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13. Potsdamer Kanalsprint: Mit Tempo, Heimtücke und Schleier

Weltklasse-Kanuten begeisterten und erheiterten wieder die Massen beim Potsdamer Kanalsprint. Während sechs Lokalmatadoren aufs Podest paddelten, fiel die Hannoveranerin Sabrina Hering nicht nur durch schnelle Fahrten auf, sondern auch optisch.

Von Tobias Gutsche

Plötzlich machte es platsch. Sebastian Brendel, der derzeit erfolgreichste Kanute der Welt, stürzte aus seinem Canadierboot und landete am gestrigen Sonntag beim Potsdamer Kanalsprint in den kühlen Fluten. War mangelnde Körperbeherrschung die Ursache? Verlor der König der Paddler etwa tatsächlich die Kontrolle über sein wackeliges Vehikel? Mitnichten. Ein heimtückischer Angriff von Jan Vandrey hatte ihm das unfreiwillige Bad beschert. Im Halbfinale traten die mit gemeinsamen Olympia- und WM-Gold dekorierten Männer des KC Potsdam gegeneinander an. Trotzdem Brendel gewann, wurde das Rennen für ihn zum Reinfall, denn als Scherz schubste Vandrey seinen Kompagnon nach dem Zieleinlauf ins Wasser. „Ganz schön frech“, meinte der klitschnasse 29-Jährige anschließend und lachte. „Für die Zuschauer war das eine tolle Aktion. Sie hatten ihren Spaß.“

Und nicht nur deswegen. Die 13. Auflage des Kanu-Events im historischen Stadtkanal begeisterte gestern erneut Tausende Zuschauer aufgrund seines außergewöhnlichen Charmes. Das hautnahe Erleben der Explosivität und Dynamik dieser Weltklasse-Athleten in Aktion, deren offene, herzliche Art beim Erfüllen zahlreicher Autogramm- und Fotowünsche machen ihn genauso aus wie die lockere Atmosphäre. Da hauen die Aktiven kurz vor dem Start amüsante Sprüche heraus, gönnen sich voller Spaß als Novum Zweier-Rennen in gemischter Besatzung aus je einem Mann und einer Frau oder jagen die rund 160 Meter lange Strecke mit einem besonderen Kopfschmuck herunter.

Potsdamer Siege durch Ronald Rauhe und Ophelia Preller

Letzteres tat die Hannoveranerin Sabrina Hering. Sie trug einen pinken Kranz inklusive weißem, während der Fahrt nach hinten flatterndem Schleier. Bei Olympia 2016 in Rio bekam die Kajakspezialistin kurz nach dem Gewinn der Vierer-Silbermedaille einen Heiratsantrag von ihrem Freund. Hering sagte „ja“, nächstes Wochenende wird sie vor den Traualtar schreiten. Zuvor stand nun der Junggesellinnenabschied auf dem Plan. Am Samstag ging sie mit ihren Freundinnen – darunter Potsdams Kanu-Ass Franziska Weber – auf das Musikfestival „Lollapalooza“ in Berlin und musste tags darauf beim Kanu-Wettkampf das Accessoire als Zeichen der künftigen Braut aufsetzen. „Lustige Sache. Manch andere müssen ja sonst was für schlimme Dinge beim Junggesellinnenabschied machen – ich wurde von Peinlichkeiten verschont“, erklärte Sabrina Hering.

Die Kanalsprint-Krone der Kajakdamen trug die Vorjahressiegerin jedoch nicht auf dem Kopf. Sarah Guyot aus Frankreich schnappte sie ihr im A-Finale weg. Platz drei ging an Franziska Weber. „Unsere Saison ist vorbei, wir sind eigentlich bereits alle gerade im Urlaub. Aber wie immer haben wir für diese tolle Veranstaltung gerne die Paddel zwischendurch in die Hände genommen“, sagte die Lokalmatadorin. Neben ihr heimste der KCP noch fünf weitere Podestplätze vor heimischer Kulisse ein. Routinier Ronald Rauhe triumphierte bei den Kajakherren und Ophelia Preller sowie Annika Loske sorgten für einen Potsdamer Doppelerfolg im Frauen-Canadier, während Sebastian Brendel hinter dem Ungarn Jonatan Hajdu Zweiter C1-Wettbewerbs wurde und Jan Vandrey Dritter.

Brendel lieferte beste Argumente für Deutschlands Sportlerwahl

Vor Brendel liegen jetzt noch einige Wochen Regenerationspause. „Aber nicht so viele wie vergangenes Jahr“, betonte er. „Im Oktober werde ich wieder ins Training starten.“ Nach Olympia 2016 hatte der Bundespolizist bis Ende des Jahres den Sport ruhen lassen. Daher kam er diese Saison im Vergleich zur vorhergehenden auch lediglich auf rund zwei Drittel des Kilometerumfangs. Und dennoch paddelte er der Konkurrenz wieder davon. Erstmalig holte Sebastian Brendel dreimal Gold bei einer Weltmeisterschaft. „Das hat mich selbst erstaunt. Aber es zeigt, dass ich mir eine hervorragende Grundlage erarbeitet habe, von der ich für den Moment zehren konnte. Die Auszeit hat mir allerdings auch geholfen, um wieder frisch im Kopf zu sein.“

Dank physischer und psychischer Stärke brillierte er bei der WM in Racice und lieferte mit seinem Titel-Triple beste Argumente für die Wahl zu „Deutschlands Sportler des Jahres“. Obwohl er verlässlich zig internationale Medaillen fischte, ging Sebastian Brendel bei dieser Prämierung bislang noch gänzlich leer aus. Er wurde zwar schon zum „Champion des Jahres“ der Stiftung Deutsche Sporthilfe gekürt und als Fahnenträger bei der Olympia-Abschlussveranstaltung auserkoren. Doch in der bundesweit öffentlichkeitswirksamste Sportlerehrung durch Journalisten reichte es für ihn bislang nur zu einem Top-10-Platz: Rang vier im Jahr 2016, für zwei Olympiasiege also nicht mal das Podium. Dieses Jahr heften nunmehr drei goldene WM-Plaketten in seiner Bewerbungsmappe. Rein objektiv schwer zu überbieten.

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