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Zum 150. Todestag von Peter Joseph Lenné: Hofgärtner? Nein danke!

Vor 150 Jahren starb der Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné. Er war nicht nur ein genialer Künstler, sondern arbeitete auch erfolgreich an seinem eigenen Mythos, wie ein neues Buch zeigt.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Schlechter könnte das Bild, das Karoline Schulze vom preußischen Gartendirektor Peter Joseph Lenné zeichnete, kaum sein. Er sei „selbstsüchtig, intrigierend, ehrgeizig, ruhmsüchtig, sich selbst überhebend und überschätzend, vor allen Dingen aber auf Vortheil und Gewinn speculirend“, schrieb sie in ihren Aufzeichnungen. Auch wenn Karoline Schulze sicher nicht ganz unvoreingenommen war – sie hatte einst auf eine Heirat mit Lenné gehofft und war verschmäht worden –, ist wohl doch ein Fünkchen Wahrheit in ihren Worten. Das glaubt zumindest der Potsdamer Gartenarchitekt und Historiker Clemens Alexander Wimmer. Anlässlich des Todestages von Lenné, der sich in diesem Jahr zum 150. Mal jährt, hat er ein Buch über den Gartenkünstler, der sicherlich zu den bedeutendsten seiner Zunft gehört, geschrieben. Und erstmals auch die Kritiker Lennés zu Wort kommen lassen, wie er sagt.

Wimmer ist selbst Gartenarchitekt und hat sich seit seinem Studium in Berlin immer wieder mit dem Erbe Lennés beschäftigt: Er erarbeitete Beiträge zur Gartendenkmalpflege für Charlottenburg, Bellevue, Königs Wusterhausen oder zuletzt 2014 für Sanssouci und Charlottenhof. Auch an der großen Ausstellung im Jahr 1989 in Charlottenburg anlässlich des 200. Geburtstages Lennés wirkte der heute 56-Jährige mit. „Damals ist mir aufgefallen, dass einige Informationen, die über Lenné im Umlauf sind, nicht stimmen.“

Lenné sparte nicht mit Eigenlob

Ursprung dafür ist aus Wimmers Sicht die Tatsache, dass Lenné über sich selbst Artikel in der dritten Person verfasste und nicht mit Eigenlob sparte – vor allem in der Zeit vor seinem Eintreffen in Potsdam. „Diese Texte wurden dann vielfach verwendet, ohne dass jemand fragte, wie es wirklich gewesen sein könnte.“

Wimmer hingegen nahm sich auch andere Quellen wie die Schriften von Karoline Schulze vor. Sie war die Tochter von Lennés Vorgänger im Amt des Gartendirektors und hat eine 600 Seiten starke, handgeschriebene „Geschichte der Verwaltung der Königlichen Gärten“ verfasst – in der sie nicht mit Kritik an Lenné spart. Teilweise übertreibt sie wohl, glaubt auch Wimmer. Man kann aber davon ausgehen, dass sie als langjährige Nachbarin Lennés vieles mitbekommen hat. Außerdem studierte Wimmer die Briefe von Lennés Vater, einem ehrgeiziger Hofgärtner aus Bonn. „Leider sind nur wenige eigene Briefe Lennés erhalten und auch die des Vaters nur bis zum Jahr 1817“, so Wimmer. Aufschlussreich war die Lektüre trotzdem.

Lenné hat sein Künstlermythos geschaffen

So rät Peter Joseph Lenné seinem gleichnamigen Sohn schon kurz nach dessen Ankunft in Potsdam 1816: „Es ist jetzt der Zeitpunkt Dich hervorzuthuen. (...) Lasse also keine Gelegenheit fahren, Dir ein ansehligen festen Fuß zu machen.“ Knapp 27 Jahre alt ist der Sohn damals, ein selbstbewusster junger Mann mit großen Ambitionen. Schon als er am preußischen Hof als Gehilfe anfängt, bezeichnet er sich selbst als Gartenkünstler. Später führt er diese im 18. Jahrhundert entstandene Bezeichnung als offiziellen Berufsabschluss ein. Damit passt er in die Zeit: Schließlich war das Künstlertum in der Romantik geradezu „in“. „Lenné griff das gern auf und hat seinen eigenen Künstlermythos geschaffen“, meint Wimmer.

