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Landeshauptstadt: Zwei Euro für ein bisschen Wärme

Seit 20 Jahren gibt es in der Suppenküche Mittagessen für Bedürftige. 35 bis 40 Menschen kommen jeden Tag – und es werden mehr

Monika kommt fast jeden Tag zum Mittagessen in die Suppenküche der Volkssolidarität. „Lebensmittel sind sonst einfach zu teuer“, sagte die 52-Jährige am gestrigen Donnerstag. „Ich versuche, pro Tag nur zwei Euro für mich auszugeben, genau den Preis für das Essen hier, damit ich mir ab und zu ein Extra leisten kann“, erzählte die Potsdamerin, den Rest hole sie in der Tafel. Aber so lecker wie an diesem Tag sei es sonst nicht. „Ein Gedicht.“

Denn zum 20. Jubiläum, das gestern in der Suppenküche – oder im sozialen Zentrum, wie es offiziell heißt – gefeiert wurde, hat der Potsdamer Sternekoch Alexander Dressel gekocht. Kürbissuppe mit Garnelenklößchen, Rind mit Birne und Serviettknödel und ein Dessert mit Kumquats hat der Chefkoch des Restaurants „Friedrich Wilhelm“ im Hotel Bayerischer Hof für 50 Bedürftige und geladene Gäste aufgetischt.

Gegründet wurde die Potsdamer Suppenküche 1997, damals noch auf dem Areal des Militärwaisenhauses, zunächst ohne Unterstützung der Stadt. Doch, so betonte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in seiner Ansprache zum runden Geburtstag, „wir haben damals wie heute unsere sozialpolitische Verpflichtung gesehen, das zu fördern“. Inzwischen finanziert die Stadt auch zwei Vollzeitstellen. „Es ist tragisch, dass unser Sozialsystem so gestaltet ist, dass Menschen auf solche Einrichtungen angewiesen sind“, sagte Jakobs. Auch Dirk Brigmann von der Volkssolidarität erklärte, er sei froh, dass hier vielen Menschen geholfen werde, aber es sei traurig, dass das reiche Deutschland so etwas brauche. „Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer“, sagte Brigmann unter beifälligem Nicken der bedürftigen Besucher im Raum. Hans-Jürgen Scharfenberg, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtparlament, der die Institution seit Jahren unterstützt, betonte, dass sich die Stadt dieses Problems wirksam angenommen habe.

Die Nachfrage hat allerdings in den vergangenen Jahren nicht abgenommen, im Gegenteil. „Es werden immer mehr“, sagte Peter Müller, seit zwei Jahren Chef der Suppenküche. 35 bis 40 warme Mittagessen werden pro Tag ausgegeben, also insgesamt rund 1000 Mahlzeiten pro Monat. „Es kommen immer mehr Menschen aus Osteuropa, auch aus den Balkanländern, aber auch die Zahl der bedürftigen Deutschen hat spürbar zugenommen“, so Müller. Im Sommer kämen weniger, da seien viele draußen an den Seen und angelten, aber im Winter sei es immer voll, auch, weil es in der Suppenküche warm ist. Das Profil der Besucher sei gemischt, einige seien obdachlos, viele Bedürftige aus sozial schwachem Umfeld.

Nach mehreren Umzügen ist die Institution inzwischen auf dem Gelände des Rathauses untergebracht, seit 2015 in einem neuen Gebäude. Das soll sich auch nicht ändern, versicherte Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) am Rande der Veranstaltung. In einer Vorlage zu umfassenden Umbauplänen des Campus der Stadtverwaltung in den kommenden Jahren war das Gebäude infrage gestellt worden (PNN berichteten). Schubert sagte nun, das sei lediglich ein Planvorschlag der beauftragten Firma Complan gewesen. „Das Gebäude bleibt“, sagte er zu.

Gestemmt wird das soziale Zentrum, neben städtischen Mitteln und viel ehrenamtlichem Engagement, auch durch Spenden. Bei der 20-Jahrfeier übergab Oberbürgermeister Jann Jakobs symbolisch einen Spendenscheck über 2000 Euro – das Geld soll in die Modernisierung der Inneneinrichtung fließen. Auch verschiedene politische Fraktionen unterstützen die Suppenküche immer wieder, dazu kommen Unternehmer- oder Privatspenden. „Gerade in den Wintermonaten können wir auch Sachspenden wie warme Kleidung, Schuhe und Schlafsäcke immer gebrauchen“, sagte Leiter Peter Müller.

Denn: Neben der täglichen Essensausgabe gibt es auch eine Kleiderkammer, die stark nachgefragt wird. Auch eine warme Dusche und eine Waschmaschine gibt es. Außerdem bieten die Streetworker des Sozialträgers Creso eine Beratung an. Diese soll, so Sozialarbeiter René Schiweck, im kommenden Jahr noch professioneller werden. Statt wie bisher im Essensraum Hilfe anzubieten, will er einmal wöchentlich in einem extra Raum beraten, beispielsweise beim Ausfüllen von Anträgen oder zu anderen Hilfsangeboten.

Monika kennt ihre Rechte, sie weiß auswendig, worauf sie Anspruch hat und worauf nicht. Sie bezieht Invalidenrente, seit sie durch eine schwere Krankheit vor knapp zehn Jahren berufsunfähig wurde. „Dabei habe ich mehr als zwei Jahrzehnte als Krankenschwester schwer geschuftet“, sagte sie. Nun sammle sie regelmäßig Flaschen, um über die Runden zu kommen. Ständig rechnen zu müssen, das sei purer Stress. Ihre Kleidung holt sie aus der Kleiderkammer. Am Anfang habe es sie Überwindung gekostet, in die Suppenküche zu kommen. „Der erste Tag war ganz schlimm“, erzählte die 52-Jährige. Aber dann habe sie schnell andere Frauen kennengelernt, alles bedürftige Rentnerinnen, sagte sie mit Blick auf Silvia und Helga an ihrem Tisch. „Wir treffen uns oft hier, quatschen, unternehmen auch mal was zusammen“, so beschreibt es Monika. „Alleinsein ist das Schlimmste, das hier ist eine Gemeinschaft.“

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