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In Bewegung und Entwicklung. Seit Jahrzehnten ist die Sportschule Kienbaum Trainingsstätte für Spitzensportler. Am gestrigen Dienstag wurde sie offiziell zum Olympischen und Paralympischen Trainingszentrum für Deutschland umbenannt und damit aufgewertet.

© Soeren Stache/dpa

Brandenburgisches Sportzentrum Kienbaum: Mosaikstein in der Mark

Das brandenburgische Sportzentrum Kienbaum ist ein Relikt aus DDR-Zeiten. Nach der deutschen Wiedervereinigung ging der Betrieb weiter, zig Millionen flossen in das auch von vielen Potsdamer Athleten genutzte Objekt, das nun eine noch größere Bedeutung für den deutschen Spitzensport bekommt.

Von Tobias Gutsche

Hier soll es wirklich irgendwo sein? Das deutsche Spitzensport-Mekka? So recht mag man es nicht glauben, wenn man sich auf den Weg nach Kienbaum begibt. Etwa 40 Kilometer östlich von Berlin schaukelt man über holprige Straßen, zur Rechten und Linken nichts als Wald. Und dann öffnet sich im Ortsteil der Oder-Spree-Gemeinde Grünheide tatsächlich die Pforte zu einem Sportareal, das außergewöhnlich ist. Es sucht bundesweit seinesgleichen, weshalb es am Dienstag auch offiziell in einen besonderen Rang gehoben wurde. Kienbaum ist – viele frisch beschriftete Schilder zeugen davon – ab sofort „Olympisches und Paralympisches Trainingszentrum für Deutschland“.

Allein 61 Millionen Euro für Infrastruktur

Das ist als Stärkung und Aufwertung des Standortes zu verstehen. Dieser wurde bislang als einer von vier Bundesleistungszentren geführt. Im Zuge der deutschen Spitzensportreform fällt jene Förderkategorie allerdings weg, die Zentren werden stattdessen naheliegenden Bundesstützpunkten angegliedert. Kienbaum aber nicht. Die rund 50 Hektar große Einrichtung inmitten der märkischen Provinz bekommt ein Alleinstellungsmerkmal als zentrale Trainings- und Lehrgangsstätte des Staates. „So schlicht und einfach es mit dem neuen Namen dargestellt ist, so wertvoll und wichtig ist es für den deutschen Leistungssport“, erklärte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Alfons Hörmann. „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Standort hier ein wesentlicher Mosaikstein des künftigen Bildes des deutschen Leistungssports sein wird.“

Zu DDR-Zeiten prägte Kienbaum auch schon das spitzensportliche Schaffen. Wo einst ein Sägewerk stand, wurde ab 1952 ein Erholungsheim zur Kaderschmiede gemacht – inklusive der legendären, Höhenluft simulierenden Unterdruckkammer. Geheimsache in völliger Abgeschiedenheit. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde im Trainingszentrum weiter für Top-Leistungen geschuftet, der Erhalt durchgesetzt. Eine „goldrichtige Entscheidung“, wie Hörmann befand. Laut Gerhard Böhm, Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium, investierte der Bund seitdem eine neunstellige Summe in die Stätte – 45 Millionen Euro für den Betrieb, 61 Millionen Euro für Infrastruktur. „Kienbaum ist weltweit eine Marke. Damit das so bleibt und damit sich das auch verfestigt, werden wir weiter fördern – und das auch konsequent“, bekräftigte Böhm, dessen oberste Chefin beim gestrigen Sommerfest ebenfalls zu Gast war.

Besuch durch Bundeskanzlerin Merkel

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kam nach Kienbaum. Nicht via Auto über die Holperstraßen, sondern per Hubschrauber. Bereits 2010 war sie da und hob damals die dort „gelebte deutsche Einheit von Sportlern aus allen Teilen Deutschlands“ hervor. Gestern besichtigte sie erneut die Anlage, schaute unter anderem beim Training der Kanuten um den Potsdamer Dreifach-Olympiasieger Sebastian Brendel vorbei.

Für ihn und auch viele andere Athleten aus der Landeshauptstadt ist Kienbaum, wo mehr als ein Dutzend deutscher Sportfachverbände regelmäßig Maßnahmen durchführen, inzwischen zu einem zweiten Zuhause geworden. Etliche Wochen im Jahr peitscht er mit der Kanu-Nationalmannschaft über den Liebenberger See. Während seiner Ausbildung bei der Bundespolizei, deren Sportschule 2011 von Cottbus nach Kienbaum gezogen war, verbrachte Brendel sogar vier Monate am Stück dort. Er schwärmt von der Ruhe, die den Fokus einzig auf den Sport schärfe. Und von den guten Trainingsbedingungen, kurzen Wegen, der Verpflegung und medizinischen Betreuung. „Hier hat man einfach alles beisammen.“

„Unser neuer Name ist auch Verpflichtung“

Das bedeutet für die Verantwortlichen zugleich eine organisatorische Mammutaufgabe. „Kienbaum ist vieles – eine Sportanlage, ein Hotel, eine Versorgungseinrichtung, Bauherr, Veranstaltungsmanager, Pädagoge, Psychologe, Personaldienstleister, Verwalter. Da muss vom Brötchen über die Matratze bis zur Kraftmessplatte alles stimmen“, sagte Geschäftsführer Klaus-Peter Nowack. „Das ist ein kleines olympisches Dorf, das wir hier haben.“ Sebastian Brendel weiß dies zu schätzen: „Es ist ein schöner Effekt, dass man hier auf andere Sportarten trifft. Man kommt ins Gespräch. Im Kraftraum trainieren wir dann auch mal zusammen mit Leichtathleten oder Judokas und können uns dabei neue Inspirationen holen, wodurch man sich weiterentwickelt.“

Weiterentwicklung ist auch das Ziel der Institution. „Unser neuer Name ist auch Verpflichtung – das muss mit Inhalten gefüllt werden. Es wird Veränderungen geben“, kündigte Nowack an. Im September beginne die 3,8 Millionen Euro teure energetische Sanierung der alten Turnerhalle. „Außerdem gibt es die Idee, eine 400-Meter-Leichtathletikhalle mit integrierter Rollbahn für Behindertensportler und Eisschnellläufer zu bauen.“ Und dann stehe da noch etwas auf der Agenda, fügte er hinzu: „Wir möchten etwas verbessern, über das viele Athleten klagen – das Internet-WLAN.“ Diesbezüglich ist das deutsche Spitzensport-Mekka wahrlich noch nicht Spitze.

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