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Das Duo Nico Walther/Eric Franke lag bei der WM lange auf Medaillenkurs.

© Matthias Rietschel/Reuters

Bobweltmeisterschaften: Eric Franke ist Potsdams neue Medaillenhoffnung

Erst stürzte der Anschieber vom SC Potsdam schwer, dann machte das Wetter bei der WM in Altenberg nicht mit. Am Wochenende gibt es wieder eine Chance.

Potsdam - Es ist ein normaler Trainingstag auf der Bahn in Altenberg Ende Oktober 2019. Nico Walther, einer der besten Bobpiloten weltweit, ist in Altenberg aufgewachsen. Er kennt die Bahn, auf der Geschwindigkeiten von bis zu 140 Stundenkilometern erreicht werden, auswendig. Doch in der Ausfahrt der Kurve elf kippt der Vierer-Schlitten ohne erkennbaren Fahrfehler um. „Das fühlte sich nicht richtig an. Als ob dich jemand am Schlafittchen packt und rausziehen will“, erinnert sich Anschieber Eric Franke. Rausgeschleudert zu werden, kann das Quartett verhindern. Aber neben Pilot Walther, der sich an der Brustwirbelsäule verletzt, erwischt es auch Franke. Der Rücken und die Rippen sind lädiert.

Im letzten Zweier-Lauf fielen Eric Franke (l.) und sein Pilot Nico Walther auf den vierten Platz zurück.
Im letzten Zweier-Lauf fielen Eric Franke (l.) und sein Pilot Nico Walther auf den vierten Platz zurück.

© Robert Michael/dpa

2014 war der Berliner von der Leichtathletik zum Bobsport gewechselt. Ein Wechsel, den schon einige Leichtathleten vor ihm mit Erfolg vollzogen hatten. Auch für den früheren Sprinter Franke, der voriges Jahr vom BSC Sachsen Oberbärenburg zum SC Potsdam ging, sollte es sich lohnen. Er holte unter anderem 2018 Olympiasilber in Walthers Viererbob. Gestürzt war er bis zu jenem Oktobersamstag 2019 nicht. „Dadurch bin ich zu einem richtigen Bobfahrer geworden“, nimmt es Franke mit Humor. Im Bobsport gibt es den Spruch, dass man erst nach einem Sturz richtig dazugehöre.

Im Viererbob soll die Fahrt auf das Podest gelingen

Vier Tage später trainierte Franke wieder, so gut es möglich war. „Ich verwende das Wort selten, aber das war eine Quälerei.“ Vor allem wegen der angebrochenen Rippe. Aber bis zur Heim-WM in Altenberg – immer wieder Altenberg – durfte er nicht viel Zeit verlieren.

Explosion am Start: Eric Franke muss den Schlitten auf Geschwindigkeit bringen. 
Explosion am Start: Eric Franke muss den Schlitten auf Geschwindigkeit bringen. 

© Matthias Rietschel/Reuters

Knapp eine Woche vor Weihnachten gab es das Wiedersehen mit der Bahn. Franke hatte schon vor dem Sturz mit einer Psychologin zusammengearbeitet und mit ihr dann auch die Geschehnisse aus dem Herbst aufgearbeitet. „Als Profi musst du das ausblenden. Wenn das im Hinterkopf bleibt, ist es hinderlich.“ Anspannung habe er gespürt, als der Bob beim Training oben am Start stand. Angst nicht. Es klappte alles.

Nach Weihnachten qualifizierte sich Walthers Crew bei einem nationalen Ausscheid für die Weltmeisterschaften, doch Franke musste sich seinen Platz noch erkämpfen. Mitte Februar stand er allein auf einer Anschubstrecke. Also fast allein. Ein knapp 100 Kilo schweres Gewicht, das den Bob simulierte, war auch dabei. 50 Meter anschieben, volle Pulle. Für ihn leuchtete danach eine Topzeit auf, Franke war dabei.

Die Crew von Pilot Nico Walther hofft auf Edelmetall im Wettbewerb der großen Schlitten.
Die Crew von Pilot Nico Walther hofft auf Edelmetall im Wettbewerb der großen Schlitten.

© Sven Hoppe/dpa

„Es war eine sehr schwierige Saison für uns. Jetzt wollen wir eine Medaille. Die Farbe ist völlig egal“, sagte der Sportsoldat vor Beginn der WM. Die Aussage bezog sich auf den Viererbob. Dann fiel Joshua Bluhm, Walthers Anschieber im kleinen Schlitten, mit Rückenproblemen kurzfristig aus. Nachrücker: Eric Franke.

Der "verreifte" Eiskanal wurde zum Problem

Für Walther/Franke lief es am vergangenen Wochenende hervorragend, nach drei Läufen lagen sie auf Rang zwei. Doch durch den schwierigen Wetter-Mix mit Regen, Wind und hohen Temperaturen wurde die Bahn immer langsamer, sie verreifte. „Ein fahrerisch guter Pilot wie ich kann seine Stärken auf einer schnellen Bahn ausspielen, bei Reif ist das anders. Die Bahn ist griffig, und da kann jeder gut runterfahren“, sagte Walther der „Sächsischen Zeitung“.

