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Mit großer Gerätschaft werden die 38 Meter tiefen Löcher für das Fundament des Garnisonkirchenneubas gebohrt.

© Andreas Klaer

Wiederaufbau: Tabula rasa im Stadtbild?

Die FAZ beschäftigt sich erneut kritisch mit der Garnisonkirche – und der Potsdamer Mitte insgesamt. Ein Hintergrundbericht zum Artikel.

Von Peer Straube

Potsdam - Fachhochschul-Abriss, Neugestaltung der historischen Mitte, Wiederaufbau der Garnisonkirche: Potsdams Aktivitäten bei der Rückkehr zur alten Stadtstruktur weckt zunehmend das Interesse überregionaler Medien. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), die sich bereits im Sommer kritisch zum Wiederaufbau der Garnisonkirche positioniert hatte, legt nun ein weiteres Mal nach. „Deutschlands fragwürdigstes Rekonstruktionsprojekt“ heißt der Artikel, der am Wochenende im Feuilleton der FAZ erschienen ist. Darin wird den Initiatoren und der Stadt nahegelegt, das vor wenigen Wochen offiziell begonnene Projekt schleunigst wieder zu begraben.

Argumente der Wiederaufbaugegner

Der Autor, der Architekt und Kunsthistoriker Arnold Bartetzky, der für das Blatt als Kunst- und Architekturkritiker schreibt, führt zur Begründung vor allem die altbekannten Argumente der Wiederaufbaugegner ins Feld, allen voran die Rolle des Gotteshauses am sogenannten Tag von Potsdam, dem 21. März 1933, als sich Hitler und Hindenburg vor der Kirche die Hand schüttelten. Die Garnisonkirche, schreibt Bartetzky mit Blick auf dieses Datum, sei „symbolisch dermaßen kontaminiert, dass die Vorstellung schwerfällt, durch inhaltliche Umprogrammierung des Wiederaufbaus“ – gemeint ist das im Kirchturm geplante Versöhnungszentrum – könne eine „Dekontamination gelingen oder gar eine positive Strahlkraft erreicht werden“.

Ob rechtes Treiben besonders herausstach, wird offengelassen

Der Autor beruft sich dabei auch auf das „sorgfältig recherchierte“ Buch des Berliner Journalisten Matthias Grünzig „Für Deutschtum und Vaterland“, der zahllose Veranstaltungen rechtsradikaler Gruppierungen bereits zu Zeiten der Weimarer Republik in der Garnisonkirche nachweist und zu dem Schluss kommt, das Gotteshaus sei schon lange vor der Errichtung der Hitler-Diktatur ein Hort braunen Gedankenguts gewesen. Ob das rechte Treiben in der Garnisonkirche allerdings, verglichen mit anderen Gotteshäusern in Deutschland, besonders herausstach, ließ Grünzig in seinem Buch offen, wie PNN-Autor Holger Catenhusen kürzlich in seiner Rezension geschrieben hatte.

Ausführlich geht Bartetzky auch auf den seit Jahren erbittert geführten Streit um die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte ein. Im Gegensatz zur „Rekonstruktionshauptstadt Dresden“, wo verloren gegangene Barockträume weitgehend auf durch Kriegszerstörung entstandenen Freiflächen wiedererstanden seien, würden in Potsdam „weitaus brachialere Mittel“ angewendet.

Stadt werde vom "Kopf auf die Füße gestellt"

Um die „von der DDR hinterlassene Stadt vom Kopf auf die Füße zu stellen“, werde etwa die Fachhochschule beseitigt, ein nach Bartetzkys Ansicht „zartgliedriger Bau, der nach heutigen Kriterien ein Denkmalschutzkandidat wäre“. Die Sehnsucht nach dem alten Stadtbild, so der Autor, verdiene auch und gerade in Potsdam Verständnis, denn der Wiederaufbau des Zentrums zu DDR-Zeiten sei „nicht nur unvollständig, sondern trotz einiger bemerkenswerter Einzelgebäude stadträumlich unbestreitbar missraten“ gewesen. Dennoch habe das aktuelle Tun mit behutsamer Stadtentwicklung oder gar Ressourcenschonung nicht viel zu tun. Vielmehr stehe es selbst in der Tradition einer „Tabula-rasa-Haltung, deren zerstörerische Folgen es beheben will“.

Verzicht auf den Wiederaufbau

Stehe die Garnisonkirche erst einmal, glaubt Bartetzky, würden sicher auch die Proteste abebben. Rekonstruktionen seien „vordergründig immer ein Erfolg“. Die Touristen kämen ohnehin und wohl auch die Potsdamer, „die hier ihre Tanten aus dem Westen zum Kaffee ausführen“. Trotzdem rät er zum Verzicht auf den Wiederaufbau – denn dieser werde die Spaltung der Stadt eher vertiefen als Versöhnung stiften.

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