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Eine ähnliche Welle soll bald in Potsdam rollen.

© imago/Sven Simon

Am Bahnhof Rehbrücke: Potsdamer bauen Indoor-Surfanlage

Bald sollen an Potsdams Stadtgrenze Touristen, Hobby- und Leistungssportler auf der perfekten Welle surfen können. Unter dem Namen "Havelwelle" geht das Projekt an den Start.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Vor gut sechs Jahren war es um Ginette und Enrico Rhauda geschehen. Urlaub in Kalifornien, direkt am Pazifik. Das Potsdamer Ehepaar surfte zum ersten Mal – und verfiel sofort diesem Sport. „Mit dem Brett auf der Welle zu reiten, ist ein atemberaubendes Gefühl“, sagt Ginette Rhauda. Danach zog es beide immer wieder an die Weltmeere. Doch zu kurz ist ein solcher Urlaub. Und von der hiesigen Region aus sind die Trips an gute Surf-Standorte sehr weit, weil Nord- und Ostsee kaum die notwendigen Wasserberge bieten. „Das ist schon frustrierend, wenn man die Sehnsucht nach seiner Leidenschaft nicht einfach stillen kann“, sagt sie.

Die „Havelwelle“-Gründer Ginette und Enrico Rhauda (Archivfoto).
Die „Havelwelle“-Gründer Ginette und Enrico Rhauda (Archivfoto).

© Tobias Gutsche

Oder geht es vielleicht doch? Vergangenes Jahr begannen beide, sich mit einem ehrgeizigen Projekt auseinanderzusetzen. Dies nimmt nun zunehmend konkrete Formen an: Sie wollen ein bisschen Meer hierherholen, Brandenburgs erste Indoor-Surfanlage entstehen lassen: die „Havelwelle“. In einem flachen, weich gepolsterten Becken wird durch mehrere Turbinen das Wasser beschleunigt und an einer verstellbaren Rampe gebrochen, sodass sich eine Welle bildet. Auf der kann mit dem Board geritten werden.

Rund zehn Millionen Euro Investitionssumme

Das passende Grundstück für das Vorhaben ist bereits erworben – rund 2600 Quadratmeter neben A.T.U. in der Arthur-Scheunert-Allee am Bahnhof Rehbrücke. Eine vorläufige Baugenehmigung liegt auch schon vor. Die Investitionssumme beträgt nach eigener Aussage rund zehn Millionen Euro. Gestemmt werden soll das durch Eigenkapital, Kredit und Fördermittel – beispielsweise wurde bei der Landesinvestitionsbank ILB ein Antrag zur Förderung in der Kategorie „Innovativer Tourismus“ gestellt. „Unser Wunsch ist es, möglichst in zwei Jahren zu eröffnen“, sagt Enrico Rhauda.

Der 41-Jährige ist Geschäftsführer von Rhauda Gebäudereinigung, einem Familienunternehmen. Seine sechs Jahre jüngere Frau ist ebenfalls dort in der Führungsabteilung tätig und wird künftig die „Havelwelle“ leiten. „Wir leben für dieses Projekt“, sagt Ginette Rhauda. „Weil wir überzeugt sind, dass es sehr gut ankommen wird. Der Markt bietet riesiges Potenzial.“ Es gebe viele Surf-Fans wie sie, die hier in der Region auf dem Trockenen sitzen. Zwar eröffnete vorige Woche das vergleichbare „Wellenwerk“ in Berlin-Lichtenberg, „aber bei dem großen Interesse, das in unseren Analysen deutlich wurde, ist eine weitere Anlage gerechtfertigt“, meint Enrico Rhauda. Schließlich ist ansonsten keine andere in ganz Nordost- und Mitteldeutschland zu finden. Durch die gute Verkehrsanbindung mit dem Bahnhof könnte die „Havelwelle“ ein überregionaler Anziehungspunkt werden.

Standort an der Stadtgrenze zu Potsdam

Den perfekten Standort zu finden, bezeichnet das Ehepaar als „bisher schwierigsten Schritt“. Sie stellten ihr Projekt bei Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) vor, der sich begeistert gezeigt habe und sich bemühte, bei der Grundstückssuche zu helfen. Doch nichts Passendes wurde innerhalb der märkischen Landeshauptstadt gefunden. Stattdessen an der Stadtgrenze auf der Seite des Landkreises Potsdam-Mittelmark, wo man ebenfalls auf viel politische Zustimmung getroffen sei. „Am Ende ist es egal, wo wir uns befinden, denn dieses Projekt wird die gesamte Region aufwerten“, findet Enrico Rhauda.

Die Potsdamer „Havelwelle“ auf dem Papier.
Die Potsdamer „Havelwelle“ auf dem Papier.

