährige Ausbildung bewarb, sagten ihm die Dozenten zu seinen Arbeiten: „Ja, das kannst du, das brauchst du nicht mehr machen.“ Seitdem setze er sich noch mehr mit seinen eigenen Fotografien auseinander: „Ich frage mich jedes Mal: Ist es da jetzt?“ Und bislang ist die Antwort: nein. Auch das Bolt-Foto ist es noch nicht. „Es ist ein super Bild“, urteilt Sebastian Wells selbst, „aber es ist nicht die große Kunst.“

So unabhängig sich der 20-Jährige bei seiner Arbeit bewegen will, so ungebunden will er bleiben. Als freier Fotograf schickt er seine Fotos an Berliner Zeitungen, Agenturen, auch das Nachrichtenmagazin Stern druckt seine Bilder. Für die eigene Perspektive schraubt Wells im Moment den Fokus gar nicht so scharf. „Ich weiß nicht, wie es sich in den nächsten Jahren entwickelt“, sagt er. Er wird im richtigen Moment einfach den Auslöser drücken. So wie er es kennt. „Ganz viele Sachen in meinem Leben sind entstanden, weil ich es einfach gemacht habe.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false