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Landeshauptstadt: Weiblich, parteilos, politisch

Die Linke geht mit Gleichstellungsbeauftragter Martina Trauth-Koschnick ins Oberbürgermeister-Rennen

Die Potsdamer Linke schickt voraussichtlich eine parteilose Frau ins Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt: Martina Trauth-Koschnick, die Gleichstellungsbeauftragte im Rathaus, soll die Linke-Kandidatin werden. Das teilte die Partei am Freitagabend nach einer Vorstellungsrunde mit, bei der die 52-Jährige den Ortsvereinsvorsitzenden der Partei präsentiert wurde.

„An der Spitze der Stadt brauchen wir eine Persönlichkeit, die sich selbst als erste Bürgerin der Stadt, als direkte Ansprechpartnerin und Interessenvertreterin aller Potsdamer_innen versteht“, hieß es. Mit Trauth-Koschnick habe man eine solche Persönlichkeit gewinnen können. Der zweimal als Oberbürgermeister-Kandidat gescheiterte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg tritt nicht noch einmal an.

Trauth-Koschnick ist seit sieben Jahren die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt und leitet das Büro für Chancengleichheit und Vielfalt, das sich insbesondere für die Belange von Migranten und Behinderten in Potsdam einsetzt und gegen Diskriminierung jeder Art eintritt. In dieser Funktion hat sie sich immer wieder zu Wort gemeldet, etwa für eine bessere und gerechtere Bezahlung von Frauen. Vor dem Posten als Gleichstellungsbeauftragte war die Diplom-Sozialpädagogin und Gesundheitswissenschaftlerin im Rathaus lange Jahre als Sozialplanerin tätig – sie kennt die Abläufe in der Stadtverwaltung sicher zu genüge. Bekannt wurde sie auch als Initiatorin des Netzwerks „Älter werden in Potsdam“. Gleichwohl gilt sie manchem im Rathaus als etwas spröde; zudem muss sie für eine erfolgreiche Kandidatur öffentlich deutlich bekannter werden.

Mit der Nominierung folgt die Linke einem Rat ihres in diesem Jahr aus familiären Gründen temporär nach Südafrika umgesiedelten Ex-Vorsitzenden Sascha Krämer. Dieser hatte bereits im Mai im PNN-Interview „zu einer Person jenseits von Parteien, aus der Mitte der Gesellschaft“ als Kandidat geraten – und es solle möglichst eine Frau sein. Krämers Nachfolger Stefan Wollenberg sagte am Freitag, man habe auch Gespräche für einen gemeinsamen Kandidaten mit anderen Parteien geführt – „leider ohne Erfolg“. Die Kandidatur stehe für neue Wege in der Führung der Stadt „mit allen und für alle“. Es gehe um gleiche Teilhabechancen für alle Einwohner und um eine politische Kultur, die den Bürgerwillen ernst nehme. Auch für die Linken ist es eine Premiere: Erstmals seit 1990 stellt die größte Oppositionspartei in der Landeshauptstadt eine parteilose Frau als Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters auf. Die Vorgängerpartei PDS hatte 1998 noch auf die heutige Linke-Landtagsabgeordnete Anita Tack gesetzt, die damals rund 25 Prozent holte. 

Am Donnerstagabend hat der Kreisvorstand den Personalvorschlag abgesegnet, nach PNN-Informationen im Beisein von Fraktionschef Scharfenberg. Der 63-Jährige, langjähriges Zugpferd seiner Partei, der eine erneute Kandidatur lange Zeit offen gelassen hatte, verzichtet demnach auf einen erneuten Versuch. 2002 hatte der langjährige Landtagsabgeordnete und Innenexperte mit wenigen Stimmen Unterschied die Stichwahl gegen den heutigen Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD) verloren. Bei Scharfenbergs zweiter Kandidatur 2010 unterlag er – auch wegen der Debatte um seine frühere Stasi-Tätigkeit – bereits mit einem Abstand von rund 20 Prozentpunkten.

Am Montag will sich die Linke-Parteispitze vor Journalisten offiziell zu den Personalentscheidungen äußern und die Kandidatin vorstellen. Zudem muss die Mitgliederversammlung der Partei am 13. Januar 2018 die Nominierung bestätigen. Es seien auch weitere Kandidaturen möglich, was aber als eher unwahrscheinlich gilt. Denn aus Linke-Parteikreisen hieß es, mit der Entscheidung wolle man auch einen veritablen Machtkampf verhindern, wie er sich speziell bei den Potsdamer Sozialdemokraten zwischen Kämmerer Burkhard Exner und Sozialdezernent Mike Schubert abzeichnet.

Allerdings gibt man sich bei der SPD zuversichtlich, am Ende gestärkt aus dem Konkurrenzkampf hervorzugehen, der am 20. Januar bei einer Mitgliederversammlung im Kongresshotel am Templiner See in geheimer Abstimmung entschieden werden soll. Das machten die Potsdamer SPD-Vorsitzende Ulrike Häfner und der Stadtfraktionschef Pete Heuer am Freitag vor Journalisten deutlich. „Viele Genossen freuen sich auf den Prozess und fühlen sich einbezogen – das trägt zur Mobilisierung in unserer Partei bei“, sagte Häfner. In anderen Parteien würden den Mitgliedern nur Kandidaten vorgesetzt, zu denen sich die Mitglieder dann verhalten könnten. Allerdings hätte sie auch für die SPD eine Frau gut gefunden, die sich das Amt zutraut. Angst vor einer Selbstzerfleischung der in Potsdam 900 Mitglieder starken Partei hat die hiesige Parteichefin nicht. Vielmehr glaubt sie, dass die Kandidaten mit der Lage verantwortlich umgehen werden. Allzu scharfe öffentliche Angriffe sollen vermieden werden. Schließlich benötige die SPD möglichst alle Mitglieder, um den Wahlkampf stemmen zu können. Es gehe darum, nach innen kontrovers Meinungen auszutauschen, um dann nach außen mit einer Stimme auftreten zu können, so Häfner.

In diese Linie passt es, dass die beiden geplanten Vorstellungsrunden der SPD-Kandidaten am 10. und 24. November nur „mitgliederöffentlich“ stattfinden – also ohne Journalisten und anderes Publikum. Mehrere Mitglieder hätten sich eine geschützte und vertrauliche Atmosphäre gewünscht, sagten Häfner und Heuer. In den Versammlungen könnten auch möglicherweise entstandene Irritationen ausgeräumt werden, hieß es weiter. Unter anderem könnte es dabei um die von Gegnern der Bewerbung von Mike Schubert kolportierte Aussage gehen, der 44-Jährige habe seine knappe Wahl zum Sozialbeigeordneten vor eineinhalb Jahren mit der Absprache gegenüber SPD-Stadtverordneten verbunden, dieses Amt acht Jahre auszuüben. „Wenn das so war, muss er das mit denjenigen Mitgliedern klären, mit denen er die Absprache getroffen hat“, sagte Häfner. Schubert hat sich dazu bisher nicht erklärt, will dafür angeblich die Mitgliedertreffen nutzen. Allerdings war zum Zeitpunkt von Schuberts Wahl noch völlig offen, ob Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) tatsächlich nicht noch einmal antritt.

Offen ist jetzt noch, wen die Potsdamer CDU und die Bündnisgrünen ins Rennen für die Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2018 schicken werden. Mit Entscheidungen wird im Januar gerechnet.

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