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Umstrittene Gesellen. Die Gehilfen des holländischen Nikolaus Sinterklaas werden traditionell schwarz geschminkt. Das hat nun vor dem Sinterklaasfest im Holländischen Viertel für Kritik gesorgt.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Wer den Schwarzen Peter hat

Kritik am Auftritt des „Zwarten Piet“ zum Sinterklaasfest. Der Veranstalter, das Jan-Bouman-Haus, weist Rassismus-Vorwurf zurück

Der Streit um den „Zwarten Piet“ hat auch Potsdam erreicht. Die schwarz geschminkte Figur, die beim niederländischen Sinterklaas-Fest traditionell als Helfer des heiligen Nikolaus den guten Kindern Geschenke bringt und den bösen mit der Rute droht, steht unter Rassismus-Verdacht: Die Figur verunglimpfe Menschen schwarzer Hautfarbe, so auch der Vorwurf einer UN-Arbeitsgruppe. Am Mittwoch nun urteilte das höchste niederländische Verwaltungsgericht in Den Haag, dass der Auftritt der Pieten nicht wegen möglicher Diskriminierung untersagt werden darf.

In Potsdam hat es unterdessen scharfe Kritik am Auftritt der schwarzen Pieten beim Sinterklaas-Fest im Holländischen Viertel gegeben. Eine Gruppe von Studierenden der Universität Potsdam, die sich mit kolonialen Spuren im heutigen Potsdam auseinandersetzt, sieht die Auftritte der Figuren stark an die Tradition der stereotypen Darstellung und Inszenierung schwarzer Menschen als Jahrmarktsattraktionen angelehnt. Die Studierenden des Arbeitskreises „Postcolonial Potsdam“ richten sich gegen die ihrer Meinung nach rassistische Praxis des „Blackfacing“, wenn weiße Menschen auf entwürdigende und beleidigende Art Afroamerikaner darstellen, um ein weißes Publikum zu unterhalten. „Wir würden gerne dazu anregen im Sinne des Potsdamer Toleranzedikts, darüber nachzudenken, ob Sinterklaas nicht ein weitaus erfreulicheres Fest für ganz Potsdam wäre, wenn dabei keine unbeabsichtigten rassistischen Bilder reproduziert würden“, so die Initiative.

Die Studierenden schlagen vor, die schwarzen Pieten nur mit ein paar schwarzen Streifen im Gesicht zu schminken, um auf eine mögliche Herkunft des Piet als Schornsteinfeger zu verweisen. Die Gruppe verweist auf Städte in den Niederlanden, in denen in diesem Jahr die Piet-Figur in anderen, bunten Farben oder kariert auftreten wird, um rassistische Assoziationen zu vermeiden. „Auf diese Weise wird es ermöglicht, ein tolerantes Fest für wirklich alle Mitbürger zu ermöglichen und transkulturelle Solidarität und Respekt auch tatsächlich zu leben und nicht nur auf dem Papier zu zelebrieren“, so die Studierenden. Man freue sich, in einer Stadt zu studieren, die sich selbst erst vor wenigen Jahren ein neues Toleranzedikt gegeben hat, „mit hohen und ehrbaren Werten wie Respekt, Toleranz und Solidarität“.

Der Veranstalter des Sinterklaas-Festes in Potsdam, das Jan-Bouman-Haus, äußerte sich zu dem Vorwurf der Studierenden auf Anfrage der PNN mit gemischten Gefühlen. Der Vorstandsvorsitzende Hans Göbel, der auch von anderer Seite Kritik erhalten hatte, sagte, dass es wichtig sei, über das Thema zu reden. „Wir sind nicht stur, aber wir können uns als deutscher Verein nicht über niederländische Traditionen hinwegsetzen.“ Da in den Niederlanden die Figur des Zwarten Piet zum Sinterklaas-Fest dazugehöre und dort mehrheitlich akzeptiert sei, werde man auch in Potsdam daran festhalten. Besorgt zeigte sich der Vereinsvorsitzende nun, dass es zum Potsdamer Sinterklaas-Fest, das der Verein ehrenamtlich auf die Beine stellt, zu Gegenaktionen kommen könnte. „Das ist ein Kinderfest, ich hoffe, dass dabei nichts passiert.“ Den Vorwurf, dass die Figur rassistische Ressentiments bediene, wies Göbel von sich: Durch den „Zwarten Piet“ werde niemand erniedrigt, es gebe auch keinen Zusammenhang mit der Sklaverei der Kolonialzeit. „Wir sehen keine bewusste Beleidigung anderer Menschen durch die Figur.“

Der Vereinsvorsitzende verwies auch darauf, dass man bereits seit 17 Jahren das Sinterklaas-Fest in Potsdam organisiere und Menschen verschiedenster Herkunft zu Gast habe. „Hier gab es nie Probleme.“ Der Verein beobachte die Debatte, die es in den Niederlanden seit Jahren gibt, sehr aufmerksam. Die niederländische Geschichte könne man allerdings nicht umschreiben. Vielmehr zeige man in einer Ausstellung die Geschichte des Brauchs und sei zur Diskussion bereit. Die Figuren aber, wie gefordert, anders darzustellen, das könne der Verein nicht. „Es steht uns nicht an, über Traditionen der Niederländer zu bestimmen.“ Solange die Pieten in den Niederlanden dazugehören, werde auch der Verein das so handhaben.

In den Niederlanden hatten Kritiker der jahrhundertealten Tradition beklagt, dass der Brauch an die Sklavenausbeutung in den niederländischen Karibik-Kolonien erinnere. 92 Prozent aller Niederländer wollen allerdings laut einer Umfrage an den schwarzen Pieten festhalten. Tatsächlich gibt es zur Herkunft der Figur verschiedene Erklärungen. Befürworter verweisen auf Quellen der europäischen Kulturgeschichte mit einem schwarzen Bischof, die seit dem Spätmittelalter bekannt sind. Die Figur habe mit der neuzeitlichen Versklavung von Afrikanern im Kolonialismus nichts zu tun. Andererseits wurde Sinterklaas 1850 erstmals von dem niederländischen Kinderbuchautor Jan Schenkman mit einem schwarzen Diener dargestellt. So wird eben auch ein Zusammenhang mit der niederländischen Kolonialzeit nicht ausgeschlossen. Jan Kixmüller

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