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Im Potsdamer Gasnetz gibt es viele tausend Sicherheitsventile. 

© Thilo Rückeis

Wenn das Gas knapp wird: Wie sich Potsdams Energieversorger auf den Winter vorbereitet

Energieversorger EWP bereitet verschiedene Szenarien vor. Kunden müssen sich auf steigende Preise einstellen - auch ohne Gasmangellage.

Potsdam - Was bedeuten die Nachrichten über die eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland für Potsdam? Wie bereitet sich der städtische Energieversorger EWP auf einen möglichen Gasmangel und den Winter vor? Womit müssen Kunden rechnen – und was können sie tun? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was hängt in Potsdam alles am Gas?

Nicht nur die Fernwärme, an die rund 60 Prozent der Haushalte angeschlossen sind, und die Gasversorgung von Privathaushalten, sondern auch der Strom: Im Heizkraftwerk Potsdam Süd wird aus Gas Fernwärme und Strom erzeugt. Dort entsteht ein Großteil des Energiejahresverbrauches von Potsdam, auch wenn der einzelne Haushalt seinen Strom über andere Versorger beziehen kann.

Hat Potsdam Alternativen zum Gas?

Das Heizkraftwerk kann zwar auch mit Diesel betrieben werden – und der Speicher der EWP ist vollgefüllt. Das reiche aber nur ungefähr eine Woche, erklärt EWP-Chef Eckard Veil. Gedacht ist der Speicher als Puffer für Reparatur-Zeiten. Als Dauerlösung fällt das flach: „Wir müssten irgendwo gigantische Mengen Öl herholen“, erklärt Veil. Das Öl müsste nicht nur am Markt beschafft, sondern auch nach Potsdam angeliefert werden – und die Infrastruktur dafür gibt es nicht.

EWP-Chef Eckard Veil.
EWP-Chef Eckard Veil.

© Andreas Klaer

Während Strom recht unproblematisch auch von anderswo nach Potsdam gelangen kann, sieht das beim Gas anders aus. Gas muss tatsächlich physisch durch Rohre gepumpt werden. In Ostdeutschland kam das Gas zuvorderst aus einer der drei Gaspipelines aus Russland – mittlerweile aber auch aus anderen Quellen, ein Grund für die gestiegenen Preise.

Was passiert, wenn die Bundesnetzagentur die „Gasmangellage“ ausruft?

Das hätte Auswirkungen sowohl bei den gelieferten Gasmengen als auch beim Gaspreis. Privatkunden sind nach derzeitiger Rechtslage genauso wie die kritische Infrastruktur – und anders als Industriekunden – geschützt und müssen weiter beliefert werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte aber angekündigt, diese im Energiesicherungsgesetz festgeschriebene Priorisierung erneut diskutieren zu wollen.

In Potsdam gibt es nur knapp 20 Industriekunden, denen der Gashahn abgedreht werden könnte, wenn die Bundesnetzagentur dies anordnet. Damit würde die Stadt aber nur rund zehn Prozent des Verbrauchs einsparen, schätzt man bei der EWP. Wenn mehr gespart werden muss, wird das über Reduzierungen im Fernwärmenetz und bei der Stromerzeugung passieren müssen. Dazu werden verschiedene Szenarien durchgerechnet und vorbereitet. Große Wärmekunden könnten reduziert oder abgeschaltet werden. Wenn das nicht reicht, ist auch eine Senkung der Wärme im ganzen System denkbar. Eine komplette Abschaltung ist keine Option, weil dann auch Infrastruktur einfrieren könnte: „Das Wärmenetz darf nicht zum Stehen kommen“, sagt Veil.

Die Einschränkung der Wärmeversorgung könnte wiederum Auswirkungen auf das Stromnetz haben – falls die Potsdamer:innen in großer Zahl auf elektrische Heizgeräte umsteigen. „Die Stromnetze sind nicht darauf ausgelegt, solche Spitzen aufzufangen“, warnt Veil.

