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Drängt nach mehr: Süleyman Koc hat sich in den Fokus der zweiten Bundesliga gespielt. Auf seinen Abgang ist der SVB vorbereitet, auch wenn er formal noch nicht entschieden ist.

© Jan Kuppert

Sport: Babelsberger Geduldsspiel

Nach elf Spieltagen hat Nulldrei seinen Platz in der Regionalliga gefunden – der Reifeprozess wird dauern

Es war schon sehr traurig, als Babelsberg im Mai aus der 3. Liga abstieg. Drei Jahre lang hatten die Potsdamer gekämpft und sich trotz großer finanzieller Probleme in der dritthöchsten deutschen Spielklasse gehalten. Letztlich war es wie der Tod einer alten, kranken Verwandten: traurig, auf jeden Fall, aber irgendwie auch eine Erleichterung.

Es folgte die Wiedergeburt in der Regionalliga Nordost. Bevor man aber gegen Traditionsvereine wie Magdeburg, Jena und Zwickau kicken durfte, musste überhaupt erst eine Mannschaft zusammengestellt werden. Das war die Aufgabe von Babelsbergs Trainer Cem Efe. „Wir hatten gar keine Mannschaft. Gar keine“, sagt der 35-jährige Berliner. „Wir mussten alle Spieler neu zusammenholen und das war brutal schwer. Wir bekamen gefühlt 50 Absagen, weil die finanziellen Aussichten bei uns sehr schlecht waren.“

Der Saisonstart verlief vielversprechend: drei Spiele – drei Siege. Doch Efe war klar, dass seine Jungs nicht dauerhaft an der Spitze oder gar um den Aufstieg mitmischen. „Die Mannschaft ist nicht erfahren genug. Wir haben viele Spieler aus der Oberliga, die nicht mal dort Stammspieler waren, demzufolge ist das ein ganz normaler Prozess.“ Efe wie auch der sportliche Leiter Almedin Civa und Nulldrei-Präsident Archibald Horlitz sehen das Machbare in dieser Saison sehr realistisch: „Wir wollen am Ende zwischen Platz elf und sieben stehen“, sagt Efe.

Die Pläne des Trainers gehen weit in die Zukunft. Deshalb hat er auch sehr viele junge Spieler verpflichtet. Das Durchschnittsalter liegt bei 22 Jahren, mit 27 ist Julian Prochnow der Älteste im Kader. „Ich will lernfähige Spieler – das war das wichtigste Kriterium. Junge Spieler, die man formen kann“, erklärt Efe. „Es geht darum, Jungs zu finden, die technisch und läuferisch stark sind, die vorausahnend spielen können.

Dass gerade bei den Heimspielen die Zuschauer Zeuge dieses Geduldspiels und Lernprozesses werden, stellt die Zuneigung wie auch Geduld der Nulldrei-Anhänger auf eine harte Probe: Die letzten vier Partien im Karl-Liebknecht-Stadion gingen verloren – und damit auch eine gehörige Portion von dem Selbstvertrauen und der erfrischenden Unbekümmertheit der ersten Auftritte. Vor allem das jüngste Heimspiel, das 2:3 gegen Aufsteiger Wacker Nordhausen verloren ging, litt am fehlenden Mut für entscheidene Aktionen. Von Spaßfußball, den Civa den jungen Spielern etwa vor dem 2:1-Sieg gegen Zwickau am dritten Spieltag ans Herz legte, war nicht viel zu sehen. Und so sinnierte Präsident Horlitz auf dem Heimweg über die Folgen für die Zuschauerzahlen: 2 660 Gäste waren es bislang im Schnitt, 2 000 waren es am vergangenen Sonntag. „Es ist keine überdramatische Situation“, beruhigt Horlitz – auch ein bisschen sich selbst. Gleichwohl wünscht er sich etwas mehr Stabilität – vor allem in der Abwehr. Der fehlt es nach der Rot-Sperre für Torwart Marvin Gladrow am dritten Spieltag und dessen anschließender Knieverletzung etwas an Rückhalt. Zwar wächst der erst 19-jährige Dominic Feber mit jedem Einsatz in der Startelf, doch erwartet Horlitz die Rückkehr des zu Saisonbeginn auf die Nummer 1 gesetzten Gladrow in den nächsten zwei, drei Wochen.

Rückschläge gibt es immer wieder und sind auch in Babelsberg programmiert. Ein nächster kündigt sich seit Längerem an: „Süleyman Koc wird uns am Ende der Hinrunde verlassen“, verrät Efe. „Er wird zu Paderborn in die Zweite Bundesliga wechseln. Das ist zwar noch nicht zu 100 Prozent sicher, aber die Tendenz, dass es für ihn klappen wird, ist deutlich.“ Präsident Horlitz bestätigt auf PNN-Anfrage, dass „noch nichts final entschieden oder unterschrieben ist“. Für Koc, dem Moabiter Jungen mit einer schwierigen Vergangenheit, wäre es ein großer und wichtiger Schritt, wenn er sich nicht nur sportlich verbessern, sondern auch in einem anderen Umfeld weg von Berlin einen Neuanfang starten kann.

Und für Babelsberg? „Wenn man ihn verliert, verliert man den wichtigsten Spieler dieser Mannschaft“, räumt Coach Efe ein. Man kann den Transfer aber auch positiv sehen. Es wird eine Ablösesumme geben, die der Verein dringend gebrauchen kann. Und es gibt auch noch andere kreative Spieler im Kader. Daniel Becker zum Beispiel ist bei Standardsituationen sehr gefährlich und hat schon für sieben Torvorlagen gesorgt. Oder Maximilian Zimmer, der zuletzt deutlich signalisierte, Verantwortung zu übernehmen. Der Stürmer Manual Fuster kommt langsam besser in Tritt. „Es gibt viel Potenzial“, sagt der Trainer.

Schon heute gilt es, dies unter Beweis zu stellen. Bei Viktoria Berlin (Anstoß 19 Uhr) wollen die Nulldreier gewinnen, was mehr als eine Wiedergutmachung der Heimniederlage gegen Wacker Norhausen wäre. Ein Sieg wäre ein wichtiger Mutmacher – fürs nächste Heimspiel: gegen den 1. FC Magedeburg.

Der Autor Stephen Glennon kommt aus Irland, lebt seit 2005 in Berlin und ist Mitgründer des englischsprachigen Berliner Fußballmagazins „No Dice“.

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