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Seit 30 Jahren in Potsdam. Rechtsanwalt Michael Deppen (r.) kam gleich nach der Wende nach Potsdam und baute hier die heutige Kanzlei Streitbörger auf. Thorsten Purps (l.) ist seit 1992 dabei und zum Spezialisten für Bodenreform-Fälle geworden.

© Andreas Klaer

Zum Telefonieren über die Glienicker Brücke: Die Geschichte des ersten Rechtsanwalts aus dem Westen in Potsdam

Es ist noch DDR, da kommt der erste West-Rechtsanwalt zum Arbeiten nach Potsdam – der Beginn der heutigen Kanzlei Streitbörger.

Potsdam - Als Michael Deppen im Herbst 1990 anreiste, über die Buckelpiste A2, kam ihm in Potsdam eine Russenkolonne entgegen. „Das Ankommen in Potsdam war sehr abenteuerlich.“ Der damals 38-jährige Kollege der Kanzlei Rinsche in Hamm war nach Potsdam abkommandiert, in den wilden Osten, noch für wenige Wochen DDR, um hier eine Sozietät zu gründen. Natürlich kam Deppen freiwillig und sah die Herausforderungen sportlich. Die Ausgründung gelang. Heute heißt die Kanzlei Streitbörger und feiert in diesen Tagen ihr 30-jähriges Bestehen. Auch Deppen, der Mann der ersten Stunde und längst im Ruhestand, ist dazu wieder nach Potsdam gekommen. Dieses Mal ohne Büromöbel im Auto.

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„Ich hatte damals wirklich Tisch, Stuhl und Regal im Kombi“, sagt Deppen. Im Juli war er das erste Mal in der DDR gewesen. Sehr schlimm habe es damals ausgesehen, es hätte viel Phantasie gebraucht, sich das heutige schöne Potsdam vorzustellen. Aber er sah auch die Arbeit, die es hier zu tun gab. „Der Bedarf an Klärung und Beratung war sehr hoch“, so Deppen.

Viele Entlassungen und offene Vermögensfragen

Zwischen dem Bundesland Nordrhein-Westfalen und dem neuen Brandenburg entstanden damals Initiativen zur institutionellen Aufbauhilfe. Auch Rechtsanwälte waren gefragt. „Während es damals in Westdeutschland etwa 100.D000 zugelassene Anwälte gab, waren es im damaligen Bezirk Potsdam knapp 40 DDR-Anwälte, die sich mit dem BGB nicht auskannten“, erinnert sich Rechtsanwalt Thorsten Purps, der seit 1992 zur festen Mannschaft der Kanzlei gehört. In jenen ersten Jahren war das heutige Justizsystem noch im Aufbau. Auch gab es, trotz Wiedervereinigung, für West-Kollegen noch Zulassungsbeschränkungen.

Trotz mancher Hürden und Probleme: Arbeit war da und musste getan werden. „Arbeitsrecht war ein Riesenthema, es gab viele Entlassungen“, sagt Purps. „Ein weiteres Thema waren die vielen offenen Vermögensfragen, gerade in der Region um Berlin herum.“ Bis heute ist das Thema aktuell, Purps gilt mittlerweile als Spezialist, wenn es um Fälle von Rückübertragung und die Bodenreform geht. Auch Bankenrecht war wichtig, aus DDR-Banken wurden nach Umgründungen neue Filialen, die Bankmitarbeiter brauchten Beratung. „Häufig ging es in den 90ern zudem um Mietrecht und Versicherungsrecht, beispielsweise, wenn Leuten Verträge aufgeschwatzt wurden.“

Probleme mit dem Telefonanschluss

Die Kanzlei kam 1990 zunächst in der Friedrich-Ebert-Straße unter, Deppen richtete sich ein kleines Zimmer in der Bürogemeinschaft der Ostkollegen ein. Die Potsdamer Anwälte freuten sich über den Austausch – und die Technik, die Deppen mitbrachte. Computer zum Schreiben und zur Datenspeicherung. Mit dem Telefon war das schwieriger, dafür musste erst eine bestimmte Anschlussdose aus West-Berlin beschafft werden. Also fuhr Deppen täglich zum Telefonieren über die Grenze, die nächste gelbe Zelle stand gleich hinter der Glienicker Brücke. Die kennt auch Purps noch: „Man balancierte seinen Schreibblock auf den Knien, während man seine Telefonliste abarbeite.“

Die Kanzlei bezieht 1993 endlich eigene Räume in der Hebbelstraße und später in der Hegelallee. Seit 2018 sitzt sie in der Birkenstraße am Neuen Garten. Mittlerweile sind es 14 Rechtanwälte und insgesamt 50 Mitarbeiter, inklusive Azubis.

Der "ostige Osten" war nichts für die Familie

Deppen, der 1990 noch vor der Wiedervereinigung kam, blieb ein Jahr, eine Zeit lang pendelte er noch als Berater. Seiner Familie mit zwei Schulkindern wollte er einen Umzug in den damals noch sehr ostigen Osten nicht zumuten, sagt er. Dennoch hat er diese Zeit in guter Erinnerung. Dazu gehören auch Freundschaften. Kollege Eberhard Bremer lud ihn 1990 bald zu sich nach Hause in Kleinmachnow ein. Deppen beriet ihn beim ersten Westauto-Kauf. Auch den 3. Oktober, den Tag Null der Wiedervereinigung, feierten sie zusammen mit ihren Familien. Nach dem Anstoßen mit Rotkäppchensekt fuhren sie nach Berlin und stürzen sich in den Trubel Unter den Linden. „Es war eine unglaubliche Atmosphäre“, sagt Deppen. „Ein toller Tag – und ich war dabei.“

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