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Wetter in Potsdam: „Eisheilige sind nicht umsonst im Mai“

Thomas Endrulat vom Deutschen Wetterdienst erklärt, warum es derzeit in Potsdam ungewöhnlich kalt ist, wann der Frühling kommt und warum das Wetter nichts mit dem Klimawandel zu tun hat

Herr Endrulat, das Wetter fühlt sich jetzt schon seit einigen Wochen alles andere als frühlingshaft an. Wie warm sollte es jetzt eigentlich sein?

Rechnerisch gesehen müssten die Durchschnittswerte in der Nacht bei sieben und am Nachmittag bei 18 Grad liegen.

Das trifft ja aber leider nicht zu. Warum ist es jetzt so kalt?

Das liegt daran, dass wir in letzter Zeit sehr oft kalte Strömungen aus nördlicher Richtung zu uns gelangen – aus Nordwest oder Nordost. Das heißt, dass kalte Luft zu uns herüberströmt. Das ist für die meisten natürlich nicht das, was man sich unter Frühlingswetter vorstellt.

Ist das sehr ungewöhnlich?

So oft kommen die kalten Temperaturen im Mai nicht vor. Aber es ist auch nicht ungewöhnlich, dass es bis in die Mitte des Mais noch Frost gibt. Die Eisheiligen sind nicht umsonst im Monat Mai. So ist es dann auch statistisch gesehen nicht neu, dass es bis Mitte Mai hin und wieder Frost gibt.

Wann kam es zum letzten Mal vor, dass es im Mai so kalt war?

1978 gab es einen richtig kalten Mai, zuletzt war es im Mai 2011 mit Nachtfrost und Tagestemperaturen um fünf, sechs Grad sehr kalt. Auch im Mai 1996 war es sehr kalt. In diesem Jahr ist es aber auffällig, dass es nicht nur in den Nächten sehr kalt ist, sondern dass die Temperaturen selbst am Tage nicht ansteigen. Das passiert nicht so häufig. Wir benutzen hier beim Wetterdienst ein Modell, mit dem wir das Wetter für die nächsten 14 Tage berechnen – und das stets auch die Prognosen für diesen Zeitraum der vergangenen Jahre anzeigt. Dieses Modell hat uns jetzt die Prognosen an der untersten Linie angezeigt. Das heißt also: Das Wetter ist zurzeit alles andere als eine mittelmäßige oder normale Entwicklung, sondern eine sehr kalte Entwicklung.

Wann wird es denn nun endlich warm?

Jetzt am Wochenende erreichen wir fast Normaltemperaturen: Es wird angenehm warm mit Temperaturen um 15 bis 17 Grad und Sonnenschein.

Und dann ist der Frühling endlich da?

Leider nein. Das milde Wetter zeigt sich nur vorübergehend. Schon am Anfang der Woche gehen die Temperaturen wieder in den Keller. Vom Südpolarmeer strömt kalte Luft zu uns. Dann erwarten uns Tagestemperaturen um die acht Grad und Nachttemperaturen von drei bis null Grad. Aber in der zweiten Wochenhälfte soll es schon wieder aufwärts gehen, in Richtung 18, 19 Grad. Das ist dann auch der Temperaturwert, der als mittlerer Wert normal für diese Jahreszeit ist.

Gibt es wenigstens eine Bauernregel, die besagt, dass nach einem kalten April oder Mai ein langer Sommer folgt?

Nicht, dass ich wüsste. Es gibt aber sicherlich welche, die die Gärtner davor warnen, vor den Eisheiligen vom 11. bis 15. Mai ihre Pflanzen auszubringen – weil es eben noch mal gefrieren und die Pflanzen zerstören kann.

Hängt die aktuelle Entwicklung mit dem Klimawandel zusammen?

Nein, das glaube ich nicht. Es handelt sich um eine normale Schwankung, die immer mal wieder vorkommt. Uns erreichen eben immer mal wieder Luftströmungen aus dem Süden oder aus dem Norden und entsprechend warmes oder kaltes Wetter. Und genau diese Schwankungen machen unser Wetter in Mitteleuropa aus. So einen Einzelfall kann man sowieso nicht mit dem Klimawandel in Verbindung bringen, dazu müsste man eine Abweichung über einen längeren Zeitraum beobachten. Ich denke, was die Leute in diesem Jahr zur Verzweiflung treibt, ist die Tatsache, dass wir Ende März schon einmal richtig schönes Wetter mit Temperaturen um die 20 Grad hatten. Da haben sicherlich viele gehofft: So, das war’s jetzt mit dem Winter, der Frühling ist da. Aber das Wetter hat uns eines Besseren belehrt.

Das Gespräch führte Anne-Kathrin Fischer

Thomas Endrulat (55) leitet die Regionalzentrale des Deutschen Wetterdienstes mit Sitz in Potsdam, interimsweise derzeit in Stahnsdorf. Zuvor war er beim Wetterdienst in Leipzig tätig.

Anne-Kathrin Fischer

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