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Der Neue in Potsdam-West. Tobias Ziemann ist seit November Pfarrer in der Gemeinden Erlöser, Heilig-Kreuz und Geltow. Vorher war der 34-Jährige sieben Jahre Landpfarrer in Brandenburg. Er probiert gern Neues, macht Radio und twittert.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Zwitschern mit Gott

Tobias Ziemann ist neuer Pfarrer im Erlöser-Sprengel. Der 34-Jährige ist auch regelmäßig im Radio zu hören – und er twittert über seine Arbeit

Auf dem Tisch liegt das Smartphone, auf dem Schränkchen daneben steht ein altmodischer Telefonapparat mit Wählscheibe, gebaut 1928 – ein Abschiedsgeschenk aus seiner früheren Gemeinde Gutengermendorf im Löwenberger Land nördlich von Berlin, erzählt Tobias Ziemann. Nutzen kann er das Gerät nicht: Mit den Internet-Telefonanschlüssen von heute ist es nicht kompatibel. Seit Anfang November ist Tobias Ziemann neben Mechthild Metzner Pfarrer im Sprengel Erlöser, zu dem die Erlöserkirchengemeinde und die Gemeinden Heilig-Kreuz und Geltow gehören. In seinem Büro in der Nansenstraße stehen die Zeichen auf Neuanfang: Umzugskisten, der Geruch nach frischer Farbe. „Das ist eine wahnsinnig aufregende Zeit für mich, ich genieße das sehr“, sagt Tobias Ziemann über die ersten Wochen in Potsdam.

Abschied, Umbruch, Veränderung: Das sind die Themen, die Tobias Ziemann schon lange bewegen. Geboren 1983 in Ost-Berlin gehörte er zum letzten Jahrgang, der der DDR-Jugendorganisation Jungpioniere beitrat – er besuchte gleichzeitig die evangelische Christenlehre. „Das eine ist verschwunden, das andere geblieben“, sagt er. Und: „Kirche war immer eine Heimat für mich.“ Der Mauerfall, den er als Kind erlebt hat, prägt seine Generation bis heute, ist er sich sicher. Für Ziemann war es die Jugendgruppe in der Berliner Samariterkirche, die ihn schließlich dazu inspirierte, nach dem Zivildienst Gemeindepädagogik zu studieren und in den Pfarrdienst zu gehen.

Zuhören, Zusammenhänge verstehen, Tradition würdigen und trotzdem Veränderungen zulassen – das will Tobias Ziemann auch in der Gemeindearbeit. „Mein Herz schlägt dafür, wie Kirche sich strukturiert in Zeiten von abnehmenden Mitgliederzahlen“, sagt er. Mit einem „Es war schon immer so“ könne man der Entwicklung nicht begegnen: „Das ist der tödlichste Satz.“ Ziemann hält es stattdessen mit einer wichtigen Formel der Reformation: „Ecclesia semper reformanda“ – die Kirche muss sich immer verändern. „Das zeigt sich auch im ganz Kleinen“, sagt er.

Er weiß, wovon er spricht. 27 Jahre alt war er, als er nach dem Studium in Berlin und dem Vikariat in Drewitz-Kirchsteigfeld seine erste Stelle in Gutengermendorf antrat. In Spitzenzeiten war er dort für zehn Kirchen in 13 Dörfchen zuständig – praktisch allein. „Ich habe jeden Brief selbst aufgemacht“, erzählt er. Er begleitete auch mehrere Gemeindefusionen. Ziemann beschreibt das als eine Art Trauerarbeit. „Da gibt es Abschiedsschmerz“, sagt er: „Wenn gewohnte Strukturen verschwinden, dann ist das für die Menschen traurig.“ Solche Prozesse können aber auch fruchtbringend sein.

Als Beispiel nennt der Pfarrer die Kapelle in Häsen, die nach der Entwidmung nach Teltow kam. Dort soll die Baracke – sie stand ursprünglich in einem Außenlager des KZ Ravensbrück in Grüneberg – nun zu einem Bildungsort für NS-Geschichte werden (PNN berichteten). „Das wäre alles nicht in Gang gekommen, wenn am Anfang nicht die Entwicklung in Häsen gestanden hätte“, sagt Ziemann. In seinem beruflichen Leben ist es die gescheiterte Bewerbung als Pfarrer am Dom von Brandenburg/Havel 2016, die für ihn letztlich den Weg nach Potsdam frei gemacht hat. „Heute freue ich mich sehr“, sagt er: „Ich bin neugierig auf das Stadtpfarramt.“

Auch in Potsdam ist er in einen Sprengel gekommen, in dem eine Fusion bevorsteht: Heilig-Kreuz und Erlöser haben bereits einen gemeinsamen Gemeindekirchenrat, 2019 soll aus den zwei Gemeinden eine werden (PNN berichteten). Er sei aber nicht mit einem Plan für die Fusion angetreten, sagt Ziemann: „Ich schaue erstmal zu und nehme wahr – und dann kann man damit umgehen.“ Mit dieser Einstellung geht er auch an eines der großen Potsdamer Streitthemen heran – den Wiederaufbau der Garnisonkirche.

Auch mit dem Potsdamer Wohnungsmarkt musste sich der Pfarrer, der Fotografie und Musik zu seinen Hobbys zählt, herumschlagen, denn eine Dienstwohnung gibt es nicht. In Geltow, wo er zur Stärkung der dortigen Gemeinde gern hingezogen wäre, fand sich nichts. Nun wohnt Ziemann mit seiner Frau – einer Medizinerin – und den beiden Söhnen in Bornstedt. Und ist, wenn es geht, mit dem Rad unterwegs in der Stadt.

Ziemann predigt nicht nur sonntags in der Kirche, er ist seit sieben Jahren auch regelmäßig im Radio zu hören. Reportagen und Features für die Sendung „Apropos Sonntag“ auf Antenne Brandenburg hat er für den evangelischen Rundfunkdienst gemacht – zum Beispiel über „sein“ Dorf Meseberg: „Zwischen Schloss und Schweinestall“ hieß die Sendung. Dann ist Ziemann mit dem Aufnahmegerät unterwegs und sammelt O-Töne, geschnitten wird das Ganze vom Profi im Studio. „Diese journalistische Arbeit macht mit viel Spaß“, sagt er. Zu hören ist er auch in der Reihe „Worte für den Tag“, die montags bis samstags früh auf den rbb-Sendern Antenne, Kulturradio und 88,8 ausgestrahlt wird. Zweieinhalb Minuten hat er dann, um den Hörern einen Gedankenanstoß mit auf den Weg zu geben. Die kurze Form mag er – und probiert überhaupt einfach gern Neues.

So ist Ziemann auch beim Internet-Kurznachrichtendienst Twitter als @papapastor aktiv. Im Dezember wird er eine Woche lang das Twitterkonto der Landeskirche @deineekbo übernehmen. „Es geht darum, eine zeitgemäße Sprache zu finden, um die Botschaft, die wir haben, an Mann und Frau zu bringen“, sagt der 34-Jährige. Nächste Woche, vom 27. November bis 2. Dezember, ist er wieder mit den „Worten für den Tag“ dran. Dann will Ziemann auch über seine Erfahrungen aus den vergangenen Wochen sprechen. In der letzten Woche des Kirchenjahres – mit dem ersten Advent beginnt das neue – passt sein Thema perfekt: Umbruch, Abschied, Veränderung.

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