Am Ende stand für den vierten Lauf nur Platz 19 und im Gesamtklassement Rang vier, acht Hunderstelsekunden hinter dem Bronzeplatz. WM-Gold holte sich zum sechsten Mal in Serie Franceso Friedrich. „Für das Wetter kann niemand etwas“, sagte Friedrich tröstend Richtung seiner Landsmänner Walther und Franke.

2018 holten Eric Franke (l.) und Kevin Kuske (2.v.r.) Olympiasilber.
2018 holten Eric Franke (l.) und Kevin Kuske (2.v.r.) Olympiasilber.

© Tobias Hase/dpa

Nach der verkorksten Saison mit dem schweren Sturz und der langen Pause sei das Ergebnis „akzeptabel und respektabel“, aber nach der formidablen Ausgangsposition sei es eine „Mega-Enttäuschung“, findet Franke. Eine Chance bleibt noch. Am Wochenende im Viererbob. Diese Chance ist nicht schlecht, glaubt Kevin Kuske. „Ich bin fest davon überzeugt, dass sie eine Medaille holen können“, sagt Kuske, der zusammen mit Franke 2018 in Pyeongchang Silber gewann und dadurch zum erfolgreichsten Bobsportler der Olympiahistorie aufstieg. „Das war für mich eine ganz große Sache und Erik war dabei. Wir sind in der Saison den ganzen Weg gemeinsam gegangen. So etwas schweißt zusammen.“

In Potsdam hat er perfekte Bedingungen und Kuskes Erfahrung

Inzwischen ist Kuske Stützpunkttrainer in Potsdam, wo es eine hochmoderne Anschubstrecke gibt. „Die Bedingungen sind perfekt“, sagt Franke. Zudem profitiert er von Kuskes Erfahrung: „Kevin kann sehr viel weitergeben.“ Franke pendelt beim Training zwischen Potsdam und dem Sportforum in Berlin-Hohenschönhausen. Das spezielle Bob-Training findet dann in den Hochburgen dieses Sports in Sachsen oder Thüringen statt. 180 Tage war Franke im vergangenen Jahr unterwegs, das klingt viel. Für Franke war es vergleichsweise wenig. Vor Olympia waren es 270 Tage. So blieb diesmal mehr Zeit für die Familie, Franke hat einen drei Jahre alten Sohn.

Eric Franke zusammen mit Olympiasiegerin Lisa-Marie Buckwitz bei der Eröffnung der Bob-Anschubstrecke im Sportpark Luftschiffhafen.
Eric Franke zusammen mit Olympiasiegerin Lisa-Marie Buckwitz bei der Eröffnung der Bob-Anschubstrecke im Sportpark Luftschiffhafen.

© Sebastian Gabsch

„Eric will sich bobtechnisch immer weiterentwickeln und ist sehr wissbegierig. Das macht einen großen Athleten aus. Von ihm können wir noch viel erwarten“, sagt Kuske. Zudem sei Franke mit seinen rund 95 Kilo verteilt auf 1,91 Meter „prädestiniert als Anschieber“.

Kuske war direkt nach Olympia 2018 mit 39 Jahren zurückgetreten. Franke hat auch noch einiges vor, „aber mit knapp 40 sehe ich mich nicht mehr bei Olympia. Da sitze ich eher im Garten und werfe den Grill an“. Kurze Pause. „Wobei das zu der Jahreszeit, zu der Olympia stattfindet, schwierig werden könnte.“ Aber erst einmal will er am Sonntag die Medaille. Es wäre seine zweite bei einer WM nach Bronze 2017 – und die Belohnung nach einer sehr schwierigen Saison.

+++ Buckwitz als Pilotin Sechste bei der Junioren-WM +++

Neben Eric Franke hat der SC Potsdam derzeit nur noch Philipp Wobeto als Bobanschieber im großen internationalen Geschehen. Wobeto ist Ersatzmann beim Team von Pilot Nico Walther. Die Trainer Jörg Weber und Kevin Kuske versuchen daher, im Nachwuchsbereich neue Athleten für die Spitzenklasse zu formen. Bei den diesjährigen Junioren-Weltmeisterschaften waren vier SCP-Aktive am Start. Im Vierer belegte Hannes Schenk den achten Platz, Max Pietza wurde Neunter, Paul Hensel landete auf Rang 14. In der gesonderten U23-Wertung erhielt Hensel Silber. Außerdem startete bei der JWM Lisa-Marie Buckwitz. Die 25-Jährige, die 2018 als Anschieberin Olympiagold holte, fuhr nun in der Rolle der Bobpilotin auf den sechsten Platz.

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