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Landeshauptstadt: „Zuständigkeiten eindeutiger regeln“

Mehr als 23 000 Menschen mit Behinderung leben in Potsdam. Christoph Richter, Behindertenbeauftragter der Stadt, über den neuen und alten Teilhabeplan, Barrierefreiheit und Integration auf dem Arbeitsmarkt

Herr Richter, was hat sich in letzter Zeit für Menschen mit Behinderung in Potsdam verbessert?

Es sind viele kleine und auch einzelne große Schritte gemacht worden, die die Teilhabe vorangebracht haben. Es gibt Lesungen in einfacher Sprache, es wurde ein barrierefreier Stadtführer veröffentlicht. Das größte neue Projekt ist das barrierefreie Schwimmbad blu. Hier haben wir auch mit Betroffenen und Architekten vor Ort Details besprochen.

Wie barrierefrei ist der öffentliche Nahverkehr inzwischen?

Fast alle Straßenbahnhaltestellen sind schon barrierefrei, hier wurde viel erreicht. Nur vier Stationen fehlen noch, darunter die Brandenburger Straße und das Nauener Tor. Aber bei den Bushaltestellen bleibt noch viel zu tun. Auch die barrierefreie Gestaltung von Fahrplänen oder barrierefreie Apps, damit sich zum Beispiel blinde und sehbehinderte Menschen über das Smartphone informieren können, sind wichtige Bausteine.

Die Integration auf dem Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Bestandteil der Teilhabe. Was kann die Stadt da tun?

Wir gehen als Arbeitgeber mit gutem Beispiel voran. Fast zehn Prozent der Beschäftigten der Stadt haben eine Beeinträchtigung. Auch in der Arbeitswelt findet ein Umdenken statt, vor allem durch den Fachkräftemangel. Einige Firmen öffnen sich zunehmend gegenüber diesem Personenkreis, doch der Prozess steht noch am Anfang. Wir können durch neue Netzwerke informieren und sensibilisieren.

Am heutigen Samstag werden Sie bei einer Veranstaltung zum Stand der kommunalen Teilhabepläne in Brandenburg sprechen. Wie steht Potsdam im Landesvergleich da?

Die Landeshauptstadt war 2012 eine der ersten Kommunen im Land, die einen Teilhabeplan verabschiedet hat. Aus unserer Erfahrung werde ich erklären, was wichtig ist, damit so ein Plan erfolgreich ist. Wichtigster Punkt ist dabei die Partizipation der Betroffenen, also den Expertinnen und Experten in eigener Sache.

Also werten Sie den Potsdamer Plan als Erfolg?

Das Papier ist ein wichtiger Schritt für die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention in Potsdam. Das heißt nicht, dass alles auf einen Schlag realisiert wird, aber es dient als Grundlage für eine Diskussion und den weiteren Prozess. Es ist zentral, dass eine breite Bürgerschaft dafür sensibilisiert wurde. Die Umsetzung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und viele Maßnahmen zur Inklusion nutzen nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern tragen gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel zur Verbesserung der Lebensqualität aller bei.

Trotzdem soll es nun eine neue Version geben. Warum?

Zum einen haben sich einige rechtliche Rahmenbedingungen geändert oder sind wie das Bundesteilhabegesetz neu hinzugekommen. Zum anderen hatte der erste Plan einige Kinderkrankheiten, die wir nun beheben wollen.

Welche sind das?

Die Verbindlichkeit des ersten Plans war eher niedrig. Auch Zuständigkeiten müssen eindeutiger geregelt sein. 2012 gab es auch Maßnahmen, die eigentlich nicht in die Verantwortung der Stadt fallen, wie die Schulpolitik. Hier müssen wir ganz klar festlegen, was auf unserer Ebene getan werden kann. Auch müssen die Maßnahmen so formuliert sein, dass sie messbar sind und evaluiert werden können. Die Fortschreibung haben wir auf den Weg gebracht, die neue Fassung soll Anfang nächsten Jahres in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden.

Welche Neuerungen wird es geben?

Wir werden die verschiedenen Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen noch besser berücksichtigen. So soll auch das Thema Migration und Behinderung stärker in den Blick genommen werden. So sollten Informationen zum Thema Behinderung oder Pflege auch mehrsprachig vorliegen. Der zweite neue Bereich ist Gesundheit und Pflege.

Was kann die Stadt hier tun?

Hier geht es vor allem um die barrierefreie Kommunikation, zum Beispiel in Krankenhäusern. Dort sollte auch direkt mit gehörlosen Menschen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten kommuniziert werden. In Krankenhäusern könnten die Ärzte und Pfleger zum Beispiel in einfacher Sprache fortgebildet werden. Es dürfen keine ärztlichen oder pflegerischen Entscheidungen getroffen werden, die Personen aufgrund von Kommunikationsbarrieren nicht nachvollziehen können.

Welches sind Ihre nächsten Projekte?

Meine wichtigste Priorität ist jetzt die Neufassung und der Beschluss des Teilhabeplans sowie die neue Aufstellung des Beirates für Menschen mit Behinderung. Aber auch die Übersetzung der Homepage www.potsdam.de in leichte Sprache ist ein Projekt, das zum Jahresbeginn 2018 fertig werden soll.

Das Gespräch führte Sandra Calvez

Christoph Richter, 33, ist seit 2013 Beauftragter für Menschen mit Behinderung der Stadt. Er stammt aus der Nähe von Kassel und studierte Sozialwesen, Soziologie und Ethnologie.

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