Der Worte des Vaters eingedenk und ungeachtet seiner damals noch niedrigen Position in der strengen Hierarchie der Gartenverwaltung legt Lenné schon nach wenigen Monaten in Potsdam dem König einen Plan für die Umgestaltung von Park Sanssouci vor, der es in sich hat. „Lenné wollte alle alten Strukturen abschaffen“, sagt Wimmer. „Außer den Terrassen unterhalb des Schlosses sollten fast alle barocken Elemente verschwinden, Sanssouci sollte ein reiner Landschaftsgarten werden.“

Doch obwohl Lenné mit seinem Vorstoß scheitert und den Park später deutlich moderater umgestalten wird, tut dies seinem Ansehen in Potsdam keinen Abbruch. Schnell spricht sich herum, dass er der einzige Gärtner in Potsdam ist, der nicht nur planen, sondern auch hervorragend zeichnen kann. „Und er hatte ein sehr gutes räumliches Vorstellungsvermögen“, ergänzt Wimmer.

In jungen Jahren schon erfolgreich

Sein damaliger Vorgesetzter, der Gartendirektor Johann Gottlob Schulze, ist zunächst ebenfalls begeistert von Lenné. Er fördert den jungen Bonner und hat offenbar vor, ihn zu seinem Nachfolger aufzubauen. So kommt es auch, dass Lenné eine Karrierestufe überspringt. Drei vakant gewordene Hofgärtnerstellen werden ihm 1817 nacheinander angeboten, doch er lehnt eine nach der anderen ab. Stattdessen erhebt ihn Schulze im Januar 1818 zum „Garteningenieur und Mitglied der Gartendirektion“ – ein Posten, der bis dahin gar nicht existierte. Mit nur 27 Jahren war Lenné somit weisungsbefugt gegenüber allen Hofgärtnern und durfte eine Wohnung gegenüber von Schulzes Direktorenhaus im Park Sanssouci beziehen. „In dem Alter ein großer Erfolg“, so Wimmer.

Doch in den kommenden Jahren scheint das anfangs gute Verhältnis zwischen Lenné und Schulze sich zu verschlechtern. 1828 wird Schulze mit 74 Jahren als Gartendirektor pensioniert, ohne dass er seinen Ruhestand beantragt hätte – er interpretiert das als unehrenhafte Entlassung. Nutznießer des Vorgangs ist: Lenné. Er beerbt Schulze und wird Gartendirektor, mit nur 39 Jahren hat er damit die höchste Machtposition erreicht, die es für einen Gärtner in Preußen gibt.

Als Lenné dann im Jahr darauf auch noch die neun Jahre jüngere Friederike Voß, die älteste Tochter eines Hofgärtners, heiratet, ist das Verhältnis zu Schulze endgültig zerrüttet. Dieser hatte einst die Tochter seines Vorgängers zur Frau genommen und sich dasselbe auch für seine Tochter gewünscht.

Ausblick auf Schloss Sanssouci

Lenné hingegen zieht mit Friederike, die für ihren rheinländischen Bräutigam zum Katholizismus konvertieren musste, ins Direktionsgebäude. Dort genießt das kinderlose Paar den Ausblick auf Schloss Sanssouci und den Luxus eines Dieners, einer Köchin und mehrerer Hausmädchen.

Auch finanziell sind die Lennés äußerst gut gestellt, wie neue Recherchen von Wimmer ergeben haben. So verdiente Lenné als Direktor mit 1800 Talern im Jahr (das entspricht nach heutigen Verhältnissen etwa 79 000 Euro) deutlich mehr als alle anderen in der Gartenverwaltung – das höchste Hofgärtnergehalt lag zum Beispiel bei 700 Talern. Außerdem ließ er sich Provisionen für jeden Baum bezahlen, der aus der von ihm selbst gegründeten Landesbaumschule bezogen wurde. Zumal er ja selbst häufig darüber bestimmte, wo Bäume gepflanzt wurden, war dies ein äußerst lukrativer Nebenverdienst. Zudem investierte Lenné in großem Stil in Aktien für den Eisenbahnbau. „Laut seinem Testament war er am Ende seines Lebens nach heutigen Maßstäben Multimillionär“, sagt Wimmer.

