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Verblasster Glanz. Im Wohnhaus in der Tuchmacherstraße 8 ist nicht nur die Fassade stark sanierungsbedürftig. Manche der Wohnungen in dem 1912 errichteten Gebäude haben noch Außentoiletten. Bestandteil des Finanzierungskonzeptes der Bewohner soll auch ein Sanierungsplan sein.

© Manfred Thomas

Wohnen in Potsdam: Hilfe vom Mietshäuser-Syndikat

Immer wieder gibt es Streit um den Verkauf von Wohnhäusern durch die stadteigene Bauholding Pro Potsdam. Die Mieter der Tuchmacherstraße 8 wollen kaufen - und auch bei anderen Pro-Potsdam-Siedlungen geht es voran.

Von Peer Straube

Potsdam - Heidesiedlung, Behlertstraßen-Karree, Braushausberg-Siedlung und zuletzt die Tuchmacherstraße 8: Immer wieder gibt es Streit um den Verkauf von Wohnhäusern durch die stadteigene Bauholding Pro Potsdam. In den drei erstgenannten Fällen hat der anhaltende Protest der Mieter zu Kompromissen geführt, jetzt zeichnet sich auch für die Bewohner der Tuchmacherstraße 8 eine Lösung ab. Ein Überblick über den Stand der Dinge.

TUCHMACHERSTRASSE 8

Der Widerstand der Mieter gegen die Privatisierung des Elf-Parteien-Hauses hat gefruchtet. Im Dezember hatten die Stadtverordneten beschlossen, dass die Bewohner bei einem Verkauf bevorzugt behandelt werden und einen Abschlag auf das Höchstgebot bekommen sollen. Nun läuft es tatsächlich auf eine solche Lösung hinaus. „Wir verhandeln derzeit mit beiden Parteien, den Mietern und dem Höchstbietenden der Ausschreibung“, sagte Pro-Potsdam-Sprecherin Anna Winkler auf Anfrage. Letzterer soll nach PNN-Informationen 965 000 Euro geboten haben, die Bewohner bekämen fünf Prozent Nachlass. Man sei sehr optimistisch, die Finanzierung hinzubekommen, sagte Tuchmacher-Mieterin Jördis Borak den PNN. Als Partner haben die Bewohner das Mietshäuser-Syndikat gewonnen, eine nicht-kommerzielle Organisation, die deutschlandweit Mietern beim Kauf von Häusern hilft, um damit langfristig bezahlbaren Wohnraum zu sichern und zu verhindern, dass diese Immobilien zu Renditeobjekten werden. Die Tuchmacher-Mieter haben einen Verein gegründet, der Mehrheitsgesellschafter einer gemeinsamen GmbH mit dem Syndikat werden soll, erklärte Borak. Diese GmbH trete dann als Käufer auf und beantrage auch die erforderlichen Kredite bei der Bank. Sollte die Pro Potsdam mit dem Höchstbietenden einen Kaufvertrag abschließen, haben die Bewohner zwei Monate Zeit, eine Finanzierung nachzuweisen, dann können sie in den Vertrag einsteigen. Dafür will der Verein auch Direktdarlehen und Spenden von Menschen einwerben, „die den Projektgedanken teilen“. Bestandteil ist auch ein Sanierungskonzept, bei dem die Mieter viel in Eigenleistung machen wollen. Bekannt geworden waren die Verkaufspläne für das Haus im vergangenen Sommer. Die Mieter hatten der Pro Potsdam vorgeworfen, ihrer sozialen Verantwortung nicht gerecht zu werden, auch am Umgangston des Unternehmens wurde Kritik geübt.

