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Gegen das Vergessen. Zeitzeuge Armin Lufer schaut sich mit Schülern in der Aula des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder die Wanderausstellung an.

© A. Klaer

Zeitzeugen in Potsdam: Mit 15 Jahren an die Front

1945 wurde Armin Lufer in Breslau eingezogen. Auf Hermannswerder berichtete er Schülern von seinen Erlebnissen.

Von Birte Förster

Potsdam - Wer heute in Deutschland 15 Jahre alt ist, geht gewöhnlich zur Schule, trifft in der Freizeit seine Freunde und kann seinen Hobbies nachgehen. Wer vor mehr als 70 Jahren, während des Zweiten Weltkrieges, 15 Jahre alt war, erlebte die Schrecken des Krieges und wurde als Soldat womöglich an die Front geschickt. So erging es auch Armin Lufer, dem eine unbeschwerte Jugendzeit genommen wurde. In den letzten Kriegsmonaten wurde er 1945 in seiner Heimatstadt Breslau von der Wehrmacht eingezogen. Als Zeitzeuge berichtete Lufer am Donnerstag Schülern des Evangelischen Gymnasiums in Hermannswerder von seinen Erlebnissen während des Krieges.

Während der Kauf von Alkohol und Zigaretten mit 15 verboten gewesen sei, seien er und zahlreiche Gleichaltrige im Stadion von Breslau im Januar 1945 mit einer Waffe ausgestattet worden, erinnert er sich gestern. Es sei das erste Mal gewesen, dass er eine Waffe in der Hand gehalten habe, erzählte der fast 90-Jährige. Als Mitglied des Deutschen Jungvolkes, eine Jugendorganisation der Hitlerjugend (HJ), sei er im Geiste des Faschismus erzogen worden. „Hitler mit seiner Bewegung ist für Deutschland gut“, habe er als Kind zunächst geglaubt, erinnert sich Lufer heute. 1944 musste er als Jugendlicher an der polnischen Grenze Unterstände und Schützengräben bauen. Für eine kurze Unterbrechung konnte er Weihnachten zu seiner Familie zurückkehren. Dort erwartete ihn bereits der Brief der HJ-Kriegsführung, dass er sich zur Rekrutierung in das Breslauer Stadion einzufinden habe. Er und viele Gleichaltrige seien „Hitlers letzte Waffe“ gewesen, beschreibt er es.

Mit Erfrierungen wurde Lufer in ein Lazarett eingeliefert

Lufer wurde schließlich als Melder eingesetzt, erlebte den Zustrom tausender Flüchtlinge, die bei -20 Grad Celsius in der größtenteils zerstörten Stadt Breslau campierten, sah Kampfhandlungen mit tausenden zivilen Opfern und wurde Zeuge der standrechtlichen Erschießung des zweiten Bürgermeisters der Stadt. Das Ende des Krieges erlebte Lufer in einem zum Lazarett umfunktionierten Kloster, in das er mit Erfrierungen eingeliefert worden war. Schließlich kam er in ein Kriegsgefangenenlager, das er Ende 1945 verlassen konnte.

Heute sagt er den Jugendlichen in der vollgefüllten Aula des Gymnasiums: „Krieg muss nicht sein. Krieg ist kein Mittel, um Menschheitsfragen zu lösen.“ Genau das wolle er den heutigen Jugendlichen vermitteln, denen er an zahlreichen Schulen seine Geschichte erzähle. Er wolle nicht, dass Jugendliche zu Soldaten werden. Er sei gegen Soldaten und Militarismus, sagt er.

Die Schüler verfolgten Lufers Bericht mit Interesse. „Zeitzeugengespräche sind eine Chance, die unsere Generation noch hat“, sagte im Anschluss zum Beispiel die 17-jährige Helene Zinnecker. „Das, was man im Geschichtsbuch liest, wird lebendig“, sagte ihre Mitschülerin Frauke Koßmann. Die 17-Jährige fügte hinzu: „Das ist ein Thema, das nie ausdiskutiert ist.“

Bei einem Luftangriff auf Swinemünde starben bis zu 20000 Menschen

Im Rahmen des Zeitzeugengespräches wurde an der Schule auch die Wanderausstellung „Den Blick gegen das Vergessen gerichtet“, die bis zum 19. Oktober zu sehen ist, eröffnet. Die Ausstellung wandert seit zehn Jahren bundesweit durch verschiedene Schulen. Bei dem Projekt, das von dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem Verein Deutsche Gesellschaft initiiert wurde, beschäftigten sich Jugendliche aus Deutschland, Polen und Frankreich 2008 auf der Insel Usedom in Fotos und Gedichten mit dem Luftangriff auf Swinemünde im März 1945. Bis zu 20 000 Menschen, vor allem zivile Opfer, kamen dabei ums Leben. Die Schüler besuchten die Kriegsgräberstätte in Golm, um sich mit den Ereignissen auseinanderzusetzen.

„Wir wollen zeigen, dass das Thema Frieden immer wieder neu erarbeitet werden muss“, sagt Jan Roessel vom Verein Deutsche Gesellschaft. Und verweist in seiner Ansprache auf ein Zitat von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Wer an Europa zweifelt, der soll auf die Soldatenfriedhöfe gehen.“

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