Was geschieht, wenn zu wenig Gas kommt?

Problematisch wird es nicht erst, wenn gar kein Gas mehr fließt. Schon ein deutlicher Druckabfall im Potsdamer Gasnetz hätte weitreichende Folgen. Das könnte dann eintreten, wenn mehr Gas von den Verbrauchern entnommen wird, als hinten nachkommt, wie Eckard Veil erklärt. „Wenn der Druck zu niedrig ist, lösen die Sicherheitsventile aus – das kann zu einer Kettenreaktion führen“, sagt er.

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Mehrere tausend dieser Ventile gibt es in Potsdam, sie sollen eigentlich dafür sorgen, dass im Fall von Gaslecks kein Gas ausströmt. Bei einem Druckabfall im Gesamtnetz würde aber auch das ganze Netz blockiert. Jedes einzelne Ventil muss dann händisch wieder geöffnet werden, ein Prozess, der nach Schätzungen der EWP bis zu vier Monate dauern kann. Derzeit organisiert man externe Unterstützung, um das im Ernstfall deutlich schneller erledigen zu können.

Was passiert mit den Gaspreisen?

Es wird noch teurer – wie viel genau, ist schwer zu sagen und hängt auch von politischen Entscheidungen ab. Wie berichtet hat der Bund die Pleite des Gas-Teilnetzbetreibers Uniper abgewendet. Mitfinanziert werden soll das nun von den Verbrauchern über eine Umlage auf den Gaspreis. Die Details sind offen, Wirtschaftsminister Habeck nannte zuletzt eine Spanne von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde.

Betriebsingenieur René Elgert an einer der Gasturbinen im Heizkraftwerk Süd. Das Kraftwerk produziert sowohl Fernwärme als auch Strom.
Betriebsingenieur René Elgert an einer der Gasturbinen im Heizkraftwerk Süd. Das Kraftwerk produziert sowohl Fernwärme als auch Strom.

© Thilo Rückeis

Sollte die Bundesnetzagentur die „Gasmangellage“ ausrufen, könnte es zusätzlich in kurzer Zeit viel teurer werden. Denn bislang können Gasversorger die längst viel höheren Kosten für die Gasbeschaffung nicht einfach an Kunden weitergeben, sondern müssen sich an teils langfristige Verträge halten. Das wäre mit Eintreten der „Gasmangellage“ hinfällig. Den Endkunden droht dann eine Vervielfachung der Kosten – es sei denn, die Politik sorgt noch für einen Ausgleich.

Auch ohne Mangellage werden Gas- und Strompreise in Potsdam steigen, machte EWP-Chef Veil deutlich. Das kommunale Unternehmen beschafft Gas mit einem Drei-Jahres-Vorlauf und kann so gewisse Preisschwankungen ausgleichen. Sollten die Marktpreise aber auf derzeitigem Niveau bleiben, wird es für EWP-Kunden schrittweise teurer: „Wir erwarten den Peak 2024/25 – wenn die Börsenpreise so bleiben, wie sie sind.“

Was können Potsdamer:innen tun?

Der beste Weg, um einer kritischen Lage vorzubeugen, ist, bereits jetzt Energie einzusparen – bei Gas, Wärme und Strom. „Alles, was wir jetzt nicht verwenden, kann in Speicher laufen“, erklärt Eckard Veil. In vollen Gasspeichern sieht er die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Deutschland gut durch den Winter kommt. Sparen könnten nur die Kunden, nicht die EWP, betont er. 

Auch Maßnahmen wie die nur zeitweise Versorgung mit Warmwasser, wie in Dippoldiswalde von einem Vermieter angekündigt, könnten helfen: „Gar nichts zu tun oder komplett abzustellen, wäre nicht richtig“, sagt Veil: „Zeitfenster wären ein Kompromiss, da die Warmwasserversorgung als Dienstleistung nach wie vor wichtig ist.“

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