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Immer wieder am Start: Johannes Matthess (Nummer 353) ist seit der Premiere 1993 jedesmal die Preußische Meile mitgelaufen. Auch am Freitag ist er dabei.

© Manfred Thomas

Sport: Der Dauerläufer

Die Idee eines Potsdamer Citylaufes wurde anfangs belächelt. Am Freitag gibt es nun die 22. Auflage der Preußischen Meile

Eigentlich wollte Johannes Matthews nur schneller werden. Deshalb meldete er sich für ein paar Straßenläufe an, um da richtig Tempo zu machen, wovon er sich bessere Zeiten für seine eigentliche Disziplin versprach: Orientierungslauf. „Das habe ich gemacht, seit ich sieben oder acht war“, sagt der heute 52-Jährige. Dass er sich dann mehr und mehr umorientiert, hat damit zu tun, dass er beim Orientierungslauf nicht wirklich schneller wurde, aber auf Asphalt Erfolge feierte. So gewann er vor 21 Jahren die erste Preußische Meile, die 1993 in Potsdam ausgetragen wurde. Seitdem war Matthews jedes Jahr am Start über die 7532,48 Meter. Auch am morgigen Freitag zur 22. Auflage ist er dabei.

Matthews ist laufender Zeuge des Wandels in den vergangenen zwei Jahrzehnten – seiner ganz persönlichen Änderungen als auch die der Preußischen Meile. „Früher wollte ich Läufe gewinnen und Bestzeiten knacken. Heute akzeptiere ich, dass ich älter und nicht mehr schneller werde“, sagt er. Früher war jeder Trainingstag wichtig, heute ist jeder freier Tag ein Mehr an Erholung. Früher war Laufen mit Leistung verbunden, „heute dient es meinem Seelenfrieden und der Stressbewältigung“, sagt der Matthews, der als selbständiger Unternehmer Industriefußböden saniert.

Das Rennen durch die Potsdamer Innenstadt hat Matthews noch als internationalen Citylauf erlebt. Als er vor 21 Jahren Erster wurde, war er dennoch nicht der Schnellste. Matthews gewann den Volkslauf, im anschließenden Elitelauf gewann ein Läufer mit dem Namen Tendai Chimuasa aus Simbabwe. Der gehörte damals zu den weltbesten Straßenläufern, er siegte auch bei weitaus namhaften Läufen, ebenso wie Laban Chege, Julius Korir oder Tegla Loroupe aus Kenia, die in den folgenden vier Jahren nach Potsdam kamen.

Anfang der 1990er-Jahre gewannen auch in den neuen Bundesländern Cityläufe an Popularität – in Dresden, Magdeburg oder Rostock jagten ostafrikanische Läufer durch die Innenstädte und in ihrem Sog die deutsche Laufelite. Auch in Potsdam, wo etwa Lokalpatriot Jirka Arndt, Olympia-Achter über 5000 Meter von Sydney, vor heimischem Publikum im internationalen Laufspektakel über den Boulevard mitmischte.

Initiator der Preußischen Meile, die damals noch entsprechend ihres Geldgebers „Alldata Citylauf“ hieß, war Jürgen Bruns. Der Lauftrainer und Manager, der eng mit der internationalen Laufwelt vernetzt war, befand Potsdam mit seiner Tradition großartiger Läufer als bestens geeignet für eine Laufveranstaltung, bei der Volks- und Eliteläufer zusammenkommen. „Diese Symbiose war mein Anspruch, weil beide voneinander profitieren“, sagt Bruns. Erst sollten die Volksläufer wetteifern, dann die Asse ihre Laufshow liefern. Athleten aus insgesamt 34 Ländern waren in den ersten Jahren am Start, Bruns galt in der internationalen Laufszene als „Mister Preußische Meile“. Zudem war er bemüht, jedes Jahr ein Kapitel Laufgeschichte zu präsentieren und holte zur Premiere den viermaligen Olympiasieger Emil Zatopek, in den Jahren darauf Legenden wie die Olympiasieger Ron Clark und Lasse Viren nach Potsdam.

Der hohe Anspruch bedeutete auch viel Aufwand und Kosten. Der Potsdamer Laufclub, der die Regieführung für die Preußische Meile übernahm, fuhr in den Jahren das Programm herunter, etablierte das Rennen als reinen regionalen Volkslauf, gewann die Mittelbrandburgische Sparkasse als Namenspatron, so dass das Rennen heute als Sparkassenlauf firmiert. Und die Organisatoren waren immer wieder auf Suche für einen attraktiven Verlauf der Strecken. Mal führte diese durch die Charlottenstraße, mal durch die Alexandrowka, inzwischen geht sie entlang der Hegelallee. Konstante ist die Brandenburger Straße, nur deren Pflaster wurde in den Jahren ausgetauscht.

Für Johannes Matthews ist ein Start über die 7,53248 Kilometer Pflicht – egal wo die langführen. Er betrachtet seine Teilnahme bei allen eigenen sportlichen Ambitionen als Referenz an das Durchhaltevermögen des Laufes selbst: „Als Jürgen Bruns die Preußische Meile aus der Taufe gehoben hat, haben viele gelächelt und gemeint, das wird nie was, schon gar nicht in Potsdam“, erinnert sich Matthess. „Ich bin beeindruckt, was jedes Mal investiert wird in die Veranstaltung“, sagt er. Auch Bruns ist seinem Lauf treu geblieben und hat seinen Frieden mit den Veränderungen gemacht. „Natürlich bin ich enttäuscht, dass der Leistungsgedanke und das Leistungsstreben auf der Strecke geblieben sind“, sagt der einstige Erfolgscoach eher grundsätzlich über die Entwicklung des deutschen Laufsports. Dass es nach 22 Jahren den Lauf noch gibt, ist indes die eigentliche Spitzenleistung.

nbsp;Peter Könnicke

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