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"Wiese der Opfervölker": Neuer Vorschlag zur Garnisonkirche

Die Kritiker der Garnisonkirche schlagen eine Wiese neben dem Turm vor. Unterdessen wurde das letzte Protestsingen am Glockenspiel veranstaltet.

Potsdam - In der Debatte um den Wiederaufbau der Garnisonkirche hat der Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in Potsdam einen eigenen Kompromissvorschlag gemacht. In einem am Sonntag veröffentlichten Brief an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hieß es, die Fläche für das Kirchenschiffes könnte „als kleinteiliger Mahn- und Gedenkort dienen“, denkbar sei zum Beispiel eine „Wiese der Opfervölker“ des preußisch-deutschen Militarismus, „bepflanzt mit regionaltypischen Gehölzen aus den Opferregionen“. So könnte nach Ansicht von Vereinssprecher Carsten Linke auch das Gebäude des Kreativhauses Rechenzentrums erhalten und „zu einem echten Aushängeschild eines modernen, toleranten Potsdams weiter entwickelt werden“.

Anlass für die Wortmeldung ist die von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) angestoßene Kompromisssuche zum Wiederaufbau der Garnisonkirche, dieser hatte sich unter anderem für ein Jugendbegegnungszentrum neben dem Kirchturm sowie ein stärkeres inhaltliches Engagement der Stadt für die dort geplante Ausstellung ausgesprochen. Dies aber bezeichnet Linke als „Scheinkompromiss“, es handele sich um ein „Bekenntnis zum Turmprojekt sowie zur Stiftung Garnisonkirche“ – statt einer „gebotenen Distanz zur Arbeit einer kirchlichen Einrichtung.“

Jugendstätte könnte in den Langen Stall ziehen

Dazu erklärte Linke, „falls es in der Stadt einen Bedarf für eine Jugendbegegnungsstätte gibt, könnte diese doch als Zeichen der Konversion im Langen Stall etabliert werden.“ Dort auf dem Gelände der früheren Feuerwache soll bisher ein neues Kunst- und Kreativhaus als Ersatz für das Rechenzentrum entstehen. Dieses „völlig überteuerte und schwer umsetzbare Kreativquartier“ könnte ad acta gelegt werden, meint Linke – auch dieser Ort müsste dann neu gedacht werden. Linke erklärte, dieser Vorschlag besitze „ein hohes Kompromisspotenzial in der Stadtgesellschaft“. 

Zugleich forderte Linke Schubert auf, zunächst den von ihm formulierten Vorschlag nicht in die Stadtverordnetenversammlung einzubringen – um weitere Gespräche zu ermöglichen. Schubert hatte erklärt, er wolle eine Positionierung der Stadtverordneten im November, bevor das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche tagt. Den Sitz dort lässt Schubert wegen gegensätzlicher Beschlusslagen im Stadtparlament derzeit ruhen.

Protestsingen bei Dauerregen

Unterdessen haben sich am Sonntag zum vierten Mal Potsdamer vor dem abgeschalteten Glockenspiel an der Plantage zum Protestsingen getroffen. Bei Dauerregen erklärte Initiator Detlef Mai vor den 27 Teilnehmern, dass das Protestsingen vorerst nicht fortgesetzt werde. Ursprünglich hatte man angekündigt, sich solange jeden Sonntag treffen zu wollen, bis das Glockenspiel wieder angestellt werden würde. Ulrich Zimmermann von der Initiative „Mitteschön“, die das Protestsingen unterstützt, kündigte „neue Arten und Formen des Protests“ gegen die Abschaltung an.

Innerhalb von Mitteschön habe man eine Arbeitsgruppe gebildet, die zeitnah alle Glockeninschriften aufarbeiten will, um den geschichtlichen Hintergrund aufzuzeigen. Die Ergebnisse sollen unter dem Arbeitstitel „Die Glocken als Zeitzeugen der Wiedervereinigung“ schrittweise veröffentlicht werden, so Zimmermann. Er betonte ausdrücklich, dass es keine wissenschaftliche Aufarbeitung werde. Neben den Protestsingern fand sich auch wieder Protest gegen das Protestsingen ein. Dazu aufgerufen hatte die Satirepartei Die Partei.

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