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Rückenlage. Der enge Kontakt zwischen Eltern und Kindern ist Bestandteil des Konzeptes der neuen Familien-Yogakurse im FrauRaum. Ziel ist es weniger, die perfekte Übung abzuliefern, sondern Familien den gemeinsamen Spaß an der Bewegung zu vermitteln.

© Manfred Thomas

Yoga im Frauraum Potsdam: Mit den Füßen die Sterne berühren

Mit Klangschale und Sonnengruß: Ein neuer Yogakurs im FrauRaum soll Kinder und Eltern gemeinsam bewegen.

Potsdam - Sonntagsmorgens um halb zehn sind die Straßen in Potsdams Innenstadt nahezu menschenleer. Doch im FrauRaum in der Gutenbergstraße 12 plappern der fast fünfjährige Giovanni und seine zwei Jahre jüngere Schwester Marta schon munter durcheinander. Eigentlich sind sie mit ihren Eltern in den hellen, knapp 20 Quadratmeter großen Raum zum Kinder- und Familienyoga mit Julia Daase gekommen. Aber es dauert an diesem knackig kalten Vormittag noch ein Weilchen, bis ein weiterer Vater und seine zwei Töchter eintreffen.

Die Erwachsenen, die selbst Yoga praktizieren, nutzen das Angebot der 32-jährigen studierten Sozialarbeiterin und Kinderyogaübungsleiterin, um auch ihren Sprösslingen die Grundlagen der indischen Philosophie und Körperlehre spielerisch nahezubringen. Flavia findet es gut, dass ihre Kinder hier tief atmen und sich entspannen lernen. Aber erst einmal toben beide mit dem großen grünen Gymnastikball herum, schießen ihn wild durch die Gegend und legen sich bald auch hinterrücks darauf.

Doch dann stellt Julia Daase eine gelb-rote Tulpe und eine Klangschale in die Mitte des Teppichs und Giovanni und Marta ordnen bereitwillig sechs hellgrüne Yogamatten sternförmig drum herum an. Und Marta zeigt der Lehrerin gleich auch noch ihr neuestes Buch: Kinderyoga auf Italienisch. Denn das ist die Muttersprache der Kinder und Daase lernt nebenbei, was „Berg“ und „Katze“ auf Italienisch heißen.

Auch wenn Kinderyoga inzwischen in Potsdam ein Trend ist, merkt man im FrauRaum, dass es Julia Daase vor allem um das sensible Miteinander geht. Nach dem Warmmachen mit wilden Armschwüngen, gründlichem Schulterkreisen, hoch in den Himmel wachsen und lustigem Po-Wackeln bewegen sich alle zu einem Lied von Julianes „Wilder Bande“, die Konzerte für Eltern und ihre Kinder entwickelt, durch den Raum. „Gib mir die Hand und tanz mit mir“, singt Juliane und Daase nimmt auch die zwei Mädchen, die bislang noch auf der Matte lagen, an die Hand.

Und dann geht die Sonne auf! Und jeder, der die Yoga-Übung „Sonnengruß“ kennt, fühlt sich bei dem, was Erwachsene und Kinder jetzt mehrmals hintereinander ausführen, sofort daran erinnert. Natürlich geht es nicht darum, den zwei- bis achtjährigen Yogaschülern die zwölf Asanas technisch perfekt beizubringen. Die Kinder sollen jedoch im Laufe der Zeit lernen, ihren Bewegungen nach- und in sie hineinzuspüren, sagt Julia Daase. Immer wieder legen alle auch die Hände auf ihre Bäuche und atmen da tief hinein. „Mein Bauch ist wie ein Luftballon“, ruft Lena kurz darauf erfreut.

Solche Rückmeldungen sind erwünscht und auch die Übungen selbst werden immer in kindgerechte und vor allem bildhafte Sprache übersetzt. Und wenn alle in die Schlangenfigur gehen, dürfen die Kinder natürlich laut zischelnde Geräusche dazu machen. Bei den Erwachsenen hingegen schaut Daase technisch etwas genauer hin und korrigiert auch mal eine Haltung, vor allem, wenn sie, wie bei Flavia, deren Knie zu sehr belastet. Nachdem alle warm sind und die ersten Pullover oder (zu) dicken Strumpfhosen ausgezogen werden, fragt Julia Daase, was man eigentlich alles im Winterwald machen kann.

Doch bevor es in diesen hinausgeht, müssen sich alle erst mal wieder anziehen – in der Fantasie und bewegungstechnisch natürlich. Und so dauert es gar nicht lange, bis sie wohlig verpackt ihrer Lieblingsbeschäftigung – Schneemann bauen – mit viel Spaß nachgehen. Die Kinder werden zu kleinen, die Erwachsenen zu großen Kugeln gerollt, glatt gestrichen und zum Schluss übereinander gesetzt. Das genießen beide sichtlich und es gehört zu Daases Kinderyoga-Konzept.

Denn bei ihr haben Eltern und Kinder Gelegenheit, wirklich etwas gemeinsam zu machen. Spätestens nach der Rückbildungsgymnastik und dem Babyschwimmen besteht für gemeinsamen Sport oft keine Gelegenheit mehr. Das ist schade, findet Daase. Denn in ihren Kursen spiegeln Kinder die Eltern und umgekehrt.

Dieses Bewegungskonzept passt auch gut in den FrauRaum, der vom Potsdamer Verein „Frauenaspekte“ seit drei Jahren in der Innenstadt betrieben wird. Hier gibt es sowohl Seminare, Workshops und Infoveranstaltungen zu frauenspezifischen Themen – wie natürliche Geburt und Stillen – als auch Angebote für Familien. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem achtsamen Umgang mit sich selbst und anderen, wie Bettina Saar, eine der Vorstandsfrauen und in Potsdam Mitbegründerin des Unabhängigen Frauenverbands, sagt.

Die Eltern-Kind-Yogagruppe baut währenddessen einen Iglu und zündet ein prasselndes Feuer an. Darüber ist es Abend geworden und alle legen ihren Kopf auf eines der orangefarbenen, grünen, roten oder weißen Kissen. Jetzt schauen sie hinauf zu den leuchtenden Sternen und wollen diese mit ihren Füßen berühren. Was – wie könnte es anders sein – den Kindern viel leichter als den Eltern gelingt. Und während die Eltern die sich anschließende Entspannung sichtlich genießen, flattern ihre Kinder bereits wieder wie große fröhliche Vögel durch die Gegend.

Astrid Priebs-Tröger

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