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Landeshauptstadt: Wieder Ärger mit Icomos

Welterbe-Berater sind wegen Bauprojekt an der Nuthestraße in Sorge. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht

Zentrum Ost - Der seit gut zwei Jahren währende Streit zwischen Denkmalpflegern um ein Wohnprojekt im Zentrum Ost hat jetzt auch die Unesco-Welterbehüter von Icomos auf den Plan gerufen. Man beschäftige sich damit, ob „Planungen, die von den für die Welterbestätte ,Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin’ Verantwortlichen erarbeitet wurden, den Welterbestatus der Welterbestätte gefährden könnten“, sagte der für Potsdam zuständige Icomos-Mitarbeiter Thomas Ludwig auf PNN-Anfrage.

Die Botschaft, wenn auch etwas verklausuliert formuliert, ist klar: Auch Icomos teilt ganz offensichtlich die Bedenken der Schlösserstiftung und des Landesdenkmalamtes Brandenburg bezüglich der Dimensionen der geplanten Wohnbebauung, die sich zwischen Havelufer und Humboldtring parallel zur Nuthestraße erstrecken soll. Der Internationale Rat für Denkmalpflege, wie sich Icomos mit vollem Namen nennt, berät die Unesco in Welterbefragen und schlägt in New York Alarm, wenn Bauvorhaben den Unesco- Welterbestatus gefährden – was zur Folge hat, dass die betreffende Stätte auf die Rote Liste gesetzt wird. In Potsdam drohte ein solches Verfahren bereits zweimal: im Zuge der überdimensionierten Pläne für das Potsdam-Center – heute Bahnhofspassagen genannt – und die Bebauung des Glienicker Horns. Beides liegt lange zurück.

So weit ist es im Zentrum Ost sicher noch nicht. Doch dass sich das Verfahren derartig lange hinzieht, zeigt, dass man sich im Rathaus über den Ernst der Lage durchaus im Klaren ist.

Im Mittelpunkt des Streits stehen die Pläne für eine Bebauung einer etwa 30 000 Quadratmeter große Fläche zwischen Humboldtring und Havel (PNN berichteten). Der Investor, die Firma BMP Immobilienentwicklung Berlin, will auf der Brache etwa 270 Wohnungen bauen. 2014 hatte die Stadtverwaltung die ersten Pläne vorgestellt. Demnach sollten fünf je drei- bis fünfgeschossige Wohnblocks entstehen zuzüglich mehrerer kleinerer Gebäude in der Nähe des Havelufers.

Da das Areal in der engeren Pufferzone des Welterbeparks Babelsberg liegt, waren Schlösserstiftung und Landesdenkmalamt von Anfang an gegen die Pläne Sturm gelaufen. Tenor: Die Massivität der Bebauung zerstöre die letzten verbliebenen Sichtachsen zwischen dem Babelsberger Park und der Potsdamer Innenstadt. Neben der Höhe der Bebauung reiben sich die Denkmalpfleger vor allem daran, dass sich der Gebäudekomplex bis zum Havelufer erstrecken soll.

In der Tat: Im Flächennutzungsplan ist fast die Hälfte des betroffenen Areals als Grünfläche ausgewiesen. Dieser Plan, so das Argument, war in den 1990er-Jahren zwischen allen Beteiligten mühsam ausgehandelt worden. Damals wollte ein anderer Investor dort ebenfalls ein Wohnbauprojekt verwirklichen, das sogenannte Potsdamer Fenster. Dazu kam es nie, der Investor schlitterte in die Pleite. Doch Stiftung und Landesdenkmalamt sehen keinen Anlass, heute mehr Bebauung zuzulassen als damals geplant war. „Eine über die Grenzen des Flächennutzungsplans hinaus gehende Bebauung“ könne man „nicht mittragen“, sagte ein Stiftungssprecher den PNN.

Trotzdem beschlossen die Stadtverordneten im Frühjahr 2015 die Aufstellung eines Bebauungsplans. Seitdem hat sich allerdings nicht viel getan. Zwar hatte der Investor Kompromissbereitschaft gezeigt: So sollte etwa die Höhe der Gebäude auf maximal drei Vollgeschosse beschränkt, einer der Blöcke weiter von der Nuthestraße abgerückt und die Bebauung an der Havel aufgelockert werden. Doch den Denkmalpflegern geht das nicht weit genug. Man tritt auf der Stelle.

Dementsprechend zurückhaltend fallen die Stellungnahmen der Beteiligten aus. „Die Planung in diesem unzweifelhaft sensiblen Bereich ist Gegenstand laufender Gespräche mit dem Ministerium, dem Landesamt und der Stiftung“, erklärte die Stadtverwaltung. Gegenwärtig könne deshalb nicht prognostiziert werden, wie die Planung fortgeführt werde. Der Investor hält zwar an dem Bauvorhaben fest. Was der andauernde Konflikt allerdings für das Projekt bedeutet, will BMP-Geschäftsführer Roland Benz auf Nachfrage nicht kommentieren. „Aktuell laufen intensive Gespräche über das weitere Vorgehen zur Planungsrechtschaffung“, teilte er den PNN mit. Auch die Schlösserstiftung erklärte lediglich, dass es Gespräche gegeben habe. „Weitere sollen folgen“, sagte ein Sprecher salomonisch.

Eine einvernehmliche Lösung scheint nahezu ausgeschlossen. Hielte der Investor die Vorgaben des Flächennutzungsplans ein, fiele das Projekt am Ende deutlich kleiner als beabsichtigt aus. Eine Aussicht, die das Unternehmen kaum überzeugen dürfte. Und auch für die Stadtpolitik wäre ein Rückzieher problematisch. Schließlich war seinerzeit auf SPD-Antrag beschlossen worden, dass der Investor zehn Prozent der Wohnungen als Sozialwohnungen vorhalten soll. Finanziert werden sollte das aus der Bodenwertsteigerung im Zuge der Umwidmung der Grünfläche zu Bauland.

Entscheiden muss wohl Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD), wie immer in sogenannten Dissensfällen zwischen Stadt, Stiftung und Landesdenkmalamt. Ein Verfahren könne aber erst eingeleitet werden, wenn es um die Genehmigung eines konkreten Bauvorhabens gehe, sagte ein Ministeriumssprecher. In der Vergangenheit hatte die Ministeriumsspitze mehrfach zugunsten des SPD-geführten Rathauses entschieden. Stiftung und Denkmalamt bliebe dann zwar noch der Klageweg. Doch der birgt auch ein Risiko. Denn bei einer Niederlage, angesichts des herrschenden Wohnraummangels durchaus im Bereich des Möglichen, würde ein Präzedenzfall für künftige Konfliktfälle geschaffen. (mit pee)

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