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Zukunft der Villa Schlieffen am Pfingstberg: Ruine in Warteposition

Aufgrund des Zaunstreits liegen die Sanierungspläne für die Villa Schlieffen auf Eis, während das historische Haus langsam zerfällt. Ein Besuch mit Baudenkmalpfleger Roland Schulze.

Potsdam - Eine Villa ist das Häuschen wirklich nicht. Eher ein Bungalow. Fast moderne Züge trägt der Mitte des 19. Jahrhunderts errichte Bau des unbekannten Bauherren – ein schnörkelloses Rechteck als Grundriss für Beletage, mit Keller und energieeffizientem, flachem Satteldach, unter welchem sich ein sparsam mit Fenstern versehenes Obergeschoss befindet. Einziges Ornament ist die übergiebelte Portikusveranda mit zwei gedrehten Ziersäulen, die sogar noch erhalten sind. Alles andere ist eher schlicht gehalten – und in einem schlimmen Zustand.

Seit etwa 15 Jahren trotzt die Villa Schlieffen hinter weißen Bauplanen wie ein verhülltes Christokunstwerk Wetter und Naturgewalten. „Eigentlich ist es schon zu spät“, sagt Roland Schulze. Der Inhaber der gleichnamigen Firma Baudenkmalpflege hat die Schlüssel zu dem Objekt, das er gern und vor allem schnell restaurieren möchte. Entweder im Auftrag der Schlösserstiftung, sollte dieser ausgeschrieben werden, oder im Auftrag von Mathias Döpfner.

Axel-Springer-Chef will die Villa retten

Der Medienunternehmer, Chef des Axel-Springer-Verlags, könnte sich gut vorstellen, die Schlieffen-Villa auf eigene Kosten zu retten. Eine Million Euro würde das kosten – Geld, das die Stiftung zurzeit nicht auf der hohen Kante hat. Sie würde sich freuen, wenn es aus privater Hand geleistet würde – ein Verfahren, mit dem auch die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke vor dem Abriss gerettet wurde. Döpfner ließ sanieren und machte ein Museum daraus. Der Verleger aus Potsdam würde auch die Villa Schlieffen, Eigentum der Stiftung, anschließend einer öffentlichen Nutzung zuführen, eine Kunstgalerie wäre denkbar.

Derzeit rührt sich allerdings nichts in der Großen Weinmeisterstraße 44. Nur im Park, die Anhöhe hinauf Richtung Villa Henckel, werden die urwüchsigen Bäume, efeuumrankte Eichen, ausgeästet. „Der letzte Sturm hat zwei Bäume umgerissen“, sagt Roland Schulze. Auch das ist ein Grund für den Bauzaun, der seit Monaten steht und über den sich manche Anwohner ärgern. Das verwilderte Gelände sei alles andere als sicherer Spaziergrund, so Schulze. Der Zaun aber ist auch nötig, um Besucher von dem ruinösen Häuschen fernzuhalten. Lebensgefährlich sei es da drinnen, sagen auch externe Gutachter. „Ein falscher Schritt und sie schmieren ab“, warnt Schulze nachdrücklich. Selbst die Restauratorin, die sich hier umsah, musste Schulze nach einem Sturz auffangen. „Die Stiftung hatte Glück, dass bisher nichts passiert ist.“

Wenn nichts passiert, kann man das Haus nur noch abreißen

Doch der Zaunstreit zwischen Stiftung und Anwohnern, die sich ausgegrenzt fühlen, verzögert nun alles, das ganze Projekt steht auf der Kippe. „Wir könnten schon fast fertig sein“, sagt der Bau-Experte. Wenn nicht bald etwas passiert, könne man aber nur noch abreißen.

Dabei muss das kleine Häuschen einst wunderbar hierher gepasst haben – und würde es noch immer. Nach Villa Quandt und Lepsius-Villa plätschert sich das bürgerliche Bauen hier am Ende der Weinmeisterstraße mit dem letzten Häuschen fast bescheiden aus. Sympathisches Understatement auch im Vergleich zur wesentlich pompöseren und architektonisch etwas hermachenden Villa Henckel, die jetzt im Februar durch die Bäume hindurch gut auszumachen ist.

Durch viele Stellen kann man unbeabsichtigt durchschauen

Um den Charme der Villa Schlieffen zu entdecken braucht es momentan Fantasie. Die Fenster sind vermauert, Baugerüst und provisorisches Wellblechdach umhüllen das komplette Haus. „Die Außenmauern, ein Teil des Dachstuhls und die Treppen könnte man wohl weitgehend erhalten“, sagt Roland Schulze. Innenwände und Decken sind komplett hinüber, an vielen Stellen kann man hindurchschauen, in den Keller, hinauf ins Dachgeschoss. „Wir sollten nicht alle Mann zu lange an einer Stelle stehen“, sagt Schulze und meint das sehr ernst. Der Hausschwamm ist überall, Schwellen und Türstöcke sind morsch, zerbröseln, wenn man mit der Schuhspitze vorsichtig anstößt.

Den Namen bekam die Villa von einem königlichen Landrat W. Graf Schlieffen, der hier 1903 einzog. Er erweiterte das Haus um einen Anbau mit zwei Zimmern und Freisitz im Dachgeschoss. Bis 1932 wohnten hier dann vier Gräfinnen von Schlieffen, an die sich sogar einige alteingesessene Nachbarn erinnern. Der Zerfall begann, als 1945 die Russen das Haus – wie die umliegenden Straßen der Nauener Vorstadt – für ihr KGB-Städtchen konfiszierten.

Der Anbau wurde abgerissen, darunter wurde ein Bunker mit Schießstand errichtet. Der schönste Raum gleich hinter dem Eingangsportal wurde Sportraum. Spuren davon sind noch sichtbar, blaugestrichenes Sportgerät ist in den Türrahmen eingeschraubt, Reck und Sprossenwand. Auf einer hölzernen Garderobenleiste stehen kyrillische Namen. Als Tapete wurde im Dachgeschoss die russische Tageszeitung Prawda verwendet.

Restaurierung könnte ein Jahr dauern - mindestens

Dennoch ist es genau das, was teilweise erhalten werden soll: der russische, also auch historische Charme. „Wir wollen hier nicht perfekt durchsanieren“, sagt Schulze. So viel wie bautechnisch möglich soll im Originalzustand bestehen bleiben, und auch die jüngste Geschichte gehört dazu.

Erster Sanierungsschritt wäre, alles abzustützen, was einsturzgefährdet ist, die akuten Gefahren zu beseitigen. „Dann muss der Schwamm raus“, sagt Schulze. Vorstellbar wäre die Anwendung des Heißluftverfahrens, bei dem das komplette Haus luftdicht abgeschlossen und beheizt wird, bis die Schädlinge abgetötet sind. Erst dann kann die eigentliche Restaurierungsarbeit beginnen – von unten nach oben. Vor allem das Portal soll wiederhergestellt, die teilweise noch vorhandene englische Schiefedeckung des Dachs erneuert werden. Mindestens ein Jahr könnte das dauern.

Döpfner möchte auch den Park wiederherstellen lassen, mit historischem Wegenetz und Bepflanzung, die die Villa Schlieffen einst räumlich etwas vom Rest des Park separierte. Derzeit scheint ein Baubeginn jedoch in weiter Ferne.

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