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Im Potsdamer Mädchentreff "Zimtzicken".

© Andreas Klaer

Weltmädchentag in Potsdam: Selbstbewusst wie die Zimtzicken

Der Potsdamer Mädchentreff „Zimtzicken“ feiert den Weltmädchentag – mit Gesprächsrunde und einer Party. Der Treffpunkt in Zentrum Ost gehört für viele fest zum Leben. Ein Besuch vor Ort.

„Spot an für Mädchen“ heißt das Motto des diesjährigen Weltmädchentags. In einer Talkrunde am Nauener Tor am Freitag soll es um Chancengleichheit gehen, und anschließend wird eine Party gefeiert, organisiert von den Mädchen des Potsdamer Mädchentreffs „Zimtzicken“. Ein Ort, der selten im Spotlight steht, aber Potsdamer Mädchen schon lange einen geschützten Raum bietet, wo sie unter sich sein können und bei Bedarf auch praktische Hilfe und Beratung erfahren.

Vor 23 Jahren am damaligen Frauenhaus gegründet

Gegründet wurden die „Zimtzicken“ vor 23 Jahren, zunächst unter dem Dach des damaligen Frauenhauses. Bald sei klar geworden, so Projektkoordinatorin Vera Spatz, dass die Mädchen einen eigenen Ort brauchen, der weniger politisch und problemfokussiert aufgeladen ist. Zunächst fanden sie diesen in Potsdam-West, seit zehn Jahren im Zentrum Ost: ein kleiner Flachbau, dahinter ein wilder Garten mit Baumhaus und Kräuterbeet.

Im früheren Domizil hatten sie sogar eine Werkstatt, sagt Spatz. „Das war toll, da konnten Mädchen auch mal eine Motorsäge ausprobieren. Mit Werkzeugen hantieren zu Hause ja meistens die Väter und Brüder.“ Das fehle ihnen jetzt, auch im Haus selbst bräuchten sie mehr Platz. Derzeit gibt es einen zentralen Raum mit Küche und einen Bewegungsraum. „Wenn jemand in Ruhe Hausaufgaben machen möchte oder für persönliche Beratungen wäre ein dritter Raum sehr hilfreich.“

Etwa 20 Mädchen kommen täglich vorbei, viele aus Migrantenfamilien

Etwa 20 Mädchen im Alter von acht bis 22 Jahren schauen täglich am Nachmittag vorbei. Der Bedarf ist konstant. Spatz würde aber gerne mehr anbieten, die Mädchen würden kommen, sagt sie bestimmt. Zurzeit bieten die Zimtzicken außerdem dem einen Nachmittag pro Woche im Familienzentrum am Schlaatz. „Der wird sehr gut angenommen“, sagt Spatz. „Da bräuchten wir eigentlich ein tägliches Angebot.“

Durch die finanzielle Förderung des Jugendamts ist der Besuch stets kostenlos und man muss sich auch nicht anmelden – ein niedrigschwelliges Angebot, das hauptsächlich Kinder und Jugendliche aus dem Wohnumfeld nutzen. Die meisten Besucherinnen stammen heute aus Migrantenfamilien. Der Treffpunkt ist gerade für sie ein Ort, an dem sie ohne Männer und Väter sein können. Spatz möchte das Problem, dass es für Mädchen noch immer keine Chancengleichheit gibt, aber nicht an eine Migrationssituation koppeln. „Es gibt in unserer Gesellschaft grundsätzlich zu wenig Räume, in denen Mädchen über sich selbst frei bestimmen können. Jungs nehmen sich ihre Freiheit, die gehen zum Beispiel einfach in den Jugendklub. Wenn Mädchen da überhaupt hingehen, spielen sie dort eine untergeordnete Rolle.“ Mädchen sollen in der Schule oft ausgleichend wirken und die Jungs beruhigen. Zu Hause erwartet man von ihnen automatisch Hilfe im Haushalt und beim Babysitten. „Nicht überall, aber die Tendenz ist da.“

Laut sein, sich ausprobieren, Selbstbewusstsein entwickeln

Bei den „Zimtzicken“ sollen sie lernen, laut zu sein, Selbstbewusstsein entwickeln und ohne Beobachtung der männlichen Welt Dinge ausprobieren, die sonst eher Jungs vorbehalten sind und dabei die Erfahrung machen: Das kann ich auch. Jeden Sommer gehen sie eine Woche auf Segeltour, wo sie alles selbst machen. Einmal besuchten sie einen Flugsimulator. „Jede konnte drei Minuten fliegen, wo sonst Piloten ihr Training absolvieren. Das war etwas sehr Besonderes“, sagt Spatz.

Jetzt in den Herbstferien wird täglich etwas unternommen, Geocaching im Babelsberger Park oder einfach mal in Ruhe Basteln. An diesem Mittwoch werden Laternen hergestellt. Buntes Wachs wird auf Pergament gekrümelt und dann mit einem Bügeleisen ins Papier geschmolzen.

Orte für Freizeit, Kunst, Sport - auch nur für Mädchen

Die Mädchen finden es gut, unter sich zu sein – ihre Brüder zu Hause können die meisten trotzdem gut leiden. Mit den Jungs in der Schule sei das schon anders. „Die schauen beim Schwimmunterricht einfach in unsere Umkleide, reißen plötzlich die Tür auf – so was würden wir umgekehrt nie machen“, sagt eine. Und: „Die sagen oft eklige Sachen, von denen sie gar nicht wissen, was sie bedeuten.“ Jungs könnten auch brutal sein und beim Sport oder Raufen rücksichtslos zutreten. Große Probleme haben Mädchen in Potsdam aber nicht, sagen sie. Vera Spatz sagt, das Bewusstsein, dass sie vielleicht Benachteiligung erfahren, entwickele sich bei den Mädchen oft erst später. Der Treffpunkt kann ihnen jetzt helfen, sich gestärkt in der „gemischten Welt“ zu behaupten. Die Mädchen wünschen in dieser gemischten Welt mehr Orte für die Freizeit, Kunstschulen und Sportvereine, auch welche nur für Mädchen. „Ich wollte zum Turnen, aber die Gruppe war schon voll“, sagt eine. Ihre Freundin sagt: „Ich würde gerne Fußball spielen, aber als einziges Mädchen in einer Gruppe ist das peinlich“.

Die „Zimtzicken“ finden sie deshalb prima. Was würden sie machen, wenn es den Treff nicht gäbe? Die Antwort kommt superschnell: „Dann würden wir ihn erfinden.“ 

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