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Zu Besuch. Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD, M.) und die SPD-Bundestagsabgeordnete Manja Schüle (r.) ließen sich von Saint-Gobain-Glassolutions- Geschäftsführer Ingolf Ripberger (l.) zum neuen knallgelben Lastkran führen, der unter der Decke der Halle hin- und herfahrbar ist.

© Andreas Klaer

Wirtschaft in Potsdam: Glashersteller Saint Gobain investiert in Babelsberg

Die Firma Saint Gobain hat zu Beginn ihrer 352-jährigen Firmengeschichte den Spiegelsaal von Versailles ausgestattet - ein neues Kapitel schreibt sie nun am Standort Babelsberg: Hier hat die Firma 3,5 Millionen Euro investiert.

Von Valerie Barsig

Babelsberg - Knallgelb ist der Lastkran, dessen Gerüst sich einmal über die ganze Halle zieht. Darunter: Halterungen mit Glasplatten, die er vollautomatisch hochhebt, transportiert und auf einem Zuschneidetisch platziert. Es brummt und dröhnt in der Halle der Firma Saint Gobain-Glassolutions in Babelsberg. Und mittendrin steht das gelbe Ungetüm, das den Arbeitern hier mehr Sicherheit bietet. Der Kran spart dem Unternehmen, das zum weltweit tätigen Industriekonzern Saint Gobain mit Hauptsitz in Frankreich gehört, vor allem Zeit. Er ist nur eine von mehreren Investitionen in Höhe von rund dreieinhalb Millionen Euro, die das Unternehmen seit 2015 in den Standort Potsdam gesteckt hat.

Grund genug für Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD), den Glasmachern am gestrigen Montag gemeinsam mit Potsdams Bundestagsabgeordneter Manja Schüle (SPD) einen Besuch abzustatten – und sich auch die Sorgen und Nöte anzuhören. Denn der Konkurrenzdruck auf Saint Gobain wächst – vor allem aus Osteuropa. „Weltweit gesehen geht es uns gut, deutschlandweit schlecht“, fasst Geschäftsführer Ingolf Ripberger die Lage zusammen. Besonders die Konkurrenz aus Polen mache dem Unternehmen zu schaffen. „Dort sind in den vergangenen Jahren enorme Kapazitäten auch mit staatlicher Hilfe aufgebaut worden.“

Spiegel, Regale, Glastüren

Die Situation in Potsdam sei aber gut, denn am Standort werden vor allem Produkte für den Innenausbau von Gebäuden hergestellt. Dazu gehören zum Beispiel Spiegel, Küchenrückwände oder Glasregale, aber auch Brandschutzglas oder Glastüren. Insofern sei man in Potsdam glücklich, kein Standardprodukt herzustellen. Denn von einst 64 glasverarbeitenden Betrieben von Saint Gobain in Deutschland gibt es inzwischen nur noch 20. „Wir stehen gut da“, bestätigt auch Niederlassungsleiter Oliver Ott – zumindest wenn die Ertragssituation weiterhin stimmt. Im vergangenen Jahr habe man 15 neue Mitarbeiter eingestellt, man sei weiter auf der Suche. Die Arbeitsplätze für die kommenden Jahre seien sicher. „Wir brauchen Leute, die auch Interesse haben, körperlich zu arbeiten“, sagte Ripberger. Und gibt zu: Solche Arbeitskräfte seien nicht leicht zu finden.

Auch fünf Geflüchtete beschäftigt der Betrieb, zwei davon fest angestellt, die anderen drei als Leiharbeiter. Übernehmen würde man sie gerne, sagt Ott. Allerdings sei das nicht möglich, solange der Aufenthaltsstatus nicht geklärt sei. „Ihre Einstellung hat der Firma gut getan“, berichtet Ott. Ressentiments am Arbeitsplatz werden nicht geduldet, das habe man auch den Mitarbeitern kommuniziert. Die Arbeit der Geflüchteten spreche für sich und das merkten auch die alteingesessenen Kollegen, die Stimmung sei gut.

