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Als Botschafter in Beelitz. Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati (l.) und der frühere Fußball-Profi Jimmy Hartwig.

©  Jan Kuppert

AOK-Fußballtag: Die Kraft des Kickens

Bei der zentralen Veranstaltung des AOK-Fußballtags für Vielfalt und Toleranz in Beelitz berichteten die Ex-Bundesliga-Akteure Babak Rafati und Jimmy Hartwig über die positive gesellschaftliche Wirkung des Fußballs. Aber auch über Respektmangel in diesem Sport.

Von Tobias Gutsche

Der Name des Ortes passte perfekt zum Grundgedanken der Aktion. Das Stadion des Friedens in Beelitz war am vergangenen Samstag die zentrale Veranstaltungsstätte des diesjährigen AOK-Fußballtags für Vielfalt und Toleranz. Mit jener landesweiten Initiative, die von Brandenburgs Landesfußballverband, Landessportbund und Landesregierung geführt und von der AOK Nordost unterstützt wird, wurde dafür sensibilisiert, welch große positive gesellschaftliche Kraft dem Fußball innewohnt. Kicken zur Förderung eines friedlichen, bunten und respektvollen Zusammenlebens, zum Abbau von Vorurteilen und Berührungsängsten sowie zur Einbeziehung aller in die Gemeinschaft.

„Der Fußball ist ohne Zweifel die stärkste Macht, um solche Werte zu vermitteln“, sagte Jimmy Hartwig bei dem Aktionstag in Beelitz, in dessen Rahmen unter anderem Spiele mit gehandicapten Menschen und Flüchtlingen, die in der Spargelstadt untergebracht sind, ausgetragen wurden. Stets am Spielfeldrand mit dabei war Hartwig. Der frühere Bundesliga-Profi, der dreimal deutscher Meister mit dem Hamburger SV geworden war, ist als Integrationsbotschafter für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) unterwegs und kämpft in dieser Funktion für Toleranz und Menschlichkeit.

Durch den Fußball werden Barrieren überwunden

Aus eigener Erfahrung weiß der 61-Jährige, wie schwer es sein kann, aufgrund einer gewissen Andersartigkeit Anerkennung zu finden. Mit markantem hessischem Dialekt erzählte der Sohn eines US-Soldaten: „Man muss sich das mal vorstellen: Ich bin hier in Deutschland geboren und musste mich in meinem eigenen Land integrieren. Als Dunkelhäutiger wurde ich nicht gleich akzeptiert.“ Insbesondere beim Fußball seien die Barrieren dann überwunden worden. „Das ist das Schöne an diesem Sport. Egal, wo die Leute herkommen, welche Sprache sie sprechen, wie sie aussehen: Du brauchst nur vier Markierungen für die Tore, einen Ball und dann geht es einfach los. Bei diesem Spiel sind alle vereint.“ Hartwig erlebe dies auch bei seinen zahlreichen Besuchen in Flüchtlingsheimen: „Wenn ich da reinkomme, ist immer das Erste, was ich sehe: Leute, die gemeinsam völlig harmonisch Fußball spielen. Großartig!“

Doch auf Fußballplätzen herrscht nicht immer pure Harmonie. Regelmäßig kommt es im Spielbetrieb zu Unsportlichkeiten wie Beschimpfungen und Rangeleien. Oft richten sich die Aggressionen gegen die Referees, sie stehen im Kreuzfeuer beider Teams. „Es mangelt an Respekt gegenüber Schiedsrichtern“, sagte Babak Rafati, der früher selbst in der Bundesliga pfiff und am Samstag ebenfalls in Beelitz zu Gast war. Das Fairness-Defizit ziehe sich von den höchsten bis in die niedersten Ligen durch, meinte er: „Der Spitzenfußball ist dabei das Schaufenster. Das dortige Verhalten überträgt sich nach unten.“ Dementsprechend appellierte Babak Rafati an die Vorbildwirkung der Bundesliga-Akteure – Spieler, Trainer und auch die Referees selbst: „Alle Parteien müssen mehr aufeinander zugehen, mehr Verständnis füreinander zeigen. Die Schiedsrichter können das, indem sie offener und ehrlich ihre Fehler einräumen, und die andere Seite sollte ihnen diese vollkommen natürliche Fehlbarkeit auch zugestehen.“

Rafati: Kreisliga-Schiedsrichter hat es schwerer als ein Bundesliga-Referee

So wünscht es sich auch Stefan Hübner. Er ist der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses im Fußballkreis Havelland, wo es seiner Ansicht nach zwar grundsätzlich gut um den Respekt gegenüber den Unparteiischen bestellt sei, aber: „Auch bei uns gibt es hin und wieder Vorfälle. Handgreiflichkeiten zum Beispiel. Ich kann mich auch an einen Fall erinnern, bei dem das Auto vom Schiedsrichter nach einem Spiel gezielt beschädigt wurde.“

Wenn Babak Rafati von solchen Geschichten hört, in denen die Referees aus unteren Ligen zur Zielscheibe werden, fühlt er sich bestärkt in seiner Meinung, „dass es ein Schiedsrichter in der Kreisliga schwerer hat als die oben in der Bundesliga“. Warum? „Der Kreisliga-Schiri bekommt nur wenige Euro für seine Tätigkeit und ist ungeschützt, sodass ihn die Pöbeleien und leider auch teilweise tätliche Angriffe treffen. Der Bundesliga-Referee wird hingegen mit bis zu 150.000 oder 200.000 Euro pro Saison entlohnt und befindet sich in einer durchaus beschützten Lage. Er kann in so einem Umfeld besser in die Aufgabe hineinwachsen und bekommt es irgendwann gar nicht mehr mit, wenn ihn 50.000 Pfiffe begleiten.“

Mitmenschen und auch sich selbst tolerieren sowie respektieren

Als Schiedsrichter in der Bundesliga aktiv zu sein, sei daher „ein besonderes Privileg“, sagt Rafati, der dieses etliche Jahre genießen konnte. „Bis ich gestürzt bin“, berichtete der 45-jährige Bankkaufmann offen von seiner schweren Depressionserkrankung, die ihn Ende 2011 wenige Stunden vor einem Bundesliga-Einsatz zu einem Selbstmordversuch führte. „In dieser Zeit bin ich an Werten wie Respekt und Anstand gescheitert. Von meinen Vorgesetzten beim DFB wurde ich gemobbt und ich habe mich selbst nicht ausreichend geachtet, sodass ich unter dem großen Leistungsdruck zusammengebrochen bin.“

Nach der Bewältigung seiner Lebenskrise hat sich Babak Rafati nun als Mentaltrainer und Vortragsredner eines zur Aufgabe gemacht: Er möchte anderen Leuten vermitteln, wie wichtig es ist, Mitmenschen, aber auch sich selbst Toleranz und Respekt entgegenzubringen. Zum Wohle des allgemeinen und persönlichen Friedens.

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