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Immer an der Wand lang. Zum sechsten Mal findet der Mauerlauf entlang der einstigen Grenze rund um Berlin statt.

©  Wolfgang Kumm/dpa

Brandenburg läuft: Berliner Mauerlauf: Am Griebnitzsee in die Sackgasse

800 Läufer nehmen den diesjährigen Mauerweglauf in Angriff, eine Umrundung Berlins entlang der einstigen deutsch-deutschen Grenze. Die Strecke von 160 Kilometern führt auch durch Potsdam, wo die Geschichte ganz intensiv zu erleben ist. Zu den Teilnehmern gehört Werner Hanke aus Geltow.

Nach 90 Kilometern bekommen sie tatsächlich einen Blick auf die Berliner Mauer. Wenn die Läufer der 100 Meilen um Berlin am kommenden Samstag den 15. von insgesamt 27 Verpflegungspunkten erreichen, sind sie am Griebnitzsee in Potsdam angelangt. Hier stehen die letzten Original-Mauerreste als stumme Zeugen der deutschen Teilung. Zum sechsten Mal findet 54 Jahre nach dem Mauerbau das 160 Kilometer lange Rennen entlang des einstigen Grenzstreifens statt.

Schwierige Rennphase am Griebnitzsee

374 Einzelstarter werden am Samstagmorgen um 6 Uhr im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in der Berliner Cantianstraße aufbrechen, eine Stunde später fällt der Startschuss für 85 Staffeln. Der Mauerlauf ist seit Monaten ausgebucht, was die Bedeutung und Attraktivität der „100MeilenBerlin“ unterstreicht. Zum einen haben in der Szene der Ultraläufer 100-Meilen-Rennen einen respektablen sportlichen Stellenwert. Zum anderen hat die historische Bedeutung der Streckenführung einen besonderen Reiz: Alte Grenztürme, Gedenktafeln, Info-Schilder, Kreuze für Maueropfer sind Wegmarken auf der großen Schleife um Berlin.

Und eben die originalen Mauersegmente am Griebnitzsee. „Das macht unseren Verpflegungspunkt so besonders“, sagt Manfred Kruczek als Vorsitzender vom Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg e.V. Der Verein organisiert die Betreuung der Mauerläufer am Griebnitzsee und gehört mit seinen Helfern zu insgesamt 350 Freiwilligen, die am Samstag 30 Stunden nicht nur Getränke und Speisen reichen, sondern mit zunehmender Dauer auch Motivation und Trost spenden. „Je später am Abend, desto interessanter die Gäste“, weiß Kruczek aus Erfahrung der vergangenen Jahre, was oder besser wer am Samstag auf ihn zukommt. „Nach 90 Kilometern hinter und noch 70 Kilometern vor sich sind viele Läufer gerade am Griebnitzsee in einer schwierigen Phase des Laufes“, meint Kruczek. Vor allem mentale Aufbauarbeit gebe es dann zu leisten. Doch sorge in dieser Situation das authentische Zeugnis der Mauer für Ablenkung. Hier werde die Erinnerung lebendig, es entwickeln sich interessante Gespräche und vor allem ausländische Läufer lassen sich mit den Mauersegmenten fotografieren und schicken die Bilder sofort nach Hause.

Das Zeitlimit des Laufes beträgt 30 Stunden

Es sind Sportvereine, Künstlerinitiativen oder – wie in Teltow – Mitarbeiter der Stadt, Freunde und Familien von Läufern, die die Verpflegungspunkte betreuen. „Manche verschieben extra ihren Urlaub, um dabei zu sein“, sagt Kruczek, der selbst zum fünften Mal an der Strecke ist.

Wie wichtig der mentale Zuspruch der Helfer ist, weiß Werner Hanke. Der 66-jährige Ultraläufer aus Geltow läuft nach 2015 am Samstag zum zweiten Mal den Mauerlauf. „Es ist schon eine Herausforderung, aber auch etwas Besonderes, vor allem der Empfang an den Verpflegungsstellen“, sagt er. Bei seiner Premiere vor zwei Jahren wollte er unbedingt unter 24 Stunden bleiben. „Hat nicht ganz geklappt.“ 26,5 Stunden brauchte er für die Berlin-Umrundung – das Zeitlimit liegt bei 30 Stunden. „Keine Ahnung, ob ich es diesmal schaffe“, meint Hanke. „Viel trainiert habe ich nicht und in diesem Jahr nur einen Ultra über 50 Kilometer gemacht.“

Kein Durchlass am Ufer des Griebnitzsees

Der Geltower wird sich am Samstag in internationaler Gesellschaft befinden. Läufer aus mehr als 30 Ländern stehen in der Starterliste – in diesem Jahr werden sie Berlin entgegen des Uhrzeigersinns umkurven. Seit Mauerlauf-Initiator Ronald Musiol gemeinsam mit der Berliner Laufgemeinschaft Mauerweg das Ultrarennen 2010 zum ersten Mal veranstaltete, ist der Zahl der Teilnehmer stetig gestiegen, sodass sie schließlich begrenzt werden musste: 800 Läufer sind auf der Strecke, die auf den Abschnitten in Berlin in den laufenden Straßenverkehr integriert ist. Die Homepage der „100MeilenBerlin“ ist inzwischen vielsprachig – die Ausschreibung gibt es auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Japanisch. Die Siegerlisten sind bunt beflaggt. Im vergangenen Jahr gewann Ariel Rozenfeld aus Israel die fünfte Auflage des Mauerweglaufs, bei den Frauen die Australierin Tia Jones. Der Streckenrekord liegt bei 13:06 Stunden, aufgestellt 2014 vom Briten Mark Perkins. Rekordhalterin bei den Frauen ist seit 2015 die Berlinerin Patricia Rolle in 15:57 Stunden.

„Die führenden Läufer werden sich bei uns nicht lange aufhalten, die schauen noch auf die Zeit“, sagt Manfred Kruczek. Später am Samstagnachmittag und -abend werde die Verweildauer an den Verpflegungspunkten zunehmen. Um an die Versorgungsstelle am Griebnitzsee zu kommen, müssen die Läufer von der Strecke abweichen und in eine Sackgasse laufen: Wo nach dem Mauerfall bis 2008 der ehemalige Grenzstreifen ungehindert als Mauerweg betreten werden konnte, stehen inzwischen neue Barrikaden. Sie wurden von einigen wenigen Anwohnern des Griebnitzseeufers errichtet, sodass dem grenzenlosen Lauf hier fast 28 Jahre nach dem Mauerfall erneut der Durchlass verwehrt wird. 

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