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Gut gelaunter Gipfelstürmer. Trotz aller Strapazen genoss Christian Barth den Lauf in den Berner Alpen. 6700 Höhenmeter bewältigte er – jeweils bergauf und bergab.

©  privat

Sport: Christian Barth und die Berge

Nach der Kilimanjaro-Besteigung nahm der Potsdamer nun am Eiger Ultra Trail in den Alpen teil. 95 Kilometer bewältigte er bei dem Lauf und machte physische sowie psychische Grenzerfahrungen

Von Tobias Gutsche

Die Uhr zeigte exakt 3.17 Uhr, als Christian Barth am vorvergangenen Sonntagmorgen den letzten Schritt machte. Hinweg über die Ziellinie. Seit fast 23 Stunden war er da unterwegs, 95 Kilometer hatte er in den Berner Alpen zu Fuß bewältigt. „Das war ein unglaubliches Erlebnis“, sagt der stolze Finisher des Eiger Ultra Trail – einem Extremlauf durch die massive Schweizer Berglandschaft.

„Bei dieser Herausforderung musste ich physisch und psychisch über meine Grenzen gehen“, erzählt Christian Barth, der im Januar 2014 mit Freunden aus Bielefeld und Köln bereits den Kilimanjaro bestiegen hatte, Afrikas höchsten Berg. Danach wurde ein neues Ziel gesucht und schlussendlich die Teilnahme am Eiger Ultra Trail auserkoren. „Auch dabei wollte ich natürlich wieder mitziehen.“

Doch was sich der 37 Jahre alte Potsdamer da vorgenommen hatte, übertraf all seine bisherigen sportlichen Lauferfahrungen. Einen Marathon hatte er noch nie absolviert – und nun sollte es weit mehr als die doppelte Wegstrecke werden. Obendrein auch noch in der sauerstoffärmeren Höhenluft, bei kräftezehrenden An- und Abstiegen. Doch wie soll man diese Belastung trainieren, wenn man in einer Flachlandregion lebt? Dort, wo Erhebungen in der Landschaft nur wie mickrige Mückenstiche daherkommen. „Ich war oft im Wildpark, bin unter anderem den Kellerberg immer hoch und runter“, erzählt Christian Barth von seinen Runden, die aber nicht einmal annähernd das simulieren konnten, was rund um die Stadt Grindelwald auf ihn warten würde. „Es war schon durchaus deprimierend, wenn ich gesehen habe, dass bei einer Einheit lediglich 200 bis 300 Höhenmeter zusammenkamen.“ Schließlich summieren sich bei dem Ultra Trail 6700 Höhenmeter. Jeweils bergauf und bergab.

Nach mehreren Wochen der Vorbereitung war dann der große Augenblick gekommen. 18. Juli, Samstagmorgen, 4.30 Uhr, Startschuss. Mit Wanderstöcken in den Händen sowie einem vollgepackten Rucksack machte er sich gemeinsam mit 700 weiteren Läufern im Schein der Stirnlampen auf den Weg. Schon bald konnten die künstlichen Lichter aber ausgeschaltet werden, denn auf malerische Art schob sich die Sonne empor und sorgte für eine traumhafte Kulisse in der Region von Eiger, Mönch und Jungfrau.

Kilometer um Kilometer ließ der Geschäftsstellenleiter des Handball-Drittligisten VfL Potsdam hinter sich, dachte immer nur von Etappenort zu Etappenort. Etliche körperliche „Hochs und Tiefs“ habe er dabei durchgemacht. „Aufgeben kam für mich aber nie infrage.“ Zur Halbzeit des Rennens, nach knapp 50 Kilometern gab es zur Stärkung eine Portion Pasta und für die bereits enorm beanspruchte Muskulatur eine wohltuende Massage. Fit für den zweiten Teil.

Zu Hause, im Flachland, verfolgten Familie und Freunde die Zwischenzeiten und fieberten mit, wie ihr persönlicher Held die Alpen bezwang. „Es hat mir mental geholfen, zu wissen, dass sie in Gedanken bei mir sind“, erklärt Christian Barth, der zudem innerhalb des Starterfeldes stets Motivationsspritzen bekam oder selbst verabreichte. „Die Solidarität zwischen den Läufern war großartig. Man hat sich gegenseitig angespornt, ließ sich ziehen oder zog andere mit.“ Mit einem Polen und einem Norweger im Schlepptau erreichte der ehemalige Freizeitfußballer gegen 19 Uhr Wengen. Die Restaurants waren voll mit Gästen, die ihr Abendessen genossen und die Athleten frenetisch anfeuerten.

Nach einer Gewitterunterbrechung ging es weiter durch die Nacht. Einer Chinesin, die sich allein im Dunkeln fürchtete, stand Christian Barth zur Seite. Schritt für Schritt kämpfte er sich vom Adrenalin getragen voran. „Mein Körper spielte gut mit“, erzählt der Ultra-Man, der auf das Musikhören verzichtete, um die Konzentration zu wahren. „Trotzdem hatte ich ständig Ohrwürmer im Kopf.“ Besonders hart sei die Karel-Gott-Phase gewesen mit dem Song „Einmal um die ganze Welt“.

Nicht ganz so weit, aber immerhin beeindruckende 95 Kilometer lagen schließlich um kurz nach 3 Uhr hinter ihm, als er im Ziel unter anderem von einer jubelnden Schar Japaner empfangen wurde. Geschafft. Erschöpft, aber endlos glücklich und zufrieden. „Dieser Tag war der Wahnsinn“, berichtet Christian Barth von einem Rausch durchs Laufen, an dem er Gefallen gefunden hat. Deshalb kann er auch mit einem breiten Grinsen im Gesicht sagen: „Meine Jungs aus Bielefeld und Köln schauen sich schon nach dem nächsten Ziel für 2016 um.“ Tobias Gutsche

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