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Wohnungsmarkt: Mieten in Potsdam steigen ungebremst

Das Bundesgesetz aus dem Jahr 2015 läuft in Potsdam ins Leere. Die Verwaltung ist machtlos gegen den Anstieg der Wohnkosten im Stadtgebiet.

Potsdam wächst seit Jahren in rasantem Tempo. Wohnraum ist knapp und vergleichsweise teuer. Seit Jahren kennen die Mieten nur eine Richtung: aufwärts. Die von der Bundesregierung im Jahr 2015 beschlossene sogenannte Mietpreisbremse sollte eigentlich den Anstieg der Mieten bei Neuvermietungen stoppen – auch in Potsdam. Doch wie sich nun zeigt, ist sie offenbar praktisch wirkungslos. Und die Stadt ist dagegen machtlos.

Der Mieterverein zeichnet ein düsteres Bild der Lage. „Die Mietenentwicklung in Potsdam ist aus unserer Sicht insgesamt eher bedenklich oder für viele Mieter gar bedrohlich“, sagte der Vorsitzende des Potsdamer Mietervereins, Rainer Radloff, den PNN. Die Mieterhöhungen im Bestand seien zwar bei der Pro Potsdam und den Genossenschaften überwiegend moderat, jedoch bei privaten Vermietern zum Teil rechtswidrig über der laut Mietspiegel erlaubten ortsüblichen Höhe.

Energetische Sanierung und Modernisierungen treiben Preise nach oben

Besonders würden bei Neuvermietungen und Wiedervermietungen zum Teil sehr hohe Mieten verlangt, welche dann in der Folge die Ortsüblichkeit nach oben heben, so Radloff. Er erwarte, dass sich das im nächsten Mietspiegel für Potsdam im Jahr 2018 auch abbilde. Auch Modernisierungen und energetische Sanierungen trieben die Mieten weiter nach oben.

„Die jetzige Mietpreisbremse ist weitestgehend unwirksam“, so Radloff. Ursache seien die vielen Ausnahmen, die der Bundesgesetzgeber auf Drängen der Vermieterlobbyisten zugelassen habe. Außerdem werde es durch das Gesetz den Mietern fast unmöglich gemacht, die Einhaltung zu prüfen und zu belegen.

Mietbremse aus Berlin in Potsdam ohne Wirkung

Das bestätigt auch die Potsdamer Stadtverwaltung. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Stadtverordneten Gesine Dannenberg heißt es, die Vermutung liege nahe, dass die Verordnung in ihrer derzeitigen Fassung gar keine Effekte haben kann, weil die Mieter die dafür erforderlichen Wege der Überprüfung der Miethöhe, der Rüge gegenüber dem Vermieter und gegebenenfalls der gerichtlichen Überprüfung nicht beschreiten. Schließlich gebe es keine rechtliche Handhabe, den Vermieter zur Offenlegung der Vormiete zu zwingen – außer vor Gericht. Allerdings seien der Stadtverwaltung bislang keine Gerichtsverfahren zu diesem Sachverhalt in Potsdam bekannt. Offenbar scheuen Mieter das Klagerisiko. Bekämen sie nämlich nicht vollständig Recht, müssten sie einen Teil der Verfahrenskosten mittragen.

Selbst einschreiten kann die Stadt so gut wie gar nicht, falls Vermieter zu viel verlangen. Das Gesetz zur Mietpreisbremse regelt nur das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Kommunen spielen dabei keine Rolle. In ihrer Antwort auf Dannenbergs Fragen erklärt die Stadtverwaltung, dass die der Mietpreisbremse zugrunde liegende Landesverordnung keine Aufsichts-, Kontroll- oder Sanktionsmöglichkeiten seitens der Kommunen vorsehe. „Anders als in anderen Bundesländern gibt es in Brandenburg zudem kein Wohnungsaufsichtsgesetz, das die Grundlage für eine kommunale Mietpreisüberwachung bilden könnte“, so die Stadtverwaltung.

Landesregierung in Brandenburg will Mietpreisbremse erst 2019 auswerten

Bei der rot-roten Landesregierung gibt man sich angesichts der Lage ahnungslos. „Uns sind keine Zahlen zu den Auswirkungen der Kappungsgrenze und der Mietpreisbremse in den Kommunen bekannt“, heißt es aus dem Ministerium für Infrastruktur. Man wolle aber sowohl die Regelung zur Mietpreisbremse als auch die sogenannte Kappungsgrenze für Mieterhöhungen im Bestand auswerten. Das werde voraussichtlich 2019 der Fall sein. Im Bund gebe es Bestrebungen, die Vermieter zu verpflichten, nachprüfbare Angaben über die Höhe der Vormiete zu machen. Dieses Vorhaben des Bundes unterstütze die Landesregierung.

Dannenberg will sich damit nicht zufrieden geben. „Ob ein Brandenburger Wohnungsaufsichtsgesetz zumindest in extremen Fällen Abhilfe schaffen kann, muss umgehend geprüft werden“, teilte sie mit. Es sei einfach nur enttäuschend, dass Mietern in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten nicht geholfen werde. „Die von der Bundesregierung 2015 beschlossene Mietpreisbremse scheint wirkungslos und muss dringend angepasst werden.“

Vermieter kritisieren fehlende Anreize für Investitionen

Wegen der hohen Mietpreise ruft ein Bündnis aus Mieterinitiativen für den 15. September in Potsdam unter dem Motto „Miete? Stopp! Jetzt!“ zu einer Demonstration auf. Vom Leipziger Dreieck soll es zum Alten Markt gehen, wo eine Abschlussveranstaltung geplant ist. Auch Vermieter halten die Mietpreisbremse für wenig gelungen – allerdings aus einem anderen Blickwinkel: „Die Regelungen führen unter anderem dazu, dass Investitionen vorsichtiger betrachtet werden und für einkommensstärkere Mieter Mitnahmeeffekte eintreten“, sagte David Eberhart, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), den PNN. Den Mitgliedern des Verbandes, darunter große kommunale Vermieter wie die Pro Potsdam und Genossenschaften, gehören etwa die Hälfte der Mietwohnungen im Land Brandenburg.

Eine weitere Gefahr sieht der BBU darin, dass kleinere Privatvermieter durch die „Bremse“ dazu motiviert werden, verstärkt Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. „Bei unseren Mitgliedsunternehmen ist und bleibt die Mietentwicklung moderat.“ Gegen angespannte Wohnungsmärkte helfe allerdings ohnehin keine Mietenregulierung, sondern nur Neubau.

Durchschnittsmiete bei Pro Potsdam: Sechs Euro nettokalt

Bei der Pro Potsdam – mit rund 17 000 Wohnungen Potsdams größter Vermieter – halte man sich selbstverständlich an das Gesetz, so Sprecherin Jessica Beulshausen. Das Unternehmen hatte sich bereits vor der gesetzlichen Regelung auf Drängen der Stadtpolitik verpflichtet, Spielräume für Mieterhöhungen nicht auszuschöpfen. „Unsere Bestandsmieten haben sich in den vergangenen zehn Jahren moderat entwickelt“, so Beulshausen. Die Durchschnittsmiete im gesamten Bestand liege bei sechs Euro pro Quadratmeter nettokalt. Allerdings dürfte es auch bei der Pro Potsdam aufwärts gehen. Der Grund sind die zahlreichen Neubauten. „Die Neubau- und Sanierungsvorhaben werden von Jahr zu Jahr teurer“, so Beulshausen. Dies habe eine Steigung der Mieten im freifinanzierten Wohnungsneubau zur Folge.

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