© Visualisierung: Reimers Architekten

Zusammen mit Reimers Architekten wurde das Gebäude entworfen. Es erstreckt sich über vier Etagen zuzüglich Keller. Das Konzept ist allumfassend. Neben dem Wasserbecken im Atrium sollen Gastronomie, Eventfläche, Kinderspielecke, Fitnessbereich und Physiotherapie untergebracht werden. Hinzu kommen Ferienzimmer mit Gemeinschaftsküche, sodass dort über mehrere Tage Surfcamps durchgeführt werden können. Laut Enrico Rhauda gibt es das bisher bei noch keiner Indoor-Surfanlage der Welt. „Wir wollen uns breit aufstellen. Von Touristen über Familien und Leute, die es einfach mal ausprobieren wollen, bis hin zu fortgeschrittenen Surfern, die öfter kommen. Auch Schulen könnten die Anlage für den Unterricht nutzen“, sagt er.

Und sogar der Spitzensport ist im Blick. Bei den Olympischen Spielen nächstes Jahr in Tokio wird das Wellenreiten erstmalig zum Programm gehören. Gesurft wird dann auf offenem Wasser und keiner angelegten stehenden Welle. Aber für das Training seien Surfbecken wie die „Havelwelle“ wertvoll und würden auch von ambitionierten Athleten zur Technikoptimierung genutzt. „Daher haben wir die Vision, eigene Sportler auszubilden, sie zu fördern und Bundesstützpunkt zu werden.“

Vorbild ist der Englische Garten in München

Ob das Surfen auf einer künstlichen Welle überhaupt echtes Surfen sei, werden die Rhaudas oft gefragt. „Es gibt Unterschiede. Aber es ähnelt sich sehr und beides macht großen Spaß“, lautet dann ihre Antwort. Im Meer schiebt die Welle von hinten, im Pool kommt einem das Wasser entgegen. Daher ändert sich der Balancepunkt. „Das Gewicht muss hinten liegen und nicht zentriert sein“, erklärt Ginette Rhauda. Und außerdem entfällt der anspruchsvolle Akt des Anpaddelns, Aufstehens, um dann den richtigen Stand zu finden. Stattdessen startet man schon stehend. Anfänger werden zu Beginn auch zusätzlich festgehalten und von einem Trainer angeleitet. „Es stellen sich sehr schnell Lerneffekte ein. Bereits nach einer Stunde klappt es bei den meisten ordentlich“, betont sie und berichtet, dass sie schon einen Achtjährigen sowie dessen 80 Jahre alten Großvater auf der Kunstwelle surfen gesehen habe.

Ein natürliches Vorbild hat der Trend im Englischen Garten von München. Dort wird der stark strömende Eisbach, ein Nebenarm der Isar, durch eine Steinstufe zur Welle gebrochen. Die Eisbach-Surfer sind eine Münchner Attraktion. Nach ähnlichem Prinzip sind inzwischen weltweit einige stehende Wellen gebaut worden. Deutschlands erste unter dem Dach entstand ebenfalls in Bayerns Hauptstadt. Auch Osnabrück hat eine zu bieten. In Langenfeld bei Köln steht ein Surfbecken sogar unter freiem Himmel auf dem See.

Berliner Anlage soll höchste Welle haben

In Großbritannien sind indes auch schon sogenannte „Wavegardens“ errichtet worden. Das ist quasi ein See, bei dem sich durch aufwendige Wasserverdrängung Wellen wie im Meer auftürmen.

Bei den stehenden Wellen hat das jüngst eröffnete „Wellenwerk“ in Lichtenberg neue Maßstäbe gesetzt. Mit 8,50 Meter Breite und bis zu 1,60 Meter Höhe wird die Berliner Anlage als breiteste Indoor-Welle Deutschlands und höchste der Welt beworben. Enrico Rhauda plant mit ähnlichen Dimensionen in Rehbrücke, aber: „Unsere genauen Maße werden noch durch Experten berechnet.“

Auch wird gerade noch an einem weiteren Merkmal gefeilt: am Energiekonzept. Das Potsdamer Wellenprojekt soll das erste auf der Welt sein, das einen ökologischen Ansatz hat. „Durch Kraft-Wärme-Kopplung soll bei uns Strom, Wärme und Kühlung erzeugt werden. Das nutzen wir selbst oder geben es an das umliegende Gebiet ab, das sich sehr spannend mit mehreren Bauvorhaben entwickelt“, erklärt Enrico Rhauda. Die „Havelwelle“ soll in vielerlei Hinsicht ein Vorzeigeobjekt werden.

Mehr zum Projekt gibt es auf havelwelle-potsdam.de

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