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Beim SCP sollen nicht nur die Mitarbeiter des Volleyball-Bundesligateams in Kurzarbeit gehen. 

© Gerhard Pohl

Update

Coronakrise im Sport: Potsdamer Vereine beantragen Kurzarbeit

In der Coronakrise nutzen derzeit viele Unternehmen die Möglichkeit auf Kurzarbeit. Auch mehrere Sportclubs aus der Brandenburger Landeshauptstadt reichen Anträge ein. 

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Der Spielbetrieb ruht vorerst, geregeltes Training kann wegen der Schließung von Sportanlagen nicht stattfinden. Sportvereine werden derzeit durch die Coronavirus-Pandemie ihrer Existenzgrundlage beraubt. Wegen der daraus resultierenden wirtschaftlichen Probleme ziehen immer mehr professionelle und semiprofessionelle Clubs Konsequenzen, indem sie für ihre Mitarbeiter – allen voran Spieler, die ihrem Job nicht mehr ordentlich nachgehen können – Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Auch Potsdamer Vereine nutzen die Möglichkeit.

Auf PNN-Nachfrage bestätigten der SC Potsdam, SV Babelsberg 03, VfL Potsdam und die Potsdam Royals, dass sie sich jeweils mit allen Beteiligten im Club auf diesen Schritt geeinigt hätten und ihre Anträge nun prüfen lassen möchten. Turbine Potsdam macht das nicht. Durch Kurzarbeit werden die Arbeitgeber finanziell entlastet, sie müssen nur noch Sozialabgaben leisten. Die Bundesagentur übernimmt die Lohnkosten. Sie zahlt 60 Prozent beziehungsweise 67 Prozent, wenn ein Arbeitnehmer Kinder hat, des ausfallenden Nettogehalts. Das entspricht dem Arbeitslosengeld I. „Es kann helfen, die Zukunft eines Vereins zu sichern“, sagt Toni Rieger, Sportdirektor des SC Potsdam.

SC Potsdam

Laut Rieger habe der SCP Kurzarbeit für die Spielerinnen, Trainer und das Management des Frauenvolleyball-Bundesligateams beantragt. Aber auch für weitere festangestellte Trainer und Mitarbeiter des Vereins, zum Beispiel in der clubeigenen Schwimmschule Pinguin, die momentan auf dem Trockenen sitzt. Die Volleyball-Bundesligasaison war vorzeitig wegen der Covid-19-Ausbreitung abgebrochen worden. „Das war die richtige Entscheidung“, betont Rieger. „Aber dadurch gehen uns mehrere Zehntausend Euro verloren.“

SV Babelsberg 03

In den meisten anderen Sportarten ist der Ligabetrieb bis auf Weiteres nur ausgesetzt. Fortführung: ungewiss. Daher versuchen Clubs bei den momentan ausbleibenden Einnahmen, die Ausgaben zu verringern – etwa bei den Gehältern. Fußball-Regionalligist SV Babelsberg 03 droht ein Defizit im sechsstelligen Bereich, wie Präsident Archibald Horlitz sagt. Daher hat der Kiezklub Kurzarbeit für alle Festangestellten angezeigt. Aber Nulldrei möchte nicht nur pauschal Kurzarbeitergeld für seine Kicker, sondern wolle den Beitrag der Arbeitsagentur individuell aufstocken, „damit es in Einzelfällen nicht zu Nöten kommt“, so Horlitz. Spieler, die weniger verdienen, sollen mehr Aufstockung erhalten, Besserverdiener wenig oder gar nicht. „Das ist typisch SVB“, betont der Präsident. „Wir wollen nicht pauschal einen Standardweg gehen, sondern unserer sozialen Verantwortung im besonderen Maße gerecht werden.“ 

VfL Potsdam

Auch beim Handball-Drittligisten VfL Potsdam werde die Situation mit einem "sozialen Auge" betrachtet, sagt Vereinspräsident Norbert Ahrend. Für mehrere Spieler, Trainer und Mitarbeiter der Geschäftsstelle seien Anträge auf Kurzarbeitergeld gestellt, Großverdiener gebe es bei den Adlern ohnehin keine. "Und diejenigen, die so schon wenig bekommen, werden normal weiterbezahlt", erklärt Ahrend. "Ansonsten können sie sich das Brot nicht mehr kaufen." In den anderen Fällen sei "Verzicht das Zeichen der Zeit, damit die Kapelle in Zukunft immer noch spielen kann". 

