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Landeshauptstadt: Zur fürstlichen Hochzeitsnacht

Erstes Großprojekt: Restaurierungszentrum der Schlösserstiftung erneuert Paradebett von Friedrich I.

Jede einzelne hauchdünne Silberfranse nimmt Sabine Müller mit der Pinzette auf. Sie legt die leicht angefeuchteten Fäden gerade, fixiert sie mit einer dünnen Stecknadel auf eine Platte. So wird, Faden für Faden, aus einem wirren Knäuel wieder eine ordentliche Fransenborte – wie zu Zeiten König Friedrichs I.

Er ließ jenes Bett 1706 bauen, das nun im Wissenschafts- und Restaurierungszentrum (WRZ) der Schlösserstiftung in Potsdam wiederhergestellt wird. Es ist das erste große Projekt, das am erst im Juni neu bezogenen Standort des Zentrums (PNN berichteten) auf dem Gelände des ehemaligen Hans-Otto-Theaters umgesetzt wird. Etwa zwei Jahre dauern die Arbeiten, zwei Restauratorinnen arbeiten hauptsächlich daran. Rund 110 000 Euro kostet das insgesamt, den Löwenanteil stifteten die Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten. Der Verein spendete eine große Summe aus dem Erbe der Berliner Apothekerin Gudrun Moegelin, die dem Verein einen Teil ihres Vermögens für solche Projekte hinterlassen hat.

Das Paradebett im Berliner Schloss Charlottenburg war üppig verziert, mit Baldachin, gelbem Damast und reichem Silberschmuck. „Das Bett hatte eine hohe zeremonielle Bedeutung, aber es war nicht zum Schlafen da“, erklärte Susanne Evers, die sich bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) um den Bereich Textilien kümmert, bei einem Pressetermin am Donnerstag. „Der König empfing wichtige Gäste im Paradeschlafzimmer, außerdem diente es als Beilager.“ Das bedeutet, dass bei Hochzeiten der Hohenzollern, die ab 1750 meist im Schloss Charlottenburg stattfanden, nach den Feierlichkeiten das Paar hierher geführt und entkleidet wurde. Dann verbrachten die beiden ihre Hochzeitsnacht in dem prachtvollen Bett. So stand das Möbelstück symbolisch auch für den Fortbestand der Dynastie.

Im Lauf der Geschichte wurde das Paradebett immer wieder beschädigt. 1760 wurde es durch russische und österreichische Truppen zerstört. Friedrich der Große ließ es nach dem siebenjährigen Krieg originalgetreu wiederherstellen. 1888 musste der Stoff erneut ausgewechselt werden, bevor das Bett wenig später ins Berliner Schloss umzog. Dort diente es wichtigen fürstlichen Gästen, diesmal wirklich zum Schlafen. 1933 wurde das Bett wieder ins Schloss Charlottenburg zurückgebracht. Doch das Schloss wurde im Krieg 1943 zerstört. Das Bett überstand die Bombardierung weitgehend intakt und wurde nach Potsdam gebracht. Hier lagert es seither.

Für die Restauratoren gibt es einiges zu tun. Zwar sind die Schmuckteile aus verschiedenen Stoffen alle erhalten – unter anderem der Himmel des Baldachins und die „Lambrequins“, zehn breite, bestickte Stoffstücke, die den Baldachin innen und außen und die Fußteile zierten. Doch viele der Stoffteile sind beschädigt, haben Risse oder sind brüchig, verschmutzt oder ausgeblichen. Der Silberschmuck ist schwarz geworden, einiges fehlt.

Neben dem Entwirren der Fransen kümmern sich die Restauratorinnen auch darum, den Stoff zu reinigen und zu sichern. Dazu wird er von hinten durch eine zweite Stoffschicht geschützt. Durch die gleiche Farbe fällt das auch an kaputten Stellen nicht auf. Von oben schützt eine Lage feiner Tüll. Das Silber aber bleibt so schwarz, wie es ist. „Wir haben uns dagegen entschieden, das wieder glänzend zu machen. Silber korrodiert eben, und bei jeder Reinigung verlieren wir etwas Substanz“, erklärt Susanne Evers. Außerdem habe das Silber damals auch so ausgesehen. Die fehlenden Teile, beispielsweise Zierblüten an der hohen Rückenlehne, werden aber mit neuem, glänzendem Silber ergänzt.

Eine weitere Baustelle sind die Matratzen. Erhalten sind sie nicht, aber es gibt historische Dokumente, aus denen man ablesen kann, wie diese gemacht waren. Zwei Matratzen werden derzeit rekonstruiert, außen handgewebtes Leinen, innen gestopft mit Palmfasern. „Das piekt ganz schön“, kommentiert Restauratorin Nadja Kuschel. Doch natürlich blieben die Matratzen zu Königs Zeiten nicht blank. Darauf kamen mehrere Lagen Seidendecken. „Das ähnelte der Prinzessin auf der Erbse“, so Kuschel.

Restauratorin Sabine Müller gefällt ihr neuer Arbeitsplatz. Insbesondere die Nähe zu den Kollegen anderer Fachrichtungen – im neuen Zentrum sitzen unter anderem Papier-, Textil-, Rahmen- und Gemälderestauratoren unter einem Dach – empfindet sie als bereichernd. „Der Austausch mit den anderen ist sehr spannend“, so Müller.

Auch wenn die Arbeit im WRZ noch bis 2019 dauern wird, können die ersten fertiggestellten Teile des Paradebettes schon ab Anfang Oktober am Originalplatz im Schloss Charlottenburg besichtigt werden. „Das ist etwas ganz Besonderes“, betont Chefrestauratorin Kathrin Lange. „Die Besucher können dort kein fertig restauriertes Stück sehen, sondern ein Zwischenstadium.“ So werden beispielsweise die Palmfaser-Matratzen zu sehen sein, bevor sie nach Abschluss der Restaurierung unter einer Seidendecke verschwinden – wie damals für die fürstliche Hochzeitsnacht.

Ab 1. Oktober wird das Paradebett von Friedrich I. im Schloss Charlottenburg in Berlin ausgestellt

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