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Deutschlands Spitzensportreform: Hohe Wellen im Potsdamer Schwimmsport

Mit Aussagen von Schwimm-Chefbundestrainer Henning Lambertz untermauerte Spekulationen über ein mögliches Aus der Bundesförderung in Potsdam haben für Unruhe gesorgt. Nun wird von allen Beteiligten versucht, die Wogen zu glätten und Zuversicht zu verbreiten.

Von Tobias Gutsche

Die Wellen sind im Potsdamer Schwimmsport zuletzt hochgeschlagen. Auslöser dafür war ein Bericht der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom vergangenen Samstag, in dem über ein drohendes Aus des hiesigen Schwimm-Bundesstützpunktes spekuliert wurde. Unterfüttert wurde dies hauptsächlich mit einer Positionierung von Chefbundestrainer Henning Lambertz, die einem internen Schreiben an die Verantwortlichen in Potsdam entstammt. „Das hat leider alles für viel Unruhe gesorgt. Wir haben zum Beispiel eine Menge Anrufe von verunsicherten Eltern erhalten, die Sorge haben, dass die sportliche Zukunft ihrer Kinder an der Sportschule nicht gesichert ist“, sagt Sylvia Madeja, Präsidentin des Landesschwimmverbandes Brandenburg (LSVBB).

Sowohl sie als auch Vertreter des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS), des Olympiastützpunktes Brandenburg und des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) sprechen von unnötig aufgekommener Hektik, die kontraproduktiv sei. Alle Parteien sind nun bemüht, die Wogen wieder zu glätten. Schließlich gehört Potsdam im Schwimmen – wie auch im Wasserball – zu den Standorten, die in der am vergangenen Freitag übermittelten, vorläufigen Bundesstützpunktkonzeption aufgeführt werden, „und ist somit zunächst einmal voll in unseren Planungen für die Zukunft drin“, erklärt DSV-Generalsekretär Jürgen Fornoff. „Jetzt wird es noch weitere Gespräche geben, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird.“

Chef-Bundestrainer Henning Lambertz äußert Zweifel an Potsdam

Zum Hintergrund: In Deutschland wird aktuell an einer Neustrukturierung des Spitzensportsystems getüftelt. Insbesondere bei den schwächelnden Schwimmern – 2012 und 2016 gab es keine einzige deutsche Olympiamedaille in den Beckenwettbewerben – sind Veränderungen zwingend notwendig, um wieder erfolgreich zu werden. Ein Ansatz, der auch der Grundidee der Gesamtreform entspricht, ist es hierbei, mehr Effizienz durch die örtliche Konzentration der Athleten zu erreichen. Bislang führt der DSV neun vom Bund geförderte Schwimmstützpunkte in der Republik. Potsdam ist gegenwärtig ein Bundesnachwuchsstützpunkt und erhielt dadurch zwischen 2013 und 2016 jährlich allein 212.000 Euro Trainingsstättenförderung als Zuschuss für den Betrieb der Schwimmhalle im Sportpark. Die Zahl der umfänglich geförderten Trainingszentren soll nun aber reduziert werden, „denn Maximum ist nicht gleich Optimum“, sagt Chefcoach Henning Lambertz. „Ich bin überzeugt: Mit einer engmaschig gefahrenen Struktur aus etwa fünf oder sechs Bundesstützpunkten können wir am effektivsten arbeiten. Wir wollen die besten Sportler mit den besten Trainern an den besten Stützpunkten zu den besten Bedingungen zusammenbringen.“

Für dieses Vorhaben, sagt er, sei man „auf der Suche nach starken, verlässlichen Partnern, die unsere Ideen zu einhundert Prozent mittragen“. Und dahingehend ist Lambertz in Potsdam nicht vollends überzeugt. Er hegt Zweifel, ob am Luftschiffhafen die notwendige Richtlinienkompetenz erreicht werden kann. „Es ist wichtig, dass an unseren künftigen Bundesstützpunkten die vom DSV gezeichnete rote Linie hinsichtlich der Ausrichtung und Inhalte des Trainings stringent fortgesetzt wird“, so Lambertz. „Dazu muss jemandem als Bundesstützpunktchef das Recht und die Kompetenz eingeräumt werden, den abgesteckten Weg vor Ort einzufordern – und dieser muss dann auch von allen so umgesetzt werden.“ Er habe das Gefühl, dass in Potsdam jene Einhelligkeit in der Coaching-Riege nicht gewährleistet ist.

