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Spieglein, Spieglein, an der Wand - und der wahrscheinlich süßeste Waschbär im ganzen Land.

© Kai Diekmann

Wirbel am Jungfernsee: Wenn ein Waschbär im Bad sitzt

In Potsdam leben immer mehr der räuberischen Kleinbären. Einer von ihnen plündert regelmäßig die Speisekammer von Ex-„Bild“-Chef Kai Diekmann. Jetzt kam es zum Eklat.

Potsdam - Das Tier hockt auf dem üppig verzierten, vergoldeten Rahmen eines Wandspiegels, der sich angesichts des Gewichts bedrohlich zur Seite neigt. Eher neugierig denn verschreckt schaut der Waschbär sich um – und sieht dabei unweigerlich süß aus. Ohnehin wirkt das Foto, das der Potsdamer Medienunternehmer und Ex-„Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann in der Nacht zum Montag an seinem Haus in der Berliner Vorstadt aufgenommen hat, fast wie eine künstlerische Inszenierung. „Das ist doch gestellt!“, kommentierte ein Twitter-Nutzer das Bild, das Diekmann gepostet hatte.

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Die Antwort des prominenten Potsdamers: Nein! Und der Waschbär war nicht zum ersten Mal ins Haus gekommen. „Er war fast jede Nacht da und hat die Speisekammer geplündert“, sagt Diekmann. „Sie ist mit einem Riegel verschlossen, den kann er hochschieben.“ Das Tier habe sich mehrfach bedient, den Katzenfutterautomaten umgeworfen und die edle Osterschokolade aufgefressen. In der Nacht zum Montag nun sei es endlich gelungen, den Eindringling zu stellen, so Diekmann: „Zu Dritt haben wir ihn erwischt.“ Der Waschbär rannte ins Gästebad, dort wurde er eingeschlossen – und sprang auf den Spiegel. Von außen durchs Fenster machte Diekmann Fotos und sah, wie der Waschbär den Raum verwüstete.

Weil Schonzeit ist, darf der Stadtjäger nicht ran

Seine Hoffnung, der Stadtjäger könne kommen, das Tier einfangen und mitnehmen, löste sich schnell in Luft auf – es ist Schonzeit, die Tiere dürfen nicht gejagt oder gefangen werden, wie die Stadtverwaltung Diekmann mitteilte. Und wenn, dann nur mit einer ausnahmsweise erteilten Abschussgenehmigung oder Tötungserlaubnis. Erst im Juli dürfe er einen Antrag auf „Ausnahmegenehmigung zur Jagdausübung im befriedeten Bezirk“ stellen. „Tolle Aussichten!“, so Diekmann bei Twitter. Zumal der Waschbär nicht viel Anlass sah, das Bad wieder zu verlassen – um 14 Uhr war er immer noch da, jetzt auf einem Schrank. Erst am Abend dann Entwarnung: Dank professioneller Hilfe von der Wildtierrettung gelang den Diekmanns die Befreiung vom ungebetenen Gast.

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Doch nicht nur Diekmann macht die Ausbreitung des Waschbären wenig Freude. Auch Potsdams Naturschützer beobachten mit Sorge, dass immer mehr Waschbären in der Stadt leben. Sie gehören zu den nicht heimischen Arten und sind oft eine Gefahr für die heimischen Tiere. Beim Waschbär betrifft das vor allem Vögel, denn das Tier ist ein Nesträuber, sagt Thomas Kuhlow, Arbeitsgruppenleiter bei der Unteren Naturschutzbehörde, den PNN. Auch die Schlösserstiftung beobachtet, dass Waschbären Gelege ausrauben und Jungvögel fressen, insbesondere von geschützten bodenbrütenden Vögeln. Wie viele Waschbären in Potsdam beheimatet sind, kann die Stadtverwaltung nicht sagen. Genaue Zahlen gebe es nicht, die Wildtiere ließen sich nicht zählen, so das Rathaus.