HEIDESIEDLUNG

Als Paradebeispiel für einen erfolgreichen Verkaufsstopp einer Pro-Potsdam- Immobilie, zumindest in jüngerer Zeit, gilt die Babelsberger Heidesiedlung. Das kommunale Unternehmen hatte diese und mehrere andere Siedlungen, darunter das Behlert-Karree und das Wohnquartier am Brauhausberg, vor fünf Jahren nach jahrelangen Restitutionsverfahren zugesprochen bekommen und wollte sie veräußern, um ihr Neubauprogramm gegenzufinanzieren. Die Mieter leisteten erbitterten Widerstand und fanden Gehör bei der Stadtpolitik. Schließlich gelang es, beim Land Fördermittel für die Sanierung der knapp 90 denkmalgeschützten Wohnungen am Babelsberger Findling zu akquirieren – so muss die Pro Potsdam von den acht Millionen Euro Gesamtkosten nur 1,2 Millionen Euro selbst aufbringen und kann damit die Mieten vergleichsweise niedrig halten. Im ersten Bauabschnitt wurden zwischen Sommer 2015 und Sommer 2016 insgesamt 41 Wohnungen saniert, etwa die Hälfte davon stand bereits leer. Der zweite Bauabschnitt, bei dem die restlichen Wohnungen modernisiert werden, läuft bereits und soll im Sommer dieses Jahres abgeschlossen werden. Bestandsmieter, die einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben, zahlen künftig 5,50 Euro pro Quadratmeter. 18 Parteien sind das nach Angaben der Pro Potsdam insgesamt. Bestandsmieter ohne WBS müssen einen Euro drauflegen. Die bislang leer stehenden Wohnungen vermietet die Pro Potsdam an andere wohnungssuchende WBS-Inhaber. Wie berichtet bekommt die Siedlung zudem eine Begegnungsstätte, die allen Babelsbergern offen stehen soll: Das sogenannte Heidehaus, das dem Quartier den Namen gab, soll für eine halbe Million Euro saniert werden, allerdings erst nach Abschluss der Wohnungsmodernisierungen.

BEHLERT-KARREE

Etwas schwieriger gestaltete sich das Verfahren beim sogenannten Behlert-Karree, denn bei der Sanierung der 130 Wohnungen zwischen Behlert- und Gutenbergstraße muss die Pro Potsdam ohne Landesförderung auskommen. Trotzdem ist auch hier gelungen, eine sozialverträgliche Lösung für die Bewohner zu finden. So verzichtete das Unternehmen auf teure Baumaßnahmen wie beispielsweise Grundrissänderungen, zudem beteiligen sich die Mieter selbst an der Sanierung, etwa bei der Gestaltung der Außenanlagen. Hauptfaktor bei der Finanzierung ist aber die sogenannte Drittellösung, bei der ein Drittel der Wohnungen in die freie Vermietung geht. Mieter dieser Wohnungen zahlen neun Euro pro Quadratmeter und tragen so zur Gegenfinanzierung der gedeckelten Mieten für Bestandsmieter mit und ohne WBS bei. Erstere zahlen hier 5,80, letztere Mieter zwischen 6,50 und 6,85 Euro. Der erste Bauabschnitt mit 30 Wohnungen wurde im vergangenen Sommer abgeschlossen, der zweite mit 35 Wohnungen soll im Oktober beendet werden.

BRAUHAUSBERG

Mit der Sanierung der ersten von insgesamt 141 Wohnungen in der Albert-Einstein-Straße und der Straße Am Brauhausberg will die Pro Potsdam in diesem Jahr beginnen. Das Projekt wird in sechs Bauabschnitte aufgeteilt, 2020 soll das gesamte Karree fertig sein. Bei diesem Vorhaben setzt das Stadtunternehmen abermals auf finanzielle Unterstützung vom Land. Wie hoch die Förderung ausfalle, sei aber noch offen, sagte Sprecherin Winkler. Die Verhandlungen liefen noch. Daher sei auch noch unklar, wie hoch die Mieten künftig liegen werden. In einer Ausschreibung im vergangenen Jahr war das Unternehmen von Werten zwischen 7,50 Euro für Altmieter und 9,50 Euro für Neumieter ausgegangen. Ebenfalls noch offen sei, wie viele Altmieter in ihren Wohnungen oder zumindest in dem Quartier nach der Modernisierung bleiben wollen. Pro-Potsdam-Mitarbeiter stünden den Bewohnern „bei allen Etappen“ der Sanierung und für Beratungen und Gespräche zur Seite, sagte Winkler. In der Siedlung aus den 1930er-Jahren gibt es zum Teil noch Kohleöfen.

GROSSBEEREN-/GRÜNSTRASSE

Auch die Wohnhäuser an der Ecke Großbeeren- und Grünstraße gehört zum Paket jener Objekte, die die Pro Potsdam vor ein paar Jahren nach besagten Restitutionsprozessen zugesprochen bekommen hat. Mit 52 Wohnungen ist das Quartier das kleinste in diesem Portfolio. Anders als bei den anderen Siedlungen hatte es hier keine lautstarken Mieterproteste gegeben – doch auch hier wurde versucht, mit den Bewohnern eine sozialverträgliche Lösung zu finden. In diesem Jahr nun will die Pro Potsdam mit der Sanierung des Komplexes beginnen, im Sommer 2019 sollen die Mieter einziehen können. Auch bei diesem Vorhaben hofft die Pro Potsdam auf Fördermittel vom Land, auch hier laufen die Verhandlungen noch. Insgesamt gibt das Unternehmen in diesem Jahr knapp 38 Millionen Euro für Sanierungsmaßnahmen aus.

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