Ein Kran für mehr Sicherheit

Sorgfältiges Arbeiten ist bei den bis zu sechs Meter langen und rund drei Meter hohen Glasplatten in der Halle gefragt. Sie werden per Lkw geliefert und auf Rollen in die Halle gefahren. Dort werden sie gelagert. Je nach Glasdicke wiegen die Platten bis zu 900 Kilogramm, bevor sie für die Weiterverarbeitung zurechtgeschnitten werden.

Früher mussten die Platten dafür mit einem manuellen Kran von ihrer Ablage mit mehreren Saugnäpfen auf den Zuschneidetisch gehoben werden. Ein Mitarbeiter sorgte danebenstehend per Hand dafür, dass die Platte am Kranseil nicht zu sehr ins Schwingen geriet und die Saugnäpfe richtig platziert wurden – bis zu fünf Minuten pro Platte dauerte der Arbeitsschritt, der nun in einer knappen Minute erledigt ist. Der neue Kran macht das Arbeiten nun nicht nur schneller, sondern auch sicherer – denn neben den schweren Glasplatten muss niemand mehr stehen.

Der Kran sei damit keinesfalls ein Schritt in Richtung Wegrationalisierung von Arbeitskräften, betonte Ripberger am Montag. Er sei vielmehr eine notwendige technische Innovation am Standort. Gerade in der Branche und vor dem Hintergrund des Konkurrenzdrucks müsse man mit der Technik der Mitbewerber mithalten können.

Verantwortlich für den Berliner Hauptbahnhof

Die Saint Gobain-Glassolutions wurde 1936 als Deutsche Glas Berlin-Brandenburg GmbH gegründet, seit 1990 gehört sie zum französischen Konzern Saint Gobain. 14 500 Mitarbeiter arbeiten deutschlandweit für Saint Gobain, rund vier Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2016.

Die Glassolutions am Gewerbestandort in der Fritz-Zubeil-Straße in Babelsberg hat unter anderem das Glas für den Berliner Hauptbahnhof hergestellt. 100 Mitarbeiter sind in Potsdam tätig, 2017 machte der Standort 12,15 Millionen Euro Umsatz – mehr als ein Viertel davon durch den Export der Produkte nach Dänemark und Frankreich. Der Rest werde in Deutschland ausgeliefert. In diesem Jahr erwarte man ein Umsatzplus, erklärte Niederlassungsleiter Ott gestern. 14 Millionen Euro könnten 2018 erwirtschaftet werden. Man habe einen guten Start gehabt.

Splitterfreie Scheiben

Neben dem Geld für den neuen Schwerlastkran wurde 2015 auch in einen neuen Vorspannofen investiert. Ein Jahr später kam die neue Verbundglaslinie auf den Markt. Das Glas besteht aus mehreren mit einer Klebeschicht verbundenen Platten und kann nicht splittern. Es kann zum Beispiel bei Dachverglasungen verwendet werden. Seit dem vergangenen Jahr gibt es außerdem eine neue Schleifmaschine. Der Investitionsstau sei damit nun abgebaut, erklärte Geschäftsführer Ripberger. Weitere Investitionen seien zwar wünschenswert, derzeit allerdings nicht geplant. 

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Hintergrund: Ausstatter für Versailles

Die Firma Saint Gobain hat ihren Hauptsitz in Courbevoie im Geschäftsviertel La Défense im Nordwesten von Paris. Sie entstand 1665 als Glas- und Spiegelmanufaktur. Gegründet wurde die damalige „Manufacture Royale de glaces de Miroirs“ (Königliche Spiegelglasmanufaktur) in Paris. Ihr erster Auftrag war der Spiegelsaal im Schloss von Versailles. Der Spiegelsaal war das Verbindungsstück zwischen den Zimmern des Königspaares. Darin befinden sich insgesamt 357 Spiegelflächen.

Heute sind weltweit 170 000 Mitarbeiter für Saint Gobain tätig. Der Umsatz des Unternehmens betrug im vergangenen Jahr rund 40 Milliarden Euro. Die Firma ist die zweitgrößte Glasfirma weltweit und die größte in Europa. Sie ist in 64 Ländern vertreten. Das Unternehmen stellt Baustoffe her, also unter anderem Glas, Industriekeramik und Hochleistungskunststoffe. 

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