Waschbären finden Nahrung in Mülltonnen, Hinterhöfen und Gärten

Allerdings steige die Zahl der von Jägern erlegten Waschbären rasant von Jahr zu Jahr. Im urbanen Raum hätten sich die Waschbären von Jägern zu Sammlern entwickelt. Da sie in der Stadt reichhaltig Nahrung in Mülltonnen, Hinterhöfen und Gärten finden – und offenkundig auch in Speisekammern – wechselten sie gern in ein bewohntes Gebiet, denn in der Natur müssten sie jagen. Auch die Schlösserstiftung macht Erfahrungen mit Waschbären. Die Waschbär-Population im Park Sanssouci sei in den vergangenen Jahren höchstwahrscheinlich gewachsen, teilte die Stiftung am Montag auf PNN-Anfrage mit. Belastbare Zahlen dazu lägen allerdings nicht vor. Zu beobachten seien die Tiere im Nordischen Garten, am Ruinenberg und am Bornstedter See. Im Park Babelsberg sei keine Zunahme der Bestände festzustellen

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Größere Schäden von Waschbären seien in Potsdam nicht zu verzeichnen, so die Stadtverwaltung. Problematisch sei jedoch, dass sie auf der Suche nach Nahrung Mülltonnen umwerfen, Beete verwüsten und vieles zur Probe anknabbern. Sie seien talentierte Kletterer, könnten im Haus und auf dem Dach Schäden anrichten, wenn sie etwa Dachziegel lockern, Isolierungen durchbeißen oder sich über das Hundefutter hermachen. Dabei seien junge Tiere besonders ungestüm, weil sie ihrem Spieltrieb folgten. Waschbären seien „normalerweise nicht aggressiv und gehen einer Auseinandersetzung aus dem Weg“, so die Potsdamer Verwaltung. Aber wenn sie sich angegriffen fühlen, könnten sie mit ihrem Gebiss extrem schmerzhafte Wunden verursachen, warnte das Rathaus. Außerdem: Waschbären sollten keinesfalls gefüttert werden, da sie schnell handzahm und aufdringlich würden. Für Schlagzeilen hatte vor zwei Jahren ein Waschbär in der Tiefgarage des Landtagsschlosses gesorgt.

Fast 37.000 Waschbären werden pro Jahr in Brandenburg erlegt

Aufzuhalten ist die Ausbreitung der Waschbären in Deutschland Experten zufolge trotz intensiver Bejagung nicht mehr. Angaben des brandenburgischen Umweltministeriums zufolge wurden allein in der jüngsten Jagdsaison 2019/2020 landesweit 36 900 Waschbären erlegt. Das sind zehn Prozent mehr als in der Saison davor. Schwerpunkt war erneut der Landkreis Ostprignitz-Ruppin mit einem Anteil von zwölf Prozent aller erlegten Tiere.

Oft schleichen sich Waschbären in Häuser und Gärten auf der Suche nach Futter.
Oft schleichen sich Waschbären in Häuser und Gärten auf der Suche nach Futter.

© Patrick Pleul/dpa

Es gibt ostdeutsche und westdeutsche Waschbären

In Deutschland geht man derzeit von rund einer Million Tiere aus. Die Ausbreitung des Waschbären geht im Wesentlichen auf zwei Quellen zurück. Zum einen setzte 1934 ein Förster vier Tiere am hessischen Edersee aus, um die „heimische Fauna zu bereichern“. Bis zu den 1960er-Jahren soll sich der Bestand bereits auf rund 600 Tiere vergrößert haben. Eine weitere bedeutende Quelle befindet sich direkt in Brandenburg. Etwa zwei Dutzend Waschbären brachen 1945 im Zuge der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs aus einer Pelzfarm bei Strausberg aus. Bis heute lässt sich die aus Brandenburg hervorgegangene Population genetisch und parasitologisch von der westdeutschen unterscheiden.

So süß wie die geringelten Räuber aussehene, so sehr sind sie ein Problem für einige bedrohte heimische Tierarten, nicht zuletzt für die europäische Sumpfschildkröte. Nach bisherigen Kenntnisstand kommt sie in Deutschland nur noch freilebend in Brandenburg vor und wird dort mit enormen Kraftaufwand nachgezogen. Noch vor rund 200 Jahren allerdings wurden ganze Wagenladungen voll auf den Märkten in Berlin zum Verkauf angeboten. Den heute noch existierenden Exemplaren stellen die Waschbären mit großem Geschick nach. Die Verluste sollen teils erheblich sein. Der Waschbär tastet im Wasser nach den Kröten und beißt sie an der einzig möglichen Stelle zwischen Brust und Rückenpanzer auf. Dann kann er sie wie mit einem Scharnier aufklappen. Er ist der einzige Räuber, der das kann.

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