Tatsächlich kann sich Lenné als Gartendirektor vor Aufträgen kaum retten. Die Liste der Gärten in Berlin und Brandenburg, für die er verantwortlich ist, wird immer länger. Doch je höher er in der Karriereleiter nach oben klettert, desto mehr delegiert er die eigentlichen Arbeiten an seine Schüler. Sie gestalteten die Gärten in seinem Sinne, Lenné setzt oft nur noch die Unterschrift unter die Pläne. Ein Rückschlag muss die Gestaltung von Park Babelsberg gewesen sein: Ab 1833 wird die damals überwiegend baumlose Fläche von ihm gestaltet, doch ein heißer Sommer lässt einen Großteil seiner Pflanzungen vetrocknen. Außerdem überwirft er sich mit den Auftraggebern, sodass schließlich sein Konkurrent Fürst Hermann von Pückler-Muskau den Auftrag bekommt. Dieser lästerte daraufhin, Lenné habe fast alles falsch gemacht und sei ohnehin nicht auf dem neuesten Stand der Dinge. Laut Wimmer wusste Pückler-Muskau zu jenem Zeitpunkt womöglich tatsächlich besser als Lenné, was „en vogue“ war – zum Beispiel wieder mehr geometrische Formen und Blumenschmuck.

Produktivste Zeit unter Friedrich Wilhelm IV.

Lennés produktivste Zeit beginnt mit der Thronbesteigung von Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1840. Der König begeistert sich für Gartenkunst und die sogenannte Landesverschönerung. „Das war ein großes Glück für Lenné, jetzt konnte er vieles umsetzen“, so Wimmer. Die Landschaftsgestaltung konzentriert sich jetzt nicht mehr nur auf Schlossgärten, auch die Felder sollten nun mit Gehölzen und „angenehmer Wegeführung“ aufgewertet werden. So entstanden zum Beispiel in Potsdam die Bornstedter und die Bornimer Feldflur.

Als Friedrich Wilhelm IV. 1861 stirbt und von Wilhelm I. abgelöst wird, versiegten auch die großen Aufträge für Lenné und seine Gartenverwaltung. Er bringt noch den Orangeriegarten am Nordrand des Park Sanssouci zu Ende, dann folgen hauptsächlich noch Aufträge außerhalb Preußens.

Am 23. Januar 1866, heute vor 150 Jahren, stirbt Lenné in Potsdam „in Folge eines Unterleibsleidens nach zweimonatlichem Krankenlager“, wie es auf dem Totenzettel heißt. Kurz darauf, am 15. Februar 1866, sollte eigentlich sein Dienstjubiläum gefeiert werden, seine Freunde und Schüler haben bereits einen mit Gold überzogenen Lorbeerkranz für ihn anfertigen lassen. Auf jedem der 50 Blätter ist der Name eines von Lenné gestalteten Gartens eingraviert. Der Ehrenkranz wird nun dem Sarg vorangetragen.

50 Blätter für 50 Dienstjahre

Waren es also 50 Gärten, die Lenné gestaltet hat? „Wie viele Anlagen Lenné geschaffen hat, ist schwer zu sagen“, sagt Wimmer. Es gebe keine Skizzen oder Entwürfe, die darauf schließen ließen, dass Lenné auch in späteren Jahren noch eigenhändig Pläne entwarf. Außerdem wurde nach seinem Tod vieles von anderen überarbeitet. „Der Lorbeerkranz sollte nicht zu sehr für bare Münze genommen werden“, meint Wimmer. Die 50 Blätter stünden für 50 Dienstjahre, die 50 Ortsnamen seien vielmehr als Hinweis auf Lennés breit gestreutes Wirken zu deuten. „Eine exakte Aufzählung seiner Werke ist es nicht.“

Dass Lenné Großes geleistet hat, ist dennoch unumstritten. Vieles in Potsdam und Umgebung, was er ersonnen oder zumindest angestoßen hat, gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und zieht Touristen aus aller Welt an. Aber eines ist nach der Lektüre von Wimmers neuem Buch eben auch klar: Klappern gehört zum Geschäft. Und Lenné wusste das.

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