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Joe Riha hat als Kind die klassische Wiener Küche erlebt. Heute ist er selbst Koch – einer, der seinen Job ernst, aber nicht bierernst nimmt.

© Andreas Klaer

"Zigeunerköche" kochen in Potsdam: Gutes Tun mit Strauß und Schwein

Sie nennen sich „Zigeunerköche“ und setzen sich deutschlandweit für Kinder und Jugendliche ein. Jetzt hat der Koch Joe Riha in Potsdam ein Benefizdinner organisiert.

Potsdam - Es gibt ein Foto, erzählt Joe Riha, da steht er als kleiner Steppke, vielleicht drei Jahre alt, vor einem riesigen Kochtopf. Und rührt hingebungsvoll im Gulasch. Bis heute gehört „Gulasch in vielen Varianten“ zu seinen Lieblingsessen. So, wie es bei Mutter und Großmutter in Wien gekocht wurde. „Ich liebe die K & K Küche, Eintöpfe, Schnitzel, Braten, Palatschinken.“ Irgendwie sei immer klar gewesen, dass er Koch werden würde.

Heute ist Joe Riha 51 Jahre alt, lebt seit knapp zwei Jahren bei seiner neuen Familie in Potsdam, schreibt Kochbücher und arbeitet als Küchenchef im Babelsberger Filmhotel Lili Marleen. Jetzt hat er ein Benefizdinner organisiert: Am kommenden Samstag gibt es im Lili Marleen sechs Gänge für 66,66 Euro pro Person. Die kompletten Einnahmen kommen vier Potsdamer Einrichtungen zu Gute. „Wir haben noch ein paar Plätze frei“, sagt Riha, gern kann man sich auch kurzfristig dafür anmelden.

"Zigeunerköche" - Ein europaweites Netzwerk von 400 unkonventionellen Köchen

Ausnahmsweise wird er dabei nicht in seiner Küche stehen. Riha hat das Event organisiert und für den Job am Herd die „Zigeunerköche“ nach Potsdam geholt. Unter diesem Label – „Wir stehen kurz vor der Vereinsgründung“ – sind etwa 400 eher unkonventionelle Gastronomen aus ganz Europa vernetzt, arbeiten und treten gemeinsam auf, hauptsächlich bei Veranstaltungen mit einem gesellschaftlichen Anliegen. So findet am morgigen Freitag in Berlin ein Benefizkochen für die Stadtmission statt. Einige Köche kommen aus entfernten Ecken Deutschlands, und Riha dachte sich: Wenn die schon einmal hier sind, hänge ich gleich noch ein Kochevent in Potsdam dran.

„Mit Produkten aus der Region für Projekte in der Region“ heißt das Motto des Menüs – mit Räucherlachs, der aus der Havel stammt, Käse aus Töplitz, Strauß von Tieren einer Farm im Fläming. Das Wildschwein erlegte ein Jäger im Landkreis. Die Lebensmittel werden gesponsert, mit dabei ist auch die Fleischerei Joppe, der Großhändler Gemüseexpress aus Berlin, das Weingut Lindicke in Werder. Filmhotelchef Sven Hirschauer stellt das Restaurant und Personal zur Verfügung. Schirmherrin des Abends ist Torhüterin Anna Sarholz, Torhüterin der SVB-Frauenmannschaft.

Die Einnahmen werden aufgeteilt: Die Kita Nuthewinkel soll Geld zur Auffrischung ihres Spielplatzes bekommen, das Jugendhaus Oase auf Hermanswerder, das sich um Schulverweigerer und orientierungslose Jugendliche kümmert, bekommt Geld für eine neue Küche oder Obstbäume für den Garten. Die Tanzschule Rokkaz e.V., in der Kinder und Jugendliche Hip-Hop lernen, auftreten und an internationalen Wettbewerben teilnehmen, steht ebenfalls auf der Empfängerliste. „Die können immer Geld für neue Kostüme und ihre Auftritte gebrauchen“, sagt Riha. Auf Wunsch des Potsdamer Gastronomen Marcus Gude bekommt auch das Geburtshaus Apfelbaum eine Spende. Dort wurde im Sommer Gudes Töchterchen als 500. Baby geboren. Es gehört zu den Grundsätzen des Netzwerks, dass sie mit ihren Aktionen Kinder und Jugendarbeit unterstützen.

Rock´n´Roll und Kochen

Dass sie sich Zigeunerköche nennen, ist Joe Riha zu verdanken. Er hat den Namen ins Spiel gebracht, weil er selbst, so nennt er es, Zigeunerwurzeln hat. Das Wort „Zigeuner“, das heute in der Regel durch Sinti und Roma ersetzt wird, findet er überhaupt nicht problematisch. Im Gegenteil, sagt er. „Das Wort kommt aus dem Altpersischen, Cigan bedeutet Tänzer und Sänger. Das ist doch nichts Schlimmes. Die negative Bedeutung ist erst durch die Dummheit der Leute entstanden.“ Seine Mutter ist eine geborene Ratzer und gehörte zum Clan Ratzer und Stojka, zu dem auch renommierte Musiker wie der weltweit bekannte Jazzpianist Karl Ratzer gehören. Daheim in Wien blieb man eher unter sich, sagt Riha, man wohnte in eigenen Stadtvierteln. Die Großmutter kochte im Hotel Sacher und wurde sein Vorbild. Er hätte auch Musiker werden können, sagt er, jahrelang spielte er Schlagzeug, daher vielleicht seine Affinität zum etwas auffälligen Erscheinungsbild, Rock ’n’ Roll und Kochen, warum soll das nicht zusammen passen? Letztlich aber war ihm das Kochen dann doch lieber. Wichtig ist ihm dabei stets, mit Ressourcen verantwortlich umzugehen. „Aus Gemüseresten kann ich einen Fond kochen und für die Soße nehmen. Dann brauche ich nicht eimerweise dieses industrielle Pulverzeugs“, sagt er. Diese Sparsamkeit hat er noch von der Oma gelernt. „Nach dem Krieg gab es doch nichts, da wurde nichts weggeschmissen sondern alles verwendet.“ Heute greifen viele Köche leider oft zum bequemen Fertigprodukt, das findet er schade.

Im „Lili Marleen“ werden beim Benefizdinner am Samstag fünf Köche die Pfannen schwenken – aber natürlich kein sogenanntes Zigeunerschnitzel, sondern moderne Sterneküche zubereiten: gebackenen Ziegenkäse, Saltimbocca vom Strauß und Wildschweingulasch. Aus der Stadt Hann. Münden kommt Köchin Sabine Nolte, aus Frankfurt am Main Diana Thornagel, Ingo le Beau aus Altötting. Vinzenz Kert ist Küchenchef in Berlin, Heiko Feuerheerd Küchenchef im Matador in Potsdam. Außerdem wird es eine Verkostung der Räucherei Hennigsdorf geben.

Das Benefizdinner mit den Zigeunerköchen am Samstag, dem 6. Februar, im Filmhotel „Lili Marleen“, Großbeerenstraße 75, beginnt um 18.30 Uhr. Anmeldung unter Tel.: (0331) 743200 und 0152/06492095. Pro Person kostet das sechs-Gänge-Menu 66,66 Euro, inklusive Wein 77,77 Euro.

Hier gibt es mehr Infos über die "Zigeunerköche" >>

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