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Der Potsdamer Alltag hält für viele der 22.000 Menschen mit Behinderung in dieser Stadt einige Hürden parat.

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Wie behindertengerecht ist Potsdam?: Barrierefrei bis 20 Uhr

Die Stadt Potsdam will Behinderten den Alltag erleichtern. Doch an vielen Stellen hakt es noch. Die PNN geben einen Überblick.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Komme ich mit dem Rollstuhl in die Straßenbahn? Wie finde ich eine barrierefreie Wohnung? Und wie kann ich als Blinder ein Formular auf der Webseite der Stadtverwaltung finden? Der Alltag hält für viele der rund 22 000 Potsdamer mit Behinderung Hürden parat. Die Stadt hat sich auf die Fahnen geschrieben, ihre Situation zu verbessern und dafür im sogenannten Teilhabeplan mehrere Maßnahmen festgelegt. Am gestrigen Montag stellte der städtische Behindertenbeauftragte Christoph Richter vor, was bislang erreicht wurde. Die PNN geben einen Überblick über die wichtigsten Themen – und lassen auch die Vorsitzende des Behindertenbeirats, Nicole Einbeck, zu Wort kommen. Aus ihrer Sicht könnte an manchen Stellen noch mehr passieren.

Fußgänger

Blinde und Sehbehinderte, die zu Fuß in Potsdam unterwegs sind, sind auf Ampeln angewiesen, die mit einem Geräusch signalisieren, ob sie die Straße überqueren können oder nicht. Laut Richter sind mittlerweile zwei Drittel der Ampeln dementsprechend ausgerüstet. Problematisch sei allerdings, dass manche Ampeln nach 20 Uhr komplett ausgeschaltet würden, so Einbeck. Daueraufreger sind außerdem das Kopfsteinpflaster und nicht abgesenkte Bordsteine, die Rollstuhlfahrern oder auch Senioren mit Rollator oder Eltern mit Kinderwagen das Leben schwer machen. Als positives Beispiel nannte Richter den Otto-Braun-Platz zwischen Landtag und Alter Fahrt oder die Brandenburger Straße. Auch er sieht aber vor allem in der Innenstadt noch Nachholbedarf. Oft scheitere die Barrierefreiheit am Denkmalschutz, so Richter, das gelte auch zum Beispiel für Rampen an historischen Gebäuden. Den Dauerstreit mit dem Denkmalschutz kennt auch Einbeck. Sie würde sich eine Art Runden Tisch zum Thema Bauen wünschen, an dem auch der Behindertenbeirat zu Wort komme. „Wir können bislang immer nur hoffen, dass wir rechtzeitig informiert werden. Manchmal ist es schon zu spät für Einwände.“ Besser wäre eine automatische Miteinbeziehung des Behindertenbeirats, sagt sie.

Öffentlicher Nahverkehr

Mit dem Ausbau der Tramhaltestellen ist die Stadt schon recht weit vorangekommen, 90 Prozent sind mittlerweile behindertengerecht. Die einzigen noch nicht barrierefreien Stopps sind Brandenburger Straße, Nauener Tor, Reiterweg/Alleestraße und Im Bogen/Zeppelinstraße. Zudem wurden an einigen Knotenpunkten Außenansagen eingerichtet. Sie informieren darüber, welche Linie ankommt und wohin sie fährt. Auch hier wünschen sich sowohl Richter als auch Einbeck einen Ausbau. Viele wüssten nicht, was als Knotenpunkt definiert werde und seien verwirrt, dass die Bahnen an manchen Haltestellen angesagt würden und an manchen nicht, so Einbeck.

Schulen und Kitas

Neue Schulen, die die Stadt baut, werden alle barrierefrei gestaltet, so Richter. Alte Gebäude haben aber Bestandsschutz, sodass insgesamt 13 gar nicht und drei nur teilweise barrierefrei sind. Allerdings sieht Richter noch ein anderes Problem: So sei die Raumprogrammempfehlung des Landes noch nicht auf Inklusion eingestellt – obwohl ja geplant ist, Förderschulen langfristig abzuschaffen. Nötig seien spezielle Förderräume, die mangels Landesfinanzierung aber auch bei Neubauten nicht enthalten seien, so Richter.

Kommunikation

Die sogenannte Leichte Sprache, die Geschriebenes und Gesprochenes besser verständlich machen soll, ist mittlerweile im Rathaus angekommen. In Fortbildungen werden die Mitarbeiter Stück für Stück in dem Bereich geschult, vor allem jene, die Texte publizieren oder mit Publikumsverkehr zu tun haben, also etwa im Bürgerservice, so Richter. Außerdem wird derzeit die Webseite der Stadt in Leichte Sprache übersetzt, Ende des Jahres soll das fertig sein. Barrierefrei sei potsdam.de dann aber noch nicht, so Einbeck. So sei die Seite zum Beispiel nur eingeschränkt für Blinde nutzbar. Dokumente etwa in PDF-Form könnten zwar mit einer Software vorgelesen werden. Die Suchfunktion sei dafür aber nicht geeignet.

Wohnen

Auch alte Wohnbauten haben Bestandsschutz, hier kann also wie bei den Schulen keine Barrierefreiheit eingefordert werden. Doch bei Neubauten gibt es klare Regeln, so Richter. So müsse laut Landesbauordnung jedes Mehrfamilienhaus, das neu gebaut wird, mehrere barrierefreie Wohnungen vorhalten. Barrierefreie Wohnungen gibt es in Potsdam genug, so auch Einbeck. Allerdings würde sie sich eine stärkere Durchmischung wünschen – innerhalb eines Hauses und innerhalb der Stadt. Als Beispiel nannte sie den Alten Markt, wo auf dem Fachochschulgelände zwei neue Karrees entstehen sollen. „Dort könnten ja auch barrierefreie Wohnungen entstehen“, so Einbecks Vorschlag.

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