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Winterkollektion 2012: Wilde Wiederkehr

Wolfgang Joop macht wieder Mode: In seiner Potsdamer Villa Rumpf am Heiligen See zeigte er die neue Kollektion seines auferstandenen Labels Wunderkind. Für seine orientalisch inspirierten Kreationen und perfekten Schnitte bekommt er viel Applaus

Wolfgang Joop knutscht sich durch. Wie verrückt verteilt er Küsschen, die erste Reihe hinauf und wieder hinab. Model Nadja Auermann küsst er als Erste, auf beide Wangen, dann Angelica Blechschmidt, Gründerin und langjährige Chefredakteurin der deutschen „Vogue“, und dann die heutige Chefin des Modemagazins, Christiane Arp. Platz für Platz läuft Joop die Reihe der hölzernen Klappstühle ab, herzt seine Gäste.

Das lässt erahnen, wie glücklich er sein muss, der 67-jährige Modeschöpfer, der sich am Donnerstag zurückgemeldet hat in der Modewelt. In der Villa Rumpf in Potsdams Ludwig-Richter-Straße, dem neobarocken Backsteinbau direkt am Ufer des Heiligen Sees mit gedrehten Holzsäulen und verspieltem Stuck im Salon, hat Joop seine neue Wunderkind-Kollektion gezeigt. „Sauvage“ hat er sie getauft, erst am Vorabend. Wild heißt das. Das Publikum, 120 Gäste hat Joop geladen, die meisten Branchenkenner, sind begeistert. Das gut 20-minütige Défilé endet mit langem Applaus, auch Bravo-Rufe sind zu hören. Die Wiederkehr, sie ist Joop geglückt.

Zwei Jahre hatte es keine Wunderkind-Kollektion gegeben, dem Unternehmen ging es nicht gut, es war faktisch stillgelegt. Zum Bruch führte ein Streit mit Joops damaligen Geschäftspartnern – Wella-Erbin Gisa Sander und ihrem Ehemann Hans-Joachim Sander – über die Ausrichtung des Labels. Im März 2011 kaufte der Designer sein Wunderkind zurück. Seitdem liegt die Verantwortung wieder ganz in seinen Händen.

Damit geht es ihm offensichtlich gut. Im Garten der Villa Rumpf zeigt er sich vor Beginn der Schau in weißem Hemd und schwarzem Jacket erstaunlich schlicht gekleidet, entspannt, gelöst, – ganz anders als vor fast zehn Jahren, als Joop seine Luxusmarke 2003 gründete. Im gleichen Salon der Villa präsentierte er damals seine erste Kollektion, die Aufregung war groß. Mit Wunderkind wollte er die Welt erobern. Dass es anders kam, entmutigt ihn nicht mehr.

Wunderkind sei zurück, stärker und glänzender als je zuvor, sagt Joop. Die Wiederkehr sei vor allem eine Hommage an seine Mutter. Am 4. Mai 2010 ist sie gestorben, Charlotte Joop, eine warmherzige, liebenswürdige und vollendet elegante Potsdamerin. Zuletzt habe sie gefragt, was wohl mit dem Wunderkind geschehen werde, erinnert Joop sich. Er habe es auferstehen lassen müssen.

Unnachahmlich verbindet der Designer alles mit seiner Kunst, seine Kunst mit allem. Skizzen zur neuen Kollektion hat er in Marrakesch gezeichnet, orientalische Formen finden sich bei aufwendig drapierten Kleidern mit Mosaikprint und mit Glockenröcken, bei raffiniert fallenden weiten Mänteln, Hosenanzüge leuchten in Koralle und Orange. Verwendet hat Joop Jersey und Chiffon, Brokat, Lammfell und Kashmirseide. Einem Gemälde des Künstlers Johann Friedrich Seupel aus dem 18. Jahrhundert, das Joop besitzt, ist der Ozelot-Print entliehen, der Mäntel, Kleider, Jacken prägt. Zwischen den Flecken stechen sie plötzlich hervor, die Augen des Raubtiers. Um den Hals tragen die Models bunte Kugel-Ketten, manche Kugeln klein und glänzend, andere fast faustgroß und gehäkelt. Erstaunliche Einzigartigkeiten, wie es sie schon immer gab bei Wunderkind.

Seine Models tragen allesamt Netzkniestrümpfe, von Shirts mit Glitzerprint schauen Tiere herab, die sich später im Atelier in Joops weißer Villa Wunderkind in der Seestraße wiederfinden. Vor allem Affen – einen auch mit Tulpenstrauß– hat er dort auf Leinwand gemalt. Auch Friedrich II. zitiert Joop in seiner wilden Kollektion: Mit einem schwarzen Uniformmantel, asymmetrisch geschmückt mit Orden, die von Strass glitzern.

Potsdam, sagt Joop, inspiriere ihn immer, „weil diese Stadt mir alles beigebracht hat“, und Preußen: „Flöte spielen und Säbel rasseln, diese Mischung ist auch zu meinem Charakter geworden.“

Die Prominenz lässt sich davon gern inspirieren. Bei der Schau sitzt auch Ulrike Döpfner, Ehefrau von Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, in der ersten Reihe, neben ihr Society-Dame Isa von Hardenberg, auch Katja Kessler, Autorin und Ehefrau von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann, ist da. Von den Expertinnen bekommt Joop viel Lob. Er habe „unglaublich schön geschnittene Jacken und Mäntel gezeigt“, sagt „Vogue“-Chefredakteurin Christiane Arp. Auch Model Nadja Auermann, die nicht verraten möchte, ob sie noch in Potsdam lebt, ist begeistert von Joops Schneiderkunst: „Ich könnte alles tragen.“

Ab Ende Juni wird die neue Kollektion – sie umfasst 40 Looks und 120 Teile – verkauft, an einige Kunden sei sie bereits ausgeliefert, sagt Joops langjähriger Geschäftspartner Edwin Lemberg. Erworben werden kann sie in Geschäften in Berlin, München und auf Sylt. Geplant sei, in der Bundeshauptstadt ein zweites Geschäft zu eröffnen. Erstmals, erklärt Joop, sei die Kollektion schon vor der Präsentation produziert worden, ohne auf Nachfrage der Kunden zu warten. Und der Modedesigner will bald nachlegen. Künftig soll es statt zwei vier bis fünf Kollektionen pro Jahr geben, so Lemberg. Ziel sei, die Kunden an Wunderkind zu binden und ihnen „immer etwas Neues“ zu präsentieren. Damit bleibe der Absatz stabil, Wunderkind könne „sich selbst ernähren“, brauche keine Investoren.

Im September soll Wunderkind auch wieder bei der berühmten Pariser Modewoche gezeigt werden – im Salon, in kleinem Kreis, ganz wie in Potsdam.

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