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Landeshauptstadt: Zum Verzweifeln eng

Sechsköpfige Familie teilt sich drei Zimmer – zu wenig für Rückzugsmöglichkeiten und erholsamen Schlaf

Nach fünfzehn Wohnungsbesichtigungen und einem Jahr Suche hatte Mike Spurtaz schon fast aufgegeben. Nun hat es doch geklappt. Die Spurtaz, eine sechsköpfige Familie, hat eine neue Wohnung in Drewitz. Frei ab 1. Dezember, „wenn uns die Gewoba schnell aus unserem jetzigen Mietvertrag lässt“, sagt der Familienvater. Das wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Die Familie lebt derzeit auf 70 Quadratmetern, auf drei Zimmer verteilt. Es ist zum Verzweifeln eng. Das Wohnzimmer ist gleichzeitig der Schlafraum der Eltern, in dem auch das Bettchen von Selina, mit zehn Monaten der jüngste Spross der Großfamilie, steht. „Auch die anderen Kinder kommen nachts manchmal“, erzählt der Vater. Sophia ist sechs, Sementa ist vier und Kevin zwei Jahre alt. Die Augen von Mike Spurtaz sehen müde aus. Er arbeite im Schichtbetrieb in der Warenannahme eines Baumarktes in Berlin. Das Pendeln zwischen Schlaatz und Berlin verlängere den Arbeitstag noch mal täglich um zwei bis drei Stunden. Dann komme er müde nach Hause und habe keinen Rückzug und dann noch die unruhigen Nächte. Seit Monaten fehle ihm der erholsame Schlaf, das mache ihn mürbe, gesteht der Familienvater.

Eine größere Wohnung sei die Lösung nahezu aller Probleme, sagt Mike Spurtaz. Bereits vor der Geburt von Selina hätten sie deshalb mit der Wohnungssuche begonnen. „Das ist jetzt ein Jahr her“, sagt der schmale Mann und es klingt wie eine Ewigkeit. Was die sechs Spurtaz brauchen, ist eine Fünf-Raum-Wohnung. Bis zu 110 Quadratmeter seien gestattet. Allerdings dürften die monatlichen Kosten die Summe von 814 Euro Warmmiete nicht übersteigen. Weil seine Frau Martina Hartz IV-Empfängerin sei, bestimme die Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung Arbeitssuchender (Paga) bei der Wohnungswahl mit. Mit dem Ergebnis, dass viele der bisher besichtigten Wohnungen entweder zu klein oder aber zu teuer gewesen seien. Manchmal hätten sich aber auch die Vermieter quer gestellt, erzählt Mike Spurtaz. „Als sie erfuhren, dass meine Frau Hartz IV bekommt, lehnten sie dankend ab“, sagt er. Andere hätten die vier Kinder als Ablehnungsgrund angeführt. So viele Kinder seien einfach zu laut, den Lärm könne man den anderen Mietern nicht zumuten. Dabei dürften rein statistisch gesehen die Chancen auf eine größere Wohnung gar nicht so schlecht stehen. Laut Jahresbericht der Stadt nämlich gab es 2006 in Potsdam 4503 Wohnungen mit fünf und mehr Zimmern, aber nur 1462 Großfamilien.

Dennoch haben sich die sechs Spurtaz erst vor wenigen Tagen die einzige Fünf- Raum-Wohnung angeschaut, über die die städtische Vermittlungsbehörde derzeit verfüge. Und die liege 56 Euro über dem Limit. Inzwischen aber habe sich die für seine Frau zuständige Fallmanagerin einen Ruck gegeben. Die Potsdamer Arbeitsgemeinschaft komme jetzt auch für den Differenzbetrag auf.

Erleichterung bei den Spurtaz. „Wir waren langsam am Ende“, sagt Mike Spurtaz, der sogar schon mal überlegt hatte, seinen Job hinzuschmeißen, einfach weil er es kräftemäßig nicht mehr schaffe. Der Mann wirkt erschöpft. Auch seine Frau habe nur noch wenige Kraftreserven. Zwar könne sie die „Großen“ bis zum frühen Nachmittag in den Kindergarten bringen und mit dem Baby die Spielgruppe im Familienzentrum am Schlaatz besuchen. Dennoch blieben Erziehung und Haushalt an ihr hängen. Hinzu käme, dass der zweijährige Sohn Kevin ein angeborenes schweres Hüftleiden habe. „Er trägt so ein Gestell“, beschreibt der Familienvater. Und habe dennoch großen Bewegungsdrang. Auch deshalb ist ein schneller Umzug in die neue Wohnung wichtig. „Der Junge braucht sein eigenes Zimmer“ und Mike Spurtaz endlich Schlaf.

Nicola Klusemann

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