Lambertz: Großer Pluspunkt in Potsdamer ist Trainer Jörg Hoffmann

Thomas Luckau, aktuell der verantwortliche Stützpunktleiter, versichert jedoch: „Natürlich werden wir an einem Strang ziehen. Wir vertreten die Interessen des DSV, setzen sie auch jetzt schon gemäß der Verbandsvorgaben um. Und wir sind auch ein Team, hier macht keiner nur sein Ding. Ansonsten wären wir nicht erfolgreich.“ Luckau verweist auf die positive Entwicklung, die der Potsdamer Schwimmsport – dank eines gut funktionierenden Sichtungssystems sowie herausragender Rahmenbedingungen – in der jüngeren Vergangenheit genommen hat. Neben den starken Ergebnissen bei den Erwachsenen – wie durch den Olympia-Siebten Christian Diener und Staffel-Europameister Yannick Lebherz – habe es vor allem im Jugendbereich, wo Potsdam zu Deutschlands führenden Standorten gehöre, einen enormen Aufschwung gegeben.

Henning Lambertz ist dies nicht entgangen. „Ich finde auch, dass es in Potsdam sehr gute Fortschritte gibt“, sagt er und sei daher trotz der geäußerten Kritik weiterhin „frohen Mutes, dass wir es auch dort am Ende hinbekommen, einen starken Bundesstützpunkt zu installieren“. Aus seiner Sicht spricht ein ganz großer Pluspunkt für Potsdam: „Das ist die starke Trainerpersönlichkeit Jörg Hoffmann. Seine offene, kommunikative, trainingsmethodisch innovative Art schätze ich sehr.“ Hoffmann betreut seit etlichen Jahren die Spitzenleute am Luftschiffhafen – zum Beispiel Diener und Lebherz.

Die Trainerpersonalie Norbert Warnatzsch ist umstritten

Dass zu seiner Trainingsgruppe allerdings nicht der hochtalentierte, 17-jährige Olympiastarter Johannes Hintze zählt, kann Lambertz indes nicht nachvollziehen. „Das ist so ein Punkt, den ich mit meiner Ansicht, es gibt Probleme in Potsdam bei einer klaren Linienführung meine. Wenn jemand wie Johannes Hintze die Qualität besitzt, in die stärkste Gruppe aufzusteigen, dann sollte das doch erfolgen. In Potsdam ist das nicht der Fall. Da wird am eigenen Mann festgehalten, statt ihn weiterzugeben.“

Der Youngster schwimmt immer noch in der Juniorengruppe, die von Norbert Warnatzsch trainiert wird. Bei einigen im Umfeld sei die Personalie Warnatzsch umstritten, räumt LSVBB-Präsidentin Sylvia Madeja ein. Dem 69-jährigen Ex-Coach von Britta Steffen, Franziska van Almsick und Jörg Woithe wurde Beteiligung am DDR-Staatsdoping vorgeworfen, das Verfahren gegen ihn wegen „geringer Schuld“ letztlich eingestellt. „Daher diskutieren viele über Herrn Warnatzsch. Er ist unter dem Strich der erfolgreichste deutsche Schwimmtrainer nach der Wende. Wir sehen in ihm eine Bereicherung für uns und haben seinen demnächst auslaufenden Vertrag bis Ende 2017 verlängert“, berichtet Madeja.

"Ja zum Spitzensport und ja zu den inhaltlichen Vorstellungen des DSV"

Zum Anfang des Jahres 2018 soll derweil die neue Bundesstützpunktstruktur greifen. Potsdam möchte für das Schwimmen dann unbedingt mit von der Partie sein. „Dafür werden wir alles tun“, sagt die Landesverbandschefin und möchte hervorgehoben wissen: „Wir sagen ganz klar ja zum Spitzensport und ja zu den inhaltlichen Vorstellungen des DSV.“ Entsprechend optimistisch wird die Lage beim Brandenburger Sportministerium eingeschätzt. „Den Fortbestand des Potsdamer Schwimm-Bundesstützpunkts halten wir in keinster Weise für gefährdet“, betont MBJS-Referatsleiter Karl-Hans Pezold. Und vonseiten des DSV-Generalsekretärs Jürgen Fornoff heißt es: „Wir sind dabei, in Potsdam alles in die richtigen Bahnen zu leiten.“ Wie sagt doch schließlich Thomas Luckau: „Wir wären doch hier bescheuert, wenn wir uns diese Chance entgehen lassen würden.“ 

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