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Im Fluss. Fotomontage mit der historischen Garnisonkirche vor dem heutigen Rechenzentrum.

© Bernd Settnik/dpa

Wiederaufbau der Garnisonkirche: Der Turmbau zu Potsdam

Der Kredit der evangelischen Landeskirche hilft dem Wiederaufbau der Garnisonkirche. Doch es bleiben viele Fragen. Ein Überblick.

Potsdam - Am Ende fiel die Entscheidung der Synode der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) doch klar aus. Einer Vorlage von Landesbischof Markus Dröge, die ein zinsloses Darlehen in Höhe von 3,25 Millionen Euro an Stiftung Garnisonkirche vorsieht, stimmte in geheimer Abstimmung eine Mehrheit von 66 Synodalen zu, bei 31 Gegenstimmen und 6 Enthaltungen. Zuvor hatte es – wie berichtet – bereits am Freitag eine lebhafte Debatte über die umstrittenen Pläne gegeben. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will voraussichtlich weitere 1,5 Millionen Euro als Kredit geben. Was bedeutet das für das Wiederaufbauprojekt? Ein Überblick:

Was genau wird mit dem Darlehen der Landeskirche geregelt?

Die Landeskirche lässt sich mit dem zinslosen Darlehen ein Mitspracherecht bei der Gestaltung des Kirchenschiffs bei der Wiederaufbaustiftung einräumen – per Eintragung ins Grundbuch. Damit will Landesbischof Dröge sicherstellen, dass – wie von ihm als Bedingung seit November bekannt – die komplette Garnisonkirche nicht vollständig nach historischem Vorbild wiedererrichtet wird. Vielmehr soll im Kirchenschiff – sollte es je erbaut werden – der Bruch mit der Tradition deutlich werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Nutzung als Friedens- und Versöhnungszentrum von nationaler Bedeutung und der Bruch mit der Geschichte der Kirche auch in der Architektur erkennbar ist. Mit dem Darlehen werde ein deutliches Zeichen gesetzt, dass die Kirche die im „Torso der Garnisonkirche“ geplante Versöhnungsarbeit unterstütze, sagte Dröge: „Wir wollen, dass der Turm der Garnisonkirche gebaut wird.“ Das Bauvorhaben ist umstritten, Kritikern gilt die Garnisonkirche als Symbol des preußischen Militärs und der Verstrickung von Kirche und NS-Regime. Im Fokus dabei: Der „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933, als sich Reichskanzler Adolf Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg an den Grabstätten der beiden preußischen Könige – Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große – die Hand reichten.

Was bedeutet das Darlehen für die Ausrichtung des Projekts?

Die Landeskirche weitet ihren Einfluss aus: Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms soll in das Kuratorium der Garnisonkirchenstiftung aufgenommen werden. Auch soll die Stiftung noch mehr mit der Nagelkreuzgemeinschaft zusammenarbeiten, einem weltweiten Netzwerk, das sich in enger Verbindung zur von den Nazis zerbombten Kathedrale von Coventry für Frieden und Versöhnung einsetzt. Beides soll damit in Potsdam noch stärker betont werden als ohnehin schon. Dröge sagte denn auch: Das geplante Versöhnungszentrum könne „ein erkennbarer Symbolort der Auseinandersetzung mit der Geschichte und der dringend nötigen friedensethischen Diskussion der Gegenwart“ sein. Und die frühere FDP-Politikerin, Irmgard Schwaetzer, die Präses der Synode der EKD und stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende der Garnisonkirchen-Stiftung ist, sagte: Es gebe keinen anderen Ort in der Landeskirche, an dem der „Bemächtigung einer evangelischen Gemeinde durch den Faschismus, wie am Tag von Potsdam geschehen, so fokussiert nachgegangen werden kann“. Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink sagte, der Wiederaufbau sei auch ein Beleg dafür, dass sich die Kirche ihrer Verantwortung für die zwiespältige und ambivalente deutsche Geschichte stelle.

Wie steht das Projekt jetzt da?

Das Darlehen der Landeskirche, dass über einen Zeitraum von 30 Jahren aus Einnahmen nach der Errichtung des Kirchturms zurückgezahlt werden soll, und der Kredit der EKD bringen die Aufbaustiftung ein gehöriges Stück voran. Schwaetzer sprach von „wesentlichen Schritten zur Realisierung“ des Turms, der 1945 von Bomben zerstört und dessen Ruine 1968 auf Geheiß der DDR-Oberen gesprengt wurde. Matthias Dombert, Vorsitzender der Fördergesellschaft, sagte, der Synodenbeschluss sei ein „ großartiges Zeichen“ für die weitere Mitteleinwerbung. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nannte den Beschluss einen wichtigen Schritt, „um das Projekt entscheidend voranzubringen. Ein Baustart rückt damit in greifbare Nähe.“ Tatsächlich drängt die Zeit. Die Baugenehmigung wurde 2013 erteilt und läuft 2019 aus. Der Wiederaufbau soll 2017 starten – das wäre nun auch tatsächlich möglich. Denn Teil des hinter den Kulissen ausgehandelten Darlehens der Landeskirche ist eine neue Strategie beim Bau selbst. Ein Start wäre möglich, wenn auf die Haube und Zierrat verzichtet wird. Das würde die Kosten zunächst auf 26 Millionen Euro senken. Grundsätzlich bleibt es bei den geplanten Kosten von 38 Millionen Euro für den Bau des Kirchturms – auch wenn Kritiker davor warnen, die Kalkulationen seien veraltet und der Turm könnte deutlich teurer werden. Stiftung und Fördergesellschaft erhoffen sich, dass mit dem errichteten Turm die Spendenbereitschaft deutlich steigt.

Reicht das Geld jetzt für den Bau eines Rumpfturmes?

Ganz klar: nein. Für den ersten Bauabschnitt fehlen nach Stiftungsangaben weiter noch 2,8 Millionen Euro. Auch das von der EKD in Aussicht gestellte Darlehen von 1,5 Millionen ist in dieser Berechnung schon berücksichtigt. Auch ein finanzielles Engagement des Kirchenkreises steht im Raum. Schließlich soll alles erst fließen, wenn die Gesamtfinanzierung für die Rumpfvariante steht. Um an die fehlenden Gelder bis zum avisierten Baustart 2017 zu kommen, plant die Fördergesellschaft nun eine neue Spendenoffensive. Der Vorsitzende der Fördergesellschaft Matthias Dombert sagte den PNN: „Wir setzen ab Montag unser Marketing- und Spendenkonzept um.“ Flächendeckend sollen Unternehmen zunächst in Brandenburg und Berlin, später auch darüber hinaus angesprochen werden. Auch bei der Ziegelstein-Spendenaktion will die Fördergesellschaft wieder Fahrt aufnehmen. Parallel bemühen sich die prominenten Kuratoriumsmitglieder um Großspender.

Ist die Förderung durch den Bund sicher?

Keineswegs, das ist ein Knackpunkt in der Kalkulation der Stiftung. Der Bundestag hatte vor einigen Jahren beschlossen, den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms als Projekt von nationaler Bedeutung mit 12 Millionen Euro zu unterstützen. Immerhin war die bis 1735 errichtete Garnisonkirche einer der bedeutendsten Bauten des norddeutschen Barock. Das Geld des Bundes hat die Stiftung nun für die abgespeckte Variante bereits mit einberechnet. Ob diese noch dem Willen des Bundestags entspricht und nach der Bundeshaushaltsordnung förderfähig ist, muss Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium erst noch prüfen. Dazu muss die Stiftung dem Bund ein Finanzierungsplan vorlegen. Rechtlich handelt es sich beim Wiederaufbau um ein rein privates Vorhaben, eigentlich reicht es schon, wenn selbst mit dem Rumpfturm eine sogenannte nutzbare Einheit entsteht. Der Bund hatte die Förderung an die Bedingung geknüpft, dass die Gesamtfinanzierung steht und die Restkosten über private Spenden finanziert werden. Allerdings haben Stiftung und Fördergesellschaft die neue Strategie für den Baustart nicht im Blindflug erdacht. Beide hätten die kostengünstigere, vorläufige Turmvariante nicht vorgeschlagen, wenn sie davon ausgehen müssen, dass der Bund diesen Weg kategorisch ablehnt. Zumal die Stiftung gut vernetzt ist und auch Gesprächsfäden zum Bund pflegt.

Wie ist der Beschluss der Landeskirche zu werten?

Zwiespältig. Schon die Debatte in der Synode war ungewöhnlich polarisiert, die Kritiker meinungsstark. Dann die geheime Abstimmung, die in einer evangelischen Synode nur ausnahmsweise vorkommt und stets ein Zeichen dafür ist, dass ein Thema besonders umstritten ist. Aber auch das Ergebnis bei der Abstimmung offenbarte, wie gespalten die Landeskirche ist. Die 66 Stimmen für das Darlehen werden von Kirchenkennern nicht als starkes Ergebnis gewertet, sondern eher als Zeichen, wie groß der Widerstand in der Kirche weiter ist. Landesbischof Dröge sagte nicht umsonst: „Wir haben wirklich miteinander gerungen.“ Zum Vergleich: Bei der beschlossenen Trauung gleichgeschlechtlicher Paare fiel das Ergebnis deutlicher aus: 91 dafür, 10 dagegen.

Wie geht es mit den Gegnern in Potsdam weiter?

Der Bürgerdialog um die Plantage war Mitte März für gescheitert erklärt worden. Die Gegner wollen vor Baustart des Turmes eine Bürgerbefragung, die Stiftung und die Fördergesellschaft verweisen auf die Baugenehmigung. Tatsächlich ist es verfassungsrechtlich bedenklich, Bürger über eine erteilte Verwaltungsentscheidung bestimmen zu lassen. Denn genau das ist auch eine Konsequenz aus dem Dritten Reich: Schutz rechtsstaatlicher Verfahren und Entscheidungen vor der Willkür vermeintlicher Mehrheiten. Über die rechtlichen Grundlagen will die Fördergesellschaft die Kritiker in weiteren Veranstaltungen informieren. Klar ist auch, dass es bisher nur für den Turm konkrete Pläne gibt. Potsdams Linke-Kreischef Sascha Krämer sieht deshalb auch Kompromisslinien: „Wenn wir schon beim Rekonstruieren sind, dann findet sich bestimmt ein Sponsor, der das Rechnenzentrum saniert.“ Dort haben Künstler und Kreative eine neues Zentrum gefunden. Krämers Idee: Mit dem Rechenzentrum „bekäme der Turm sein modernes Schiff und Potsdam ein ein interessantes und spannungsreiches Ensemble“.

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