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Wolfgang Joop nimmt Abschied: "Verstanden haben die Deutschen Karl Lagerfeld nicht"

Der Potsdamer Designer Wolfgang Joop würdigt die Verdienste und das Leben Karl Lagerfelds und klärt über die vielbeschriebene Feindschaft zwischen den beiden Modedesigern auf.

Potsdam - Karl Lagerfeld ist tot. Der Modezar ist am Dienstagmorgen gestorben, wie der Modekonzern Chanel mitteilte. Er wurde 85 Jahre alt - nach eigenen Angaben. Der Potsdamer Modedesigner Wolfgang Joop erinnert sich an einen "Übermenschen".

Herr Joop, was hätten Sie Karl Lagerfeld gern zum Abschied gesagt?

Ich hätte ihm gesagt: Mein Gott, Du nimmst die ganze Zeit mit Dir mit. Er war eine sehr große Persönlichkeit. Was mich immer bewegt hat, das war seine Selbstdisziplin, mit der er auch das, was der der normale Mensch als persönliches und privates Glück versteht, abgeblockt hat. Er hat sich ganz klar für dieses Business entschieden, in dem andere Dinge zählen.

Welche Dinge?

In Karl Lagerfeld kann sich jeder kreative Modedesigner sehen. Da gibt es diesen Aspekt der narzisstischen Verletzung. Wie er mit Menschen, die ihn begleitet haben, einerseits für immer treu, auf der anderen Seite so hart umgegangen ist.

Ist diese außergewöhnliche Härte gegen sich und andere nötig gewesen für den außergewöhnlichen Erfolg von Karl Lagerfeld?

Ja. Er war, wie Carine Roitfeld es sagte, dieser Übermensch, der es schaffte, aus eigener Disziplin dieses unfassbare Werk zu vollbringen. Das geht entweder nur mit viel Emotion, oder wenn man sie absolut im Griff hat.  Das Gegenbeispiel zu Karl Lagerfeld ist Yves Saint Laurent, der wirklich an gebrochenem Herzen und Drogen und Sehnsüchten zerbrach. Dieses Zerbrechen konnte man in der Welt der Fashion gut beobachten, gerade Karl Lagerfeld konnte es aus aller nächster Nähe.

Karl Lagerfeld (links) ist tot. Der Modedesigner starb am 19.02.2019. Potsdams Modedesigner Wolfgang Joop trauert.
Karl Lagerfeld (links) ist tot. Der Modedesigner starb am 19.02.2019. Potsdams Modedesigner Wolfgang Joop trauert.

© Christian Charisius/dpa | Ottmar Winter/ PNN

Doch er hatte seine Selbstdisziplin.

Ohne diese akute Selbstdisziplin wäre die Wiederholung seiner großen, großartigen Arbeit nicht möglich gewesen. Die Leute denken immer, oh, eine neue Kollektion, das hat sicher viel Spaß gemacht, schöne Mädchen, schöne Kleider … Nein, die Wiederholungen, dass sich alles international auch rechnen lässt, das ist schon ein Kunststück. Und es immer wieder zu vollbringen, unter dem Druck der heutigen Zeit, der Medien - es wird ja alles beobachtet – ist wahnsinnig schwer. Und dadurch, dass es sich so schnell kommuniziert, verbraucht es sich auch sehr schnell.

Karl Lagerfeld, der Ausnahmedesigner?

Gianni Versace hat einmal gesagt, egal, was er macht, ob er ein hässliches Kleid macht oder ein schönes Kleid macht: Karl ist immer der Größte. Für mich war er jedoch vor allem der erste Europäer. Er war Weltbürger und Europäer. Er war in den 1960er und 1970er Jahren, als die Deutschen in Paris weiß Gott nicht gern gesehen waren, eine Figur, die sich Respekt verschafft hat, die vielen jungen Menschen ein Vorbild gewesen ist.

Auch für Sie?

Ja, auch für mich war er Vorbild. Wegen seiner Disziplin, aber auch der Art, wie er versuchte an allem, was draußen passierte, teilzunehmen, sich eine Meinung zu bilden. Viele Modedesigner sitzen in ihren Ateliers und blenden alles aus, was auf der Welt passiert. Er wusste Bescheid. Er war eine Ausnahme. Ich bin so traurig, dass solche Ausnahmepersönlichkeiten gerade von der Bühne verschwinden. Menschen wie Karl Lagerfeld, aber auch Bruno Ganz, beschreiben eine solch große Zeitspanne, die mir vertraut gewesen ist.

Was wird von Karl Lagerfeld bleiben?

Karl Lagerfeld war der erste, der nicht nur Designer war, sondern eben auch Marketingchef. Der erste Tipp, den er mir mitgegeben hat, war: Lass die anderen produzieren! Lass die anderen bezahlen, mach nur das, was Du kannst! Er hat diesen Rat selber befolgt, indem er sein eigenes Geld nicht investiert hat, sondern den Konzern bezahlen ließ. Er war immer, wie er sagte, „teurer Angestellter“. Er war nicht Unternehmer wie wir es alle geworden sind. Aber wir konnten nicht anders.

Sie und Karl Lagerfeld galten lange als Erzfeinde. Ist es so gewesen?

Nein, das stimmt nicht. Ich habe überhaupt keine Feindlichkeit ihm gegenüber gehabt. Wie soll ich Feind sein für jemanden, der älter ist als ich, der vielleicht klüger ist als ich? Ich habe zu ihm aufgeschaut. Ich fühlte mich ihm nicht ebenbürtig. Er hat die Missachtung seinen deutschen Kollegen gegenüber regelrecht zelebriert. Über Jil Sander sagte er immer: Die ist ja wohl schon im Vorruhestand – was für ein ekeliges Wort. Er hat in Deutschland niemanden gelten lassen. Er hat auch die Art gehabt, Leute hochzuloben und hochzujubeln, zu verhätscheln, um sie dann wieder krachend fallen zu lassen. Das war die gefährliche Art seiner Umarmung.

Was wird Deutschland fehlen ohne Karl Lagerfeld?

Ach, wir Deutschen hätten wirklich noch stolzer auf ihn sein können. Wissenschaftler oder Schauspieler nimmt man hier irgendwie ernster. Das finde ich sehr ungerecht. Ich finde, die Mode hat direkt etwas mit unserer täglichen Empfindung zu tun, unserer Selbstempfindung. Wer diese Selbstempfindung beschreibt, auch in Kleidern, erschafft ein wirklich großes Kunstwerk, Tag für Tag. Und vor allen Dingen aus sich selbst heraus. Die Mode wird immer noch unter dem Aspekt der Oberflächlichkeit betrachtet bei uns in Deutschland: Denn wir sind ja so protestantisch, Eitelkeit und Mode, alles Äußerliche ist ja suspekt. Schmutzig und dreckig und armselig dagegen, das ist gut - aber ich glaube, dass wir Karl Lagerfeld eher befremdlich fanden. Verstanden haben die Deutschen ihn nicht.

Das Gespräch führte Sabine Schicketanz.

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