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Zwei Potsdamer können aufatmen: Doch keine Bombe im eigenen Garten

Was, wenn eine Fliegerbombe im eigenen Garten unter der Erde liegt? Zwei Potsdamer mussten sich wirklich mit der Frage beschäftigen. Was bleibt ist verlorene Zeit und Risse in der Decke.

Potsdam - Am Ende steht die Erleichterung: Nein, es liegt keine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg im Garten von Torsten und Melanie. Und nein, ihr Haus muss nicht abgerissen werden. Doch bis zu dieser Erleichterung war es ein weiter Weg (PNN berichteten). Er kostete viel Zeit, Energie und Nerven – und die Reparatur von Rissen in der Decke. „Das wünsche ich wirklich niemandem“, sagt Melanie heute.

Fast zwei Jahre ist es her, seit die beiden in ihrem Haus nicht weit vom Aradosee einen neuen Trinkwasseranschluss legen wollten. Auch der nötige Antrag auf eine Kampfmittelfreiheitsbescheinigung für ihr Grundstück ist bereits von Januar 2017. Zwei Monate später folgte die Ansage des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD), dass „weitergehende Sondierungen“ auf dem Gelände nötig seien. Der KMBD ist in Brandenburg dafür zuständig, noch im Boden liegende Bomben oder Munition aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen. Bevor gebaut wird – das gilt auch für Leitungen – muss der Dienst bescheinigen, dass dort nichts liegt. Dafür analysiert er historische Luftbilder. Wenn diese zeigen, dass in dem Gebiet Bomben gefallen sind, die nicht explodiert sind, wird gebohrt.

Am 14. April 1945 wurde das Gebiet mit ihrem Grundstück besonders schwer getroffen

So war es auch bei dem 40-jährigen Koch und der 46-jährigen Arzthelferin, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollen. In dem Haus – Baujahr 1914 – ist Torsten auch aufgewachsen, in der Dienstwohnung seiner Mutter. Vor zehn Jahren hat er es von der Treuhand gekauft. In Eigenregie saniert das Paar das Haus. Das Obergeschoss ist fertig, für das Erdgeschoss ist der Wasseranschluss gedacht. Ihr Grundstück liegt in einem Gebiet, das in der „Nacht von Potsdam“ am 14. April 1945 besonders schwer getroffen wurde. In der Nähe, zwischen heutiger Nutheschnellstraße und Kolonie Daheim, lagen die Arado-Flugzeugwerke, ein Ziel der US-amerikanischen Luftangriffe. 1750 Tonnen Bomben fielen über der Stadt, etwa jeder fünfte Sprengsatz explodierte nicht. Immer wieder werden bei Bauarbeiten Blindgänger gefunden, erst Anfang Juli wurde einer unweit vom Hauptbahnhof entschärft.

Potsdam - Im Herbst 2017 wurden Sondierungsbohrungen im Garten der Familie durchgeführt, dutzende Löcher mit je sechs Metern Tiefe. Dabei wurden drei „Anomalien“ festgestellt – eine davon direkt unter der Hausecke. Potentiell verdächtige Stellen, rote Flecken auf dem sonst grün gekennzeichneten Grundstücksplan.

Dann begann eine monatelange Wartezeit. Eine Zeit in Angst, um das Haus, all die Kraft, die in die Renovierung geflossen war und letztendlich um die Existenz. Denn wäre es wirklich eine Bombe gewesen, hätten die beiden ihr Haus „teilabtragen“ müssen, so erinnert sich Torsten an die Erklärung des KMBD – und die Kosten dafür womöglich selbst tragen müssen. Die beiden waren bedrückt in dieser Zeit, verloren den Antrieb, auch für die Beziehung war es eine Belastung.

„Ich musste erst bedrohlich werden, bis sich etwas bewegt hat“

Währenddessen zeigten sich Schäden am Haus: Risse im Obergeschosses, die sich immer deutlicher in die fertig sanierte Decke fraßen. Schäden, die Melanie und Torsten meldeten. „Aber niemand hat sich das jemals angeschaut“, sagt sie. Der KMBD wies jede Haftung von sich, genau wie die Versicherung. „Darauf bleiben wir sitzen“, sagt Torsten. In regelmäßigen Abständen riefen Torsten oder Melanie an, hakten nach, versuchten von der höflichen Nachfrage bis zum Schrei ins Telefon alles. „Ich musste erst bedrohlich werden, bis sich etwas bewegt hat“, sagt Melanie.

Vor wenigen Wochen haben sie nun den endgültigen Bescheid erhalten. Darin wird das Gelände freigegeben. „Es ist unwahrscheinlich, dass es sich bei dem detektierten Objekt um einen Bombenblindgänger handelt“, heißt es darin. Auf die Frage, warum die Untersuchung sich über so viele Monate hinzog, antwortet eine Sprecherin des KMBD auf Anfrage knapp, es seien mehrere Verfahren zur Klärung der Anomalien herangezogen worden. „Diese Verfahren benötigten ein gewisses Zeitfenster.“

Torsten und Melanie versuchen nun, das Kapitel abzuschließen. Dort wo der Erdaushub durch die Bohrungen lag, haben sie neues Gras gesäht, die ersten Hälmchen sprießen schon. Irgendwie kann es Torsten immer noch nicht fassen, wie lange sie diese Geschichte nun schon beschäftigt: „Ich wollte doch nur einen Wasseranschluss.“

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