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Beim Musikcamp traten deutsche und ukrainische Jugendliche gemeinsam auf.

© Andreas Klaer

Zentrum für Popularmusik Potsdam: Gemeinsam die Bühne rocken

Crashkurs für junge Nachwuchsmusiker: Beim Musikcamp im Lindenpark nahmen auch zehn ukrainische Jugendliche teil.

Babelsberg - Der Konzertsaal des Lindenparks wird dunkel: Die Bühne ist in blaues Licht getaucht, helle Scheinwerfer senken sich auf die acht Jugendlichen, die an Gitarre, Schlagzeug, Keyboard und Mikrofon auf ihren Einsatz warten. Die jüngste ist sieben Jahre alt, sie sitzt vor einem kleinen Synthesizer. „First things first / I’m saying all the words inside my head“, singen die zwei ukrainischen Mädchen in die Mikros, als der Drumbeat des Imagine Dragons-Songs „Believer“ einsetzt. Es ist nur eine Probe, noch klingt manches etwas schräg – allerdings haben einige der Jugendlichen vor drei Tagen das erste Mal in ihrem Leben ein Instrument in die Hand genommen.

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„Ich bin ganz zufrieden bisher“, sagt der 14-jährige Miro, der an einem der zwei Schlagzeuge sitzt. Auch er kommt aus der Ukraine, er gehört zu den insgesamt 26 Kindern und Jugendlichen, die in der vergangenen Woche vier Tage lang das Musikcamp des Zentrums für Popularmusik Brandenburg (ZPOP) besucht haben. Von Montag bis Donnerstag konnten die Teilnehmer:innen zwischen sieben und 14 Jahren in mehreren Workshop verschiedene Instrumente wie Gitarre, Schlagzeug, Keyboards kennenlernen, bekamen einen Crashkurs im Singen und lernten digitale Instrumente kennen. Danach fanden sie sich in vier Gruppen zusammen und arbeiteten an einem gemeinsamen Song, der am Donnerstag final vor Eltern und Freund:innen auf die Bühne gebracht wurde.

Ukrainische Jugendliche können kostenlos teilnehmen

„Mir hat der Keyboard-Workshop besonders viel Spaß gemacht, und ich fand die digitalen Instrumente sehr interessant“, sagt Miro. Er selbst spiele seit einigen Jahren Schlagzeug und mache auch Beatboxing, ein paar Sachen habe er schon bei Youtube hochgeladen. „Die Coaches konnten mir einige neue Dinge zeigen, zum Beispiel wie man auf dem Schlagzeug improvisiert“, sagt Miro. Er habe kein Problem damit, mit den anderen Musik zu machen, auch wenn einige von ihnen zuvor noch nie ein Instrument gespielt hatten.

Insgesamt nehmen zehn ukrainische Kinder und Jugendliche beim Musikcamp teil, das diesmal unter dem Motto „Stand with Ukraine“ steht. „Ursprünglich hatten wir etwas anderes geplant, nämlich ein Producing-Camp“, sagt ZPOP-Leiter Thomas Oestereich. Doch dann kam der Krieg und der Träger des ZPOP, die Stiftung SPI entschied sich anders. „Wir haben alles nochmal umgeschmissen und unser normales Basic-Musikcamp gemacht, das diesmal kostenlos für ukrainische Jugendliche ist“, so Oestereich. Zwei Übersetzer:innen helfen den fünf Coaches, die die Teilnehmer:innen die ganzen vier Tage lang begleiten.

Losrocken ohne Vorkenntnisse

Die Musikcamps im Lindenpark gibt es bereits seit zwölf Jahren. Jährlich finden rund ein Dutzend Camps mit verschiedenen Schwerpunkten statt, etwa das Rock-Camp, das Musical-Camp oder ein Drum- und Percussion-Camp. „Die grundlegende Idee ist, Kinder und Jugendliche zusammenzubringen, damit sie Musik machen und mit Instrumenten in Berührung kommen, die sie nicht kennen“, sagt Oestereich. Vorwissen brauche man dazu nicht, nur Lust am Musikmachen. „Das Ganze läuft komplett freiwillig, ohne dass ein großes Ziel am Ende steht“, sagt Oestereich. Die Teilnehmer:innen entscheiden selbst, was sie spielen möchten, ob sie einen Song covern oder selbst etwas schreiben möchten, und ob sie das Gelernte am Schluss auf der Bühne präsentieren möchten. „Aber meistens wollen das alle“, so Oestereich.

Während die etwas älteren Jugendlichen weiter an „Believer“ arbeiten, haben sich vier der jüngsten Teilnehmer:innen in ein kleines Studio zurückgezogen. „And in my mind, in my head / This is where we all came from“, singt der achtjährige Vico in sein Mikro, während der siebenjährige Titus ein elektronisches Drumpad mit Drumsticks bearbeitet. Auch zwei ukrainische Kinder sind mit dabei: Der achtjährige Roman und die siebenjährige Anja sitzen jeweils an einem Keyboard und üben die Melodie des Songs „In my mind“ von Gigi D'Agostino. Auch hier sitzt noch nicht jeder Ton, aber alle haben sichtlich Spaß an ihren Instrumenten.

Bandname: "Die vier Brezeln"

„Erst wollte ich Gitarre spielen und dazu singen, aber ich fand Gitarrespielen alleine schon schwer, deshalb singe ich jetzt nur“, sagt Vico. Er singe zu Hause oft Songs mit und spiele auch Schlagzeug. Ihm haben die anderen Instrumente auch sehr gefallen, die er in den letzten drei Tagen ausprobieren durfte. „Ich kannte das digitale Klavier nicht, ich dachte gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt“, sagt Vico. Auch Roman ist begeistert, nicht nur vom Musikcamp, sondern auch vom Lindenpark mit seinem großen Spielplatz und Skatepark. „Hier ist es wie in einem Fünf-Sterne-Hotel“, sagt er. Er freue sich darauf, später auf der Bühne aufzutreten, Lampenfieber habe er nicht. Auch einen Bandnamen haben sich die vier schon überlegt: „Die vier Brezeln“.

„Gerade bei den Kleinen geht es sehr schnell mit dem Musikmachen“, sagt Thomas Oestereich. Sprachbarrieren störten hier kaum, denn Musik sei nun mal eine Sprache, die alle verstünden. „Am dritten Tag hatten eigentlich alle Verbindungen miteinander aufgebaut und zusammengespielt“, so Oestereich. Auch die ukrainischen Jugendlichen konnten durch das Projekt neue Menschen kennenlernen, die ihre Muttersprache sprechen. „Ich habe einige neue Freunde hier kennengelernt“, sagt Miro.

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