Potsdam Royals

Football-Erstligist Potsdam Royals steckte zuletzt noch mitten in der Vorbereitung auf die neue Spielzeit, ehe die Coronakrise alles stoppte. Der Saisonbeginn wurde um gut einen Monat auf Ende Mai verschoben. „Ich persönlich glaube, es wird noch länger dauern, bis gespielt werden kann“, sagt Royals-Cheftrainer und -Vorstandsmitglied Michael Vogt. Für die beiden Angestellten der Spielbetriebs-GmbH sei Kurzarbeitergeld beantragt worden. „Mit Spielern hatten wir wegen der sich abzeichnenden Ausnahmesituation bereits abgesprochen, Verträge auszusetzen, solange Ungewissheit besteht“, so Vogt. Fast alle ausländischen Akteure seien in ihre Heimat zurückgekehrt oder waren erst gar nicht nach Potsdam gekommen. „Was sollen sie auch hier machen“, meint der Coach. Indes freut er sich darüber, dass es seitens der Stadt grundsätzlich gute Signale zur Förderung in diesem Jahr gebe. Zuletzt hatte der Club bestätigt, dass für ihn der Ligabetrieb 2020 finanziell nicht umsetzbar sein könnte, wenn das kommunale Fördergeld in Höhe von 25.000 Euro wie angekündigt erst im Herbst ausgezahlt werden würde. „Wir haben jetzt positive Rückmeldung, dass man eine Lösung finden will“, sagt Vogt.

Der SVB möchte für seine Fußballer das Kurzarbeitergeld individuell aufstocken.
Der SVB möchte für seine Fußballer das Kurzarbeitergeld individuell aufstocken.

© Sebastian Gabsch

Turbine Potsdam

Der 1. FFC Turbine erwägt derweil für die laufende Saison keine Kurzarbeit. „Bevor wir die Mannschaft ins Heimtraining geschickt haben, gab es von uns die klare Botschaft, dass sie sich dahingehend keine Sorgen machen müssen“, sagt Stephan Schmidt, Geschäftsführer des Frauenfußball-Bundesligisten. Die Finanzierungsquellen durch Sponsoren und den Verband inklusive TV-Geldern seien für das aktuelle Spieljahr gesichert. Nur der Bereich Ticketverkauf sei vakant. „Aber selbst, wenn wir jetzt nur noch Heimspiele ohne Zuschauer hätten, könnten wir das für diese Saison finanziell auffangen. Im aktuellen Spieljahr kommen wir nicht in die Bredouille“, sagt Schmidt. Jedoch müsse man abwarten, wie sich die Situation vor allem seitens der Sponsoren weiterentwickelt.

Weitere Hilfsprogramme und Lob für Sportbünde 

Die Vereine haben neben der Kurzarbeit auch andere Hilfestellungen in der Krisenzeit im Blick. Notprogramme von Stadt, Land und Bund sollen in Akutlagen möglichst auch in Anspruch genommen werden. "Für viele Clubs ist die Lage existenziell", betont der VfL-Vorsitzende Ahrend. "Wenn nicht bald Licht am Ende des Tunnels erscheint, muss wohl leider infrage gestellt werden, ob Strukturen abgebaut werden müssen." SCP-Sportdirektor Rieger lobt derweil den Landessportbund Brandenburg und Stadtsportbund Potsdam, die für „einen guten Informationsfluss“ sorgen und über ihre Kanäle darlegen, wie Vereine jetzt Unterstützung bekommen können.

Umdenken bei den Verträgen

Auch innerhalb der Volleyball-Bundesliga wird gemeinsam über die Probleme beraten – und reagiert. Laut Rieger habe man sich darauf verständigt, künftig einen neuen Passus in Verträge aufzunehmen. Darin soll festgehalten werden, wie beim Ausfall von Spiel- und Trainingsbetrieb hinsichtlich Gehaltszahlungen zu verfahren ist. „Die aktuelle, neuartige Problemsituation hat aufgezeigt, dass so etwas mitbedacht werden muss“, sagt der Potsdamer Manager. „Eine Krise wie jetzt hält man vielleicht einmal durch und auch nur für kurze Zeit. Daher muss in Zukunft Klarheit im Vertragswerk geschafft werden.“ Dies sei seiner Meinung nach für alle Sportarten empfehlenswert. „Und wichtig ist, dass am Ende alle das einheitlich umsetzen, sonst zerbrechen Ligen.“

+++ Motor Babelsberg: Tafel statt Training +++

Der SV Motor Babelsberg gehört mit seinen mehr als 1000 Mitgliedern zu den größten Sportvereinen Potsdams. Vier hauptamtliche Mitarbeiter kümmern sich um die Geschicke des Clubs. Weil derzeit wegen der Coronakrise kein Trainingsbetrieb stattfinden kann, hat die Vereinsführung eine gesellschaftlich wertvolle Alternative für seine festangestellten Coaches gefunden. „Ein Mitarbeiter hält die Geschäftsstelle am Laufen, die anderen drei unterstützen mehrmals pro Woche die Potsdamer Tafel, weil dort Hilfe dringend gebraucht wird“, sagt der Vorstandsvorsitzende Daniel Keller.

Er freut sich darüber, dass bislang keine Mitgliedschaften gekündigt worden, die die wesentliche Finanzierungsquelle bilden. Kurzarbeit sei daher momentan noch kein Thema, sagt Keller. „Aber wenn die Ausnahmesituation noch weitaus länger anhält, werden wir uns wie viele andere Vereine auch darüber Gedanken machen müssen.“   

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