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Mehr als 150 Jahre alt ist die Fabrikhalle der Jutespinnerei. Nach Sanierung und Anbau soll sie das Zentrum eines neuen Wohnquartiers in Zentrum Ost werden.

© S. Gabsch

Zentrum Ost in Potsdam wächst: Neues Leben zieht in die alte Jutespinnerei

Für elf Millionen Euro wurde die alte Jutespinnerei saniert. Der Umbau ist so gut wie abgeschlossen - und die ersten Mieter werden in die neuen Wohnungen bald einziehen.

Potsdam - Ein bisschen sieht sie aus wie eine Burg. Von der Friedrich-List-Straße oder durch die Fenster der S-Bahn sieht man Mauerwerk, zwei Türme rechts und links sowie ein Sims mit Zinnen. Doch Ritter hausten hier nie. Stattdessen wurde schwer gearbeitet. Mehr als 150 Jahre hat die alte Jutespinnerei an der Nuthe in Zentrum Ost schon auf dem Buckel. Doch bald soll neues Leben in das denkmalgeschützte Gebäude einziehen.

Die Sanierung und der Umbau der alten Industriehalle, einst Deutschlands zweitgrößte Jutespinnerei, ist so gut wie abgeschlossen. In ein paar der 29 hochwertigen Wohnungen mit Größen zwischen 67 und 125 Quadratmetern werden derzeit noch die Wände weiß gestrichen. Um das Gebäude herum verlegen Bauarbeiter das Pflaster für die Parkplätze und die Feuerwehrzufahrt. Ab Mai sollen die Wohnungen vermietet werden.

Alle Wohnungen in der Jutespinnerei verkauft

Zentrum Ost bekommt ein neues Schmuckkästchen. Projektentwickler Alexander Gottschald ist beim Baustellenrundgang bester Laune. Kein Wunder: „Alle Wohnungen sind verkauft“, sagt er. Dabei sei der Umbau des betagten Gemäuers durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe gewesen, die auch die eine oder andere Überraschung parat hatte. Zum Beispiel stellte sich heraus, dass ein kleiner Anbau an der Westseite – im 19. Jahrhundert als Toilette für die Fabrikarbeiter errichtet – gar kein Fundament besaß. Auch die historische Zwischendecke der zweigeschossigen Fabrikhalle war nicht verwendbar. „Die hatte sich über Jahrzehnte mit dem Maschinenöl für die Webstühle vollgesaugt.“

Statt ölgetränkter Zwischendecke gibt es nun Eichenholzparkett, Maisonettewohnungen statt Produktionshallen und Turmzimmer mit Rundumblick statt alter Treppenhäuser. Alle Wohnungen verfügen über zwei Bäder. Ein Stellplatz direkt hinter dem Haus gehört zu jeder Wohnung dazu. Fast alle haben einen Ausblick gen Süden zum grünen Ufer der Nuthe – Freunde der Eisenbahnromantik können auch den Blick auf das Gleisvorfeld des Potsdamer Hauptbahnhofs genießen.

Das hat seinen Preis. Für 4500 Euro pro Quadratmeter seien die Wohnungen verkauft worden. Dabei dürfte auch hilfreich gewesen sein, dass Käufer die Kosten wegen der Denkmalsanierung von der Steuer absetzen können.

Das Gebäude stand nach Wende lange leer und verfiel

Der Standort hat eine lange Geschichte: 1862 gründeten die Gebrüder Julius und L. Robert Arntz sowie Carl Mathias und Carl Otto Busch am Ufer der Nuthe Potsdams erste Industrie-Spinnerei. Ein Jahr später wurde die Fabrikhalle errichtet. Damals legte man Wert auf repräsentative Gestaltung und verzierte den Industriebau mit Türmchen und Zinnen. In den Jahrzehnten danach entstanden weitere Bauten wie ein Maschinenhaus, Lager- und Aufenthaltsräume für die Arbeiter. „In der DDR wurde das Gebäude als Lager für Waren des täglichen Bedarfs genutzt“, erzählt Gottschald. Nach der Wiedervereinigung stand das Gelände jahrelang leer und verfiel. 2006 wurden alle Gebäude bis auf die Fabrikhalle abgerissen.

Im Jahr 2013 hatte dann die Jutenspinnerei Potsdam, Vermögensverwaltungs GmbH das Grundstück vom Treuhandnachfolger TLG Immobilien übernommen. Die umgebenden Flächen gingen an die Wohnen an der Nuthe Vermögensverwaltungs GmbH. Hinter beiden Gesellschaften steht dieselbe Investorengruppe um die Magdeburger Getec-Gruppe.

Elf Millionen Euro für Sanierung der Jutespinnerei

Die Investoren mussten bei der Sanierung nicht nur die Vorgaben des Denkmalschutzes beachten, sondern stellten sich mit ihren Plänen im Jahr 2014 auch dem Urteil des Potsdamer Gestaltungsrats. Dort kam die Sanierung gut an. An der Neubebauung der Umgebung hatte das Expertengremium hingegen etwas Korrekturbedarf ausgemacht. Im vergangenen Jahr ging es dann los. Elf Millionen Euro wurden in die Sanierung der Jutespinnerei investiert.

Um die Maisonettewohnungen im Bestandsgebäude unterzubringen, haben sich die Architekten einen Kniff einfallen lassen: Auf der unteren Ebene hat jede Wohnung ihren eigenen ebenerdigen Zugang auf der Nordseite. Auf der Südseite verfügt jede über eine Terrasse, die einer früheren Anlieferrampe nachempfunden ist. Im Inneren geht es zu den Schlafräumen jeweils aufwärts über eine Treppe. Die obere Ebene wird über ein innenliegendes Treppenhaus im Anbau und einen Laubengang erreicht. Die Wohnungstüren befinden sich auf der Nordseite des mit einer anthrazitfarbenen Aluminiumfassade verkleideten Staffelgeschosses, das dem Altbau aufgesetzt wurde.

Keine Keller - wegen des hohen Grundwasserspiegels der Nuthe

Die größeren Wohnungen mit drei bis fünf Zimmern befinden sich in einem Anbau an der Ostseite. Sie zeichnen sich durch großzügig geschnittene Räume, hohe Decken und umlaufende Balkons aus. Die hohen Fenster sind mit Stahlrahmen versehen. Bei der Innenausstattung will man auf die Wünsche der künftigen Mieter eingehen, hieß es. Im Anbau haben im Erdgeschoss auch Abstellräume Platz gefunden. Die Jutespinnerei hat nämlich keinen Keller. Wegen des hohen Grundwasserspiegels am Ufer der Nuthe hat man darauf verzichtet, als die Fabrikhalle errichtet wurde. „Da hätte man sonst nasse Füße bekommen“, sagt Gottschald.

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