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Mit einem Gottesdienst wurde der Baustart für den Turm der Garnisonkirche gefeiert.

© Sebastian Gabsch

Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche: Potsdams Friedensturm

Der Garnisonkirchturm kann Versöhnung bringen, auch für Potsdam selbst. Wenn die Initiatoren des Wiederaufbaus ihrer historischen Verantwortung gerecht werden. Ein Kommentar von PNN-Chefredakteurin Sabine Schicketanz.

Nun wird er wirklich in die Silhouette Potsdams wachsen, der Turm der Garnisonkirche. Der Bau hat begonnen, zwölf Jahre nachdem einst eher symbolisch der Grundstein gelegt worden ist. Allein diese Zeitspanne des Ringens um Legitimation und Geld zeigt: Unumstritten wird dieser Bau nie sein. Kann er nie sein. Entscheidend aber ist, was Potsdam daraus macht.

Den Initiatoren, Unterstützern und Befürwortern obliegt die historische Verantwortung, dass mit dem Turm tatsächlich gelingt, was lang versprochen ist, aber noch immer seltsam konturlos bleibt: ein Versöhnungsort, ein Ort des Friedens und des Lernens, der schonungslosen Konfrontation mit der deutschen Geschichte. Eben der Ort nationaler und europäischer Bedeutung, den die Bundesregierung mit zwölf Millionen Euro fördert.

Vielleicht ist der Ursprung des Vorhabens auch sein Geburtsfehler

Jene, die mahnen, dass dieser Zweck klarer, verständlicher und greifbarer werden muss – sie mahnen zu Recht. Zwischen dem heutigen Narrativ des Wiederaufbaus und den einstigen Motiven, die Garnisonkirche als Kopie ihrer selbst neu erstehen zu lassen, liegt eine breite Kluft. Vielleicht ist der Ursprung des Vorhabens auch sein Geburtsfehler, der nur zäh auszumerzen ist. So waren es eben Traditionalisten und rechtskonservative Militärs, manch Ewiggestrige, die die einstige Militärkirche wiederaufbauen wollten – aller geschichtlicher Belastung durch den "Tag von Potsdam" und allen Widerständen zum Trotz.

Die Distanzierung der heutigen Bauherren, der evangelischen Stiftung Garnisonkirche, ist glaubwürdig. Aber es war ein langwieriger Prozess, ein quälender, oft unter Druck der legitimen Kritik. Was im Ergebnis daraus wurde, hat demokratische Legitimation. Sowohl die Synodalen der Evangelischen Kirche als auch Potsdams Stadtverordnete haben den Wiederaufbau als Friedens- und Versöhnungsort beschlossen und unterstützt. Es ist kein Elitenprojekt mehr. Das sollten die Kritiker respektieren und akzeptieren. Wenn es auch einen bitteren Beigeschmack hinterlassen mag, dass die Gelder für den Turmbau zu Potsdam mitnichten, wie einst als Ziel ausgerufen, allein Spenden sind – neben den Millionen vom Bund gibt die Evangelische Kirche fünf Millionen Euro an Krediten.

Potsdams innere Versöhnung ist geknüpft an mehr als das, was im neuen Turm stattfinden wird

Ja, Versöhnung kann der Garnisonkirchturm bringen, auch für Potsdam selbst. Vielleicht. Wenn das Versprechen eingehalten wird, der Turm kein Wallfahrtsort der Deutschtümelei wird, dann kann die Stadt diese Wiedergutmachung für die Sprengung der Kirche durch das DDR-Regime 1968 guten Gewissens annehmen. Sie kann sich erfreuen an der Rückkehr eines architektonischen Wahrzeichens – jedoch nur, wenn sie es dabei nicht belässt. Potsdams innere Versöhnung ist geknüpft an mehr als das, was im neuen Turm stattfinden wird. Es gilt, die Spannungen der Stadtgesellschaft aufzunehmen: Mit einem Quartier, das einen Ort für Künstler enthält, wie es jetzt das Rechenzentrum neben dem Garnisonkirchturm ist. Mit einem Kirchenschiff, das überhaupt nur als moderner Bau wiederkehren kann, interreligiös genutzt, wie es Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe schon skizziert hat. Mit Platz für Aufarbeitung nicht nur der zwiespältigen Vergangenheit der Garnisonkirche. Sondern auch mit Platz für die jüngste zeitgeschichtliche DDR-Epoche, deren Spuren schwinden, während das Barocke wiederkehrt. In Potsdams Mitte muss viel mehr wachsen. Mit dem neuen Friedensturm.

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