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Smart am Spielfeldrand. Matthias Rudolph hat Taktik-Geschick und einen guten Kommunikationsstil.

© Jan Kuppert

Bundesligastart für Turbine Potsdam: „Wir werden weiterhin als Top-Adresse gesehen“

Turbine Potsdam startet in die neue Saison der Frauenfußball-Bundesliga. Vorab spricht Cheftrainer Matthias Rudolph über eine magische Marke, die Konkurrenz mit finanzstarken Vereinen, Zuschauerschwund, Ansprüche und sein doppeltes Teilzeit-Leben.

Von Tobias Gutsche

Herr Rudolph, wie viele Punkte holt Turbine Potsdam aus den ersten drei Bundesliga-Saisonspielen gegen Hoffenheim, Sand und Frankfurt?
 

Aus der Erfahrung heraus werde ich da nichts Konkretes nennen. Es kann einfach immer Unwägbarkeiten geben, die vorher nicht zu berechnen sind. Aber ganz klar: Wir wollen gerne alle Spiele gewinnen und somit neun Punkte holen.

Dann hätte Ihr Verein eine magische Marke erreicht.

Okay. Welche denn?

Turbine wäre der zweite Verein nach dem 1. FFC Frankfurt, der in der ewigen Tabelle der 1. Frauenfußball-Bundesliga über 1000 Punkte hätte. Acht Zähler fehlen noch.

Na das ist doch was. Das schaffen wir auf jeden Fall diese Saison (lacht).

Die ewige Tabelle der 1. Frauenfußball-Bundesliga - eingerechnet sind alle Spiele seit Einführung der eingleisigen ersten Frauenliga zur Saison 1997/98.
Die ewige Tabelle der 1. Frauenfußball-Bundesliga - eingerechnet sind alle Spiele seit Einführung der eingleisigen ersten Frauenliga zur Saison 1997/98.

© Böttcher/Tsp

Die aktuellen Kräfteverhältnisse sind jedoch anders. Die Frauenfußball-Traditionsclubs Frankfurt und Potsdam wurden vom VfL Wolfsburg und Bayern München überholt. Überhaupt stammen diese Saison in der ersten Frauen-Liga nunmehr acht von zwölf Teams aus dem Hause eines Männer-Bundesligisten, verfügen also über eine starke Finanzgrundlage. Und der 1. FFC Frankfurt strebt perspektivisch auch an, sich den Herren von Eintracht Frankfurt anzugliedern. In welchem Verhältnis stehen da jetzt die historisch gewachsenen Erfolgsansprüche von Turbine zu den Zukunftsaussichten?

Da sollte man differenzieren. Vom Finanziellen und Infrastrukturellen sind uns Wolfsburg und München natürlich meilenweit voraus. Aber wenn man rein das Sportliche sieht, dann denke ich, dass wir nach wie vor eine Mannschaft zusammenhaben, die an einem guten Tag jede andere Mannschaft schlagen kann.

Ist das jedoch auf Dauer so zu halten?

Um Schritt zu halten, müssen wir unsere Bedingungen auch entsprechend verbessern. Dafür kämpft der Vorstand. Wir wollen gerne eine bessere Platzsituation im Luftschiffhafen. Die Trainingsplätze, die uns zur Verfügung stehen, sind zu klein – das ist ein Problem, wenn wir zum Beispiel an taktischen Details arbeiten. Die Vereinsführung ist ebenso bestrebt, unsere finanziellen Mittel zu erweitern. Für uns bleibt jedoch ein ganz wichtiger Baustein auf dem Weg zum erhofften Erfolg die Jugendarbeit. Wir werden weiterhin davon leben, unsere Nachwuchskräfte so zu entwickeln, dass wir jedes Jahr ein oder zwei davon in die erste Mannschaft integrieren und dort möglichst zu Nationalspielerinnen reifen lassen.

Fällt es Ihrem Verein zunehmend schwerer, sich auf dem Transfermarkt die qualitativ notwendigen Neuzugänge zu schnappen?

Wir bekommen in der Regel die Spielerinnen, die wir haben wollen. Natürlich in dem Finanzrahmen, in dem wir uns bewegen – absolute Top-Spielerinnen können wir nicht verpflichten. Aber wir merken bei den Gesprächen immer, dass wir weiterhin als Top-Adresse gesehen werden.

Den letzten Titel holte Turbine Potsdam 2012, die letzte Champions-League-Qualifikation gelang 2013. Seitdem sinken auch die Zuschauerzahlen bei Heimspielen. Wie kann Turbine wieder attraktiver werden?

Sicherlich muss man im Marketing und in der Öffentlichkeitsarbeit einiges anschieben, um wieder mehr Leute ins Stadion zu locken. Aber vor allem braucht es geregelte Anstoßzeiten. Wir haben hinter den Kulissen immer wieder die Diskussion, dass drei oder vier Wochen vor einem Spiel durch den Deutschen Fußball-Bund oder eben das Fernsehen festgelegt wird, dass von den eigentlichen Zeiten abgewichen wird. Das wollen wir nicht, denn das kostet uns viele Zuschauer. Wenn wir wie letztes Jahr zweimal am Montagabend um 18 Uhr spielen müssen, dann ist das eine katastrophale Zeit – da bleiben 200 oder 300 Leute weg, weil sie gar keine Möglichkeit haben, hinzukommen. Wichtig ist aber auch, dass wir weiterhin mit Testspielen in der Region präsent sind, um zu zeigen, welche Qualität der Frauenfußball bietet. Darüber können wir neue Stadionbesucher gewinnen.

Stichwort „gewinnen“. Beim ersten Pflichtspiel der Saison, der DFB-Pokalpartie in Meppen, hat ihr Team einen klaren Sieg eingefahren. Nun startet für Turbine am Sonntag in Hoffenheim die neue Ligaserie. Welche Ziele stecken Sie?

In der Liga wollen wir unter die Top 4 und so lange wie möglich ganz oben mitspielen. Im Pokal waren wir letztes Jahr Halbfinalist – da soll es gerne noch einen Schritt weitergehen.

Worauf wird es ankommen, um die Ziele zu erreichen?

Für Titel oder die Champions-League-Qualifikation muss bei einem Verein wie uns alles passen. Da dürfen sich keine Schlüsselspielerinnen verletzen und wir brauchen auch das nötige Spielglück.

Und darüber hinaus?

Wir müssen dringend in der Chancenverwertung effektiver werden. Wir haben ja letzte Saison eine wahnsinnige Zahl an Großchancen einfach nicht genutzt. Es geht jetzt darum, den letzten Schritt hinzukriegen, die Sachen zu vollenden, um den größtmöglichen Erfolg zu haben. Da hoffen wir auf Neuzugang Lena Petermann. Sie bringt vom SC Freiburg eine gute Erfahrung im Toreschießen mit. Wir stehen aber auch vor einer anderen Herausforderung.

Welche meinen Sie?

Wir müssen die Abgänge unserer Leistungsträgerinnen Lia Wälti und Tabea Kemme verkraften.

Beide hatten große sportliche Qualität, aber auch emotional viel Verantwortung. Wer soll diese Führungsrollen nun übernehmen?

In der Pflicht steht ganz klar unsere neue Kapitänin Svenja Huth. Und die erfahrenen Spielerinnen Lisa Schmitz, Johanna Elsig, Sarah Zadrazil und Felicitas Rauch als Vizekapitänin müssen ebenso vorweg gehen und aus dem Schatten heraustreten, den vorher Lia Wälti und Tabea Kemme geboten haben.

Zwei Jahre lang sind Sie nun Teilzeit-Bundesligatrainer und Teilzeit-Lehrer am Potsdamer Humboldt-Gymnasium. Funktioniert es, dass beides gut läuft?

Ich finde, es läuft perfekt. Die Organisationsstruktur passt. Am Vormittag, wenn ich unterrichte, leiten mein Athletiktrainer Alex Kirch und meine Co-Trainer Dirk Heinrichs und Josephine Schlanke die Einheiten. Nachmittags stehe ich auf dem Platz.

Welche sportliche Bilanz ziehen Sie nach Ihren ersten beiden Jahre?

Wichtig war mir, eine klare Mannschaftsstruktur zu entwickeln. In jedem Altersbereich der Mannschaft haben wir etwa gleich viele Spielerinnen. Das sorgt für ein stabiles Gefüge, sodass Abgänge aufgefangen werden können. Zufrieden bin ich auch damit, eine offensive und aggressive Spielweise etabliert zu haben. Wir hatten in meinen beiden Jahren den Kontakt zu den Spitzenplätzen, am Ende reichte es noch nicht für etwas ganz Großes.

Und Sie wollen etwas ganz Großes.

Natürlich. Aber zunächst möchten wir erst einmal schnellstmöglich die 1000-Punkte-Marke knacken (lacht).

ZUR PERSON:

Matthias Rudolph (36) ist seit Sommer 2016 Cheftrainer des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam. Zuvor war er eine Saison lang Assistent an der Seite von Turbine-Urgestein Bernd Schröder. Der gebürtige Belziger zählte als Spieler zu den Publikumslieblingen beim SV Babelsberg 03. Zudem kickte er für Hessen Kassel und den KSV Baunatal. Am Sonntag um 11 Uhr startet Matthias Rudolph mit Turbine Potsdam auswärts gegen die TSG 1899 Hoffenheim in die neue Bundesligasaison. Es folgen am 23. und 29. September Heimspiele gegen den SC Sand und 1. FFC Frankfurt.

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