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Wein aus Brandenburg: Trinken nach Zahlen

In der Schinkelhalle konnten bei der Brandenburger Jungweinprobe erstmals Weine aus der Region verkostet werden.

Potsdam - Weinbaupräsident Siegfried Boy empfahl das volle Programm: Jeder der Anwesenden sei „gut beraten“, die über 60 verschiedenen Weine zu probieren. Der Chef des Weinbauverbands Saale-Unstrut sprach am Freitagabend in der Potsdamer Schinkelhalle zur Eröffnung der Großen Brandenburger Jungweinprobe, einer Leistungsschau von Winzern, vorwiegend aus dem Land Brandenburg. Zum ersten Mal fand die traditionsreiche Weinprobe in Potsdam statt, veranstaltet von der Fachgruppe Weinbau im Gartenbauverband Berlin-Brandenburg. Die eigentliche Organisation der abendlichen Weinverkostung an der Schiffbauergasse lag in den Händen des Weinvereins Werder.

Unerfahrene unter den über 300 Gästen warnte Kerstin Otto, Vorsitzende des Weinvereins, zu Beginn der Veranstaltung vorsichtshalber vor dem allzu lockeren Umgang mit dem edlen Tropfen im Glas: Wer von allen 64 angebotenen Weinen jeweils auch nur 0,1 Liter trinke, habe am Ende fast sechseinhalb Liter getrunken. Mit dieser kleinen Rechnung löste Kerstin Otto eine gewisse Heiterkeit im Saal aus. Ottos mathematische Annahme dürfte allerdings als theoretisch gelten: Sechseinhalb Liter Wein – das schafft wohl niemand.

63 Weine - und einer aus Berlin

Nach einigen Grußworten gleichsam links und rechts der Reben begann das Trinken nach Zahlen. Jeder Wein hatte eine Nummer, die an dem jeweiligen Flaschenhals abzulesen war. Auf einer langen Tafel mitten im Saal waren die Weinflaschen, aus denen sich jeder selbst bedienen konnte, in numerischer Reihenfolge aufgebaut. Zu Beginn der Veranstaltung hatte man an die Gäste Listen ausgegeben, auf denen nachzulesen war, welche Nummer für welchen Wein steht. Zusätzlich gab es zur Orientierung natürlich auch die normalen Etiketten auf den Flaschen.

So konnte sich der dem Weine zugeneigte Gast von Flasche Nummer eins – das war ein Müller-Thurgau vom Weinverein Schlieben – bis zur Nummer 64 - einem Schaumwein der Wolkenberg GmbH (Cottbus) – durch die Brandenburger Winzerkunst kosten. Aber auch ein Wein aus Berlin war dabei, vier weitere der edlen Tropfen kamen aus – man staune! – dem noch nördlicher gelegenen Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt waren 18 Weinproduzenten vertreten – unter ihnen die Familie Ludes aus Potsdam. Im Garten der Villa Jacobs am Jungfernsee betreiben Marianne und Stefan Ludes seit einigen Jahren Weinbau im Nebenerwerb. „Wir haben im Jahr etwa 600 Flaschen“, sagt Marianne Ludes. Rund 1000 Rebstöcke der Sorte Frühburgunder seien es derzeit. „Wir schauen, ob wir den Weinberg noch etwas vergrößern können“, ergänzt Ehemann Stefan Ludes.

Über 3000 Rebstöcke auf dem königlichen Weinberg

Frühburgunder ist eine klassische alte Rebsorte. Sie werde recht selten angebaut und sei verhältnismäßig ertragsschwach, bringe nur etwa ein Drittel vom Müller-Thurgau, erklärt Stefan Ludes. Hinzu kommt: „Wir selektieren sehr stark“, so der Freizeitwinzer, der hauptberuflich als Architekt arbeitet. Selektieren bedeutet, dass bestimmte Trauben vor der Reife herausgeschnitten werden – die sogenannte Grüne Lese. So kann der Weinstock seine ganze Kraft in die verbleibenden Beeren stecken und sie erhalten so viel Sonne wie möglich. Das steigert die Qualität.

Bis aus den geernteten Trauben dann ein guter Wein wird, vergeht bekanntlich einige Zeit, in der die Kellermeister ihr ganzes Können einbringen. „Ausgebaut wird unser Potsdamer Wein von einem mit uns befreundeten Winzer an der Mosel“, sagt Stefan Ludes. Dort werde der Rotwein dann ein Jahr lang in Barriquefässern aus französischer Eiche gelagert.

Anderer Wein aus Potsdam gedeiht indes am Klausberg unterhalb des Belvederes. Den dortigen einstigen königlichen Weinberg betreiben heute die Berliner Mosaik-Werkstätten, in denen viele Menschen mit Behinderungen arbeiten. Unter den Gästen am Freitagabend in der Schinkelhalle war auch Andreas Kramp, Projektsteuerer für den Weinberg am Belvedere. „Wir haben über 3000 Rebstöcke auf dem königlichen Weinberg“, berichtet Kramp. Rund 1500 Mal sei dort die Rotweinsorte Regent gepflanzt worden und etwa genauso viele Rebstöcke am Klausberg gebe es vom weißen Cabernet blanc.

„Hinten raus hat einfach die Sonne gefehlt“

Hinzu kommen Kramp zufolge rund 150 Rebstöcke der Sorte Phoenix, aus der sich ebenfalls Weißwein machen lässt. Das vergangene Jahr sei für den Wein am Klausberg nur mittelprächtig gewesen, sagt Kramp. „Hinten raus hat einfach die Sonne gefehlt.“ Den Potsdamer Wein lassen die Mosaik-Werkstätten bei dem in der Region bekannten Winzer Manfred Lindicke aus Werder verarbeiten, der einen eigenen Kellermeister beschäftigt.

Eine offizielle Prämierung der vorgestellten Jungweine – zumeist die Jahrgänge 2016 und 2017 – war auf der Veranstaltung nicht vorgesehen. Ob wirklich jeder Besucher der Bitte von Kerstin Otto nachgekommen war, bei den Weinproben Maß zu halten, ist nicht bekannt. Zwei Stunden nach dem Beginn aber hatten sich die Besucher weitgehend im Griff, es ging eher geschäftig zu – nüchtern-preußisch eben.

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