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Durchblick. Mitglieder des „Wissenschaftsladens“ Potsdam drucken Einzelteile für Schutzvisiere und übergaben 300 Stück davon an das St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam. Pfleger Bela demonstriert die Handhabung der Visiere. Fotos: Andres Klaer

© Andreas Klaer

Wie Potsdamer in der Coronakrise helfen: Gesichtsschutz aus dem 3D-Drucker

Der Wissenschaftsladen stellt Gesichtsschilde her und verschenkt 100 an das St. Josefs-Krankenhaus. Damit die Produktion weitergehen kann, wird um Spenden gebeten.

Potsdam - Der Mangel an medizinischer Ausrüstung in Krankenhäusern hat bei vielen Potsdamern kreative Energie ausgelöst: Mitarbeiter der Filmstudios Babelsberg und des Hans-Otto-Theaters sowie Privatpersonen nähen Gesichtsmasken für das medizinische Personal (PNN berichteten). Auch die Mitglieder des gemeinnützigen Wissenschaftsladens Potsdam e.V. beteiligen sich an den Hilfsaktionen: Mit Gesichtsschilden aus dem 3D-Drucker. Die ersten 100 Stück wurden am Freitag unentgeltlich an das St. Josefs-Krankenhaus übergeben. „Der Weltmarkt ist leergefegt von medizinischer Schutzausrüstung, daher sind wir sehr dankbar für dieses unkonventionelle Engagement“, sagt Krankenhausprecher Benjamin Stengl. Eingesetzt werden sollen die Gesichtsschilde auf der Covid 19-Station.

Die Vorrichtung ist denkbar einfach: Ein 3D-gedruckter Träger aus Hartplastik, der mit einem Gummiband an der Stirn befestigt werden kann, hält eine auswechselbare Plastikfolie, die das Gesicht von vorne abschirmt. Die Plastikfolie muss keine Sonderanfertigung sein, es kann auch eine ganz normale Klarsichthülle aus dem Schreibwarenladen benutzt werden, deren Löcher passen perfekt zum Träger. Damit sind die Gesichtsschilde zwar kein Ersatz für einen Mundschutz, der zusätzlich getragen werden muss, schützen aber insbesondere die Augen, über die durch Tröpfcheninfektion ebenfalls Erreger in den Körper eindringen können. „Außerdem verhindert es, dass man sich ins Gesicht fasst“, sagt Frieder Knabe vom Wissenschaftsladen.

Willkommener Schutz für das Personal

Natürlich seien Medizingeräte normalerweise strengen Sicherheitsvorschriften unterworfen, sagt Stengl, aber angesichts der prekären Situation seien die selbstgemachten Gesichtsschilde sehr willkommen, um das Personal des Krankenhauses zu schützen. „Die Geräte entsprechen unseren Minimalanforderungen, können desinfiziert werden und sind wiederverwendbar“, so Stengl.

Bereits vor zwei Wochen hatten sich die Mitglieder des Wissenschaftsladens Gedanken gemacht, wie man die Krankenhäuser und Rettungsdienste in der Corona-Krise unterstützen könnte. „Wir hatten zuerst die Idee, Gesichtsmasken zu drucken, aber das war zu aufwändig und sie wären nicht luftdicht gewesen.“ Über das „Netzwerk der offenen Werkstätten Brandenburg“ kam man auf den Gesichtsschild: „Durch das Netzwerk hatten wir einen tollen Informationsaustausch“, sagt Marzin Koll vom Wissenschaftsladen.

Simpel. An der Halterung wird eine Klarsichtfolie befestigt.
Simpel. An der Halterung wird eine Klarsichtfolie befestigt.

© Andreas Klaer

Gedruckt wurden die Gesichtsschilde mit den 3D-Druckern der offenen Werkstatt des Wissenschaftsladens, der „Machbar“, die sich auf dem alternativen Kulturgelände Freiland befindet. Solche Werkstätten oder auch „Maker Spaces“ gibt es in ganz Deutschland, laut Koll gebe es derzeit eine Community von rund 800 Aktiven, die bundesweit Gesichtsschilde drucke. Die Pläne für den Gesichtsschild sind Open Source, also frei verfügbar und unterliegen keinem Urheberrecht, weshalb jeder mit einem 3D-Drucker sie herstellen kann. „In vielen Arztpraxen werden sie schon eingesetzt“, sagt Koll.

Anfragen für 3000 Schilde aus Potsdam

Die Gesichtsschilde können in weniger als 30 Minuten gedruckt werden, 250 wurden in Potsdam bereits produziert – angefragt sind 3000 Stück. „Als wir vorsichtig bei der AWO, beim Deutschen Roten Kreuz oder beim St. Josefs-Krankenhaus gefragt haben, ob sie so etwas gebrauchen können, haben sie sofort große Stückzahlen angefragt“, sagt Koll. Das St. Josefs-Krankenhaus etwa benötigt insgesamt 300 solcher Gesichtsschilde, die AWO rund 1000. Das Bergmann-Klinikum habe laut Koll noch nicht nachgefragt, soll aber bei Interesse ebenfalls Gesichtsschilde bekommen.

Seit Mittwoch laufen die 3D-Drucker auf Hochtouren: „Wir haben haben es geschafft, eine Tagesproduktion von circa 100 Stück zu erreichen“, so Koll. Finanziert wird das Ganze aus privater Tasche, alle Gesichtsschilde sollen verschenkt werden. Die Materialkosten pro Schild betragen zwischen vier und zehn Euro, je nach Material und Drucker. Angesichts der großen Nachfrage ist der Wissenschaftsladen auf Spenden angewiesen, um weiterdrucken zu können: Kontoverbindungen findet man auf der Webseite der Machbar unter www.machbar-potsdam.de/about .

Aber auch alle weitere Hilfe ist willkommen: „Wer ungenutzte 3D-Druckkapazitäten hat, ist aufgerufen, sich unter coronahilfe@wilap.de oder per Anrufbeantworter unter Tel. (0331) 28 12 89 11 melden“, heißt es in der Pressemitteilung des Wissenschaftsladens. „Wir unterstützen den Aufruf ausdrücklich“, sagt Stengl.

Angst vor Abmahnungen muss der Wissenschaftsladen nicht haben, da die Gesichtsschilde nicht verkauft, sondern verschenkt werden. Tatsächlich riskieren Privatpersonen, die Gesichtsmasken herstellen und verkaufen, Straf- und Bußgeldzahlungen durch Abmahnungen. Wer seine Masken als „Gesichtsschutz“ bezeichnet, mache laut dem Wettbewerbsrecht unzulässige Werbung für ein Medizinprodukt, warnt Toni Becker, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Potsdam: „Tipp: Auf das Wort ‚Schutz' verzichten und auf die richtige Bezeichnung der selbstgenähten Masken achten, damit die Geschäftsidee nicht in eine teure Abmahnfalle führt